Schulpolitik: Wirtschaftsrat gegen "Einheitslehrer" in Hamburg
Der Wirtschaftsrat Hamburg spricht sich gegen die geplante Zusammenfassung des Gymnasial- und des Stadtteilschullehramts in Hamburg aus. Der Senat wird aufgefordert, der Empfehlung seiner eigenen Expertenkommission zu folgen und ein eigenständiges Lehramt für Stadtteilschulen einzuführen. „Die Umstellung auf ein Einheitslehramt verkennt die Ansprüche und Zielsetzungen der jeweiligen Schulform. Gleichzeitig drängt sich der Verdacht auf, dass der Senat mit dem Einheitslehrer einerseits Kosten einsparen und andererseits den Weg zur Einheitsschule ebnen will“, warnt der Landesvorsitzende Dr. Henneke Lütgerath.
Noch 2016 waren als Nachfolgelösung für das „Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen“ zwei getrennte Studiengänge für Grundschulen und für die neuen Stadtteilschulen vorgesehen. Damals erklärte Bildungssenator Ties Rabe: „Wir wollen die angehenden Lehrkräfte künftig in eigenständigen und passgenauen Studiengängen besser auf ihre unterschiedlichen Aufgaben vorbereiten […] Dafür brauchen unsere Lehrkräfte eine gute Ausbildung, die auf die besonderen Anforderungen der jeweiligen Schülerschaft passgenau zugeschnitten ist“. Grundlegende Unterschiede in den Anforderungen an die Lehrkräfte gibt es nach Meinung des Wirtschaftsrates nicht nur an Grund- und Stadtteilschule, sondern eben auch an Gymnasium und Stadtteilschule.
Verschiedene Schulformen erfordern zwingend spezifisch ausgebildete Lehrkräfte. Am Gymnasium spielt der wissenschaftspropädeutische Anspruch eine wichtige Rolle, bei anderen Schularten stehen Berufsorientierung und Praxis im Fokus. „Diesem Unterschied muss in der Lehrerausbildung Rechnung getragen werden. Das Modell des einheitlichen Gymnasiallehramts unterschätzt aber die Belange derer, die gar keine Hochschulreife anstreben. Im Gegenteil, es wertet die Sekundarstufe I ab und verstärkt den Eindruck, dass nur das Abitur mit anschließendem Studium wirklich zählt. Das wiederum gefährdet den Stellenwert der dualen Ausbildung in Hamburg, was angesichts des ohnehin großen Fachkräfteproblems ein bedenkliches Szenario ist“, so Lütgerath.
Auch ist die Perspektive der angehenden Lehrkräfte zu berücksichtigen. Dass die Mehrheit der Lehramtsstudierenden an das Gymnasium drängt, hat Gründe: eine hochwertigere Ausbildung, eine bessere Bezahlung und auch das subjektive Bestreben, nicht an einer Problem- oder Brennpunktschule lehren zu müssen. „Die Frage ist also: Wirkt die Aussicht, Einheitslehrer zu werden, nicht eher abschreckend und verstärkt nur den Trend rückläufiger Bewerberzahlen? Statt dieses Risiko einzugehen, sollte der Senat alles dafür tun, der Stadtteilschule bzw. der Sekundarstufe I den hohen Stellenwert beizumessen, den sie verdient. Ein eigenes Lehramtsstudium wäre der erste und wichtigste Schritt“, erklärt der Landesvorsitzende Henneke Lütgerath.