Cookie-Einstellungen

Bericht
03.02.2020
Drucken

Chemie- und Pharmastandort Wiesbaden mit Stärken und Chancen

©None

Zur der Vortrags- und Podiumsveranstaltung zum Thema „Chemie- und Pharmastandort Wiesbaden – Standortfaktoren der Zukunft“ hatte Dr. Reinhard Völker, Sprecher der Sektion Wiesbaden des Wirtschaftsrates der CDU e.V. geladen. Mehr als 50 Gäste folgten der Einladung in die Räumlichkeiten des Arbeitgeberverband Chemie und verwandte Industrien für das Land Hessen e.V. (HessenChemie) in Wiesbaden. 


Dr. Wolfram Schön, Mitglied des Sektionsvorstandes und Moderator der Veranstaltung bezeichnete Standortfaktoren als Erfolgsfaktoren für Unternehmen, aber gerade auch für Regionen und nannte als Beispiel die Entwicklung von Bayern, von einem Agrarland hin zu einem erfolgreichen Industriestandort, die letztendlich mit der Olympiade 1972 begann. Peter Bartholomäus, Vorsitzender der Geschäftsleitung der InfraServ GmbH & Co. Wiesbaden KG beschrieb in seinem Impulsvortrag die große Bedeutung der Chemie- und Pharmaindustrie für Deutschland, Hessen und Wiesbaden. So erzielt die Chemie- und Pharmabranche in Hessen ca. 23% der Industrieumsätze und stellt dabei rund 15% der hessischen Industrie-Arbeitsplätze. Gleichzeitig konnten, in den letzten 20 Jahren, bei einer Steigerung des Produktionsvolumens um +69% in den Bereichen Energieverbrauch (absolut -14%) und Treibhausgasemission (absolut -48%) deutliche Reduktionen erzielt werden. Bezogen auf Hessen betonte er die starke räumliche Konzentration in Südhessen mit insgesamt 142 Betrieben und 47.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und fasste die Ergebnisse der „Industriestudie-2016“ zusammen.


In der nachfolgenden Podiumsdiskussion diskutierten Peter Bartholomäus, Dr. Oliver Franz (Bürgermeister, Stadt Wiesbaden), Karl Koob ( Geschäftsleitung der DDP Speciality Products Germany GmbH & Co. KG), Dirk Meyer (Hauptgeschäftsführer, Arbeitgeberverband Chemie und verwandte Industrien für das Land Hessen e.V.) und Dr. Stephan Travers (Geschäftsführender Gesellschafter, Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH) unter Leitung von Dr. Wolfram Schön über die Standortfaktoren der Zukunft

Meyer betonte, dass Wiesbaden alle Herausforderungen und Vorteile als Teil eines Ballungsraumes besitzt und Wiesbaden im speziellen die Rahmenbedingungen für Neuansiedlungen schaffen muss. Die Ergebnisse der Industriestudie sollten zügig in einen Masterplan und in konkretes Handeln einmünden. Ein Netzwerk Industrie, das an einer Vision für Wiesbaden mitarbeitet, wäre nach seiner Auffassung ein wichtiger Schritt. Die chemisch-pharmazeutische Industrie würde sich hier gerne einbringen.

Travers sieht als positive Standortfaktoren die verkehrstechnische Lage in der Mitte Deutschlands und die Nähe zum Flughafen. Herausforderungen sieht er in der wünschenswerten Entwicklung der städtischen Wirtschaftsförderung zu einer „One-stop-agency“. Die größten Herausforderungen lägen heute gerade für mittelständische Unternehmen in der Überregulierung. Daher sei es besonders wichtig, dass die Firmen seitens der Politik und Behörden verlässliche Rahmenbedingungen vor Ort geboten bekommen, um langfristig mit ihren Steuern und als Arbeitgeber zum Gelingen der Stadt beitragen zu können.

Bartholomäus betonte, dass sich die Wiesbadener Kommunalpolitik in den letzten Monaten doch stark mit sich selber beschäftigt hat und, dass verlorenes Vertrauen, aber auch Kontakte zu den Unternehmen neu aufgebaut oder wieder vertieft werden müssten. Daneben betonte er die Wichtigkeit des Themas „Künstliche Intelligenz (KI)“. Er sagte wörtlich: „KI wird in unserer Industrie heute noch häufig unterschätzt. Die Nutzung von KI geht zudem nur über Kooperationen und Entwicklungspartnerschaften. Der Datentransfer erfordert dazu schnelle und sichere Datennetze. Dafür sind auch kommunal die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen zu schaffen“.

Koob beschrieb ebenfalls die Vorteile aus der Nähe zum Frankfurter Flughafen, gerade für international operierende Unternehmen. Als Herausforderung beschrieb er das unzureichende Verständnis bei den Genehmigungsbehörden für die Planungsprozesse innerhalb der Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie, speziell in Bezug auf die notwendige Geschwindigkeit bei der Umsetzung von Wachstumsprojekten. Desweitern unterstrich Koob die Wichtigkeit der Clusterbildung chemisch-pharmazeutischer Unternehmen, um den Gesamtstandort Wiesbaden für Arbeitnehmer sowie Fach- und Führungskräfte attraktiver zu machen und einen Mitarbeitertransfer innerhalb und zwischen Unternehmen zu ermöglichen.

Bürgermeister Dr. Franz bestätigte die Relevanz der Chemie- und Pharmabranche für den Standort Wiesbaden. Der Wirtschaftsdezernent beschrieb nach der Studie eingeleitete Maßnahmen, so zum Beispiel zur digitalen Infrastruktur. Darüber hinaus informierte er über die Verstärkung des Personals in der Wirtschaftsförderung, der Etablierung einer eigenen Ansprechpartnerin für die Industrieunternehmen und künftige Vernetzungsangebote für die Industrie und über Branchentreffen. In Bezug auf die Verfügbarkeit von jungen Fach- und Führungskräften betonte er die Bedeutung der drei in Wiesbaden ansässigen Hochschulen. Bezogen auf die Ausweisung von Gewerbeflächen verwies er auf die Aktivitäten des Planungsdezernats und erteilte der Umwidmung von Gewerbeflächen eine klare Absage.

Die Erwartungen an die lokale Politik wurden an diesem Abend wie folgt zusammengefasst: 

- Ein klares Bekenntnis zum Chemie- und Pharmastandort Wiesbaden,

- Unterstützung bei der Planung, Ausweisung von neuen und Sicherung von bestehenden Industrieflächen

- Schaffung von bezahlbarem Wohnraum,

- Optimierung des öffentlichen Nahverkehrs,

- Steigerung der Attraktivität des Industriestandortes Wiesbadens für Fach- und Führungskräfte,

- Konsequente Fortsetzung der Vernetzung von Politik, Verwaltung und Industrie.


In seiner Zusammenfassung bedankte sich Dr. Völker nochmals bei Peter Bartholomäus für die Betonung der großen Bedeutung der chemischen und pharmazeutischen Industrie für Südhessen und Wiesbaden und setzte sich dafür ein, dass Wiesbaden nicht nur als Standort von Versicherungen, Banken und Dienstleistung wahrgenommen wird, sondern auch als Industriestandort. An die anwesenden Politiker richtete er den Appell, dass alles im Sinne der Arzneimittelverfügbarkeit getan werden müsse, um die Arzneimittelforschung und -produktion in Deutschland zu sichern, bzw. zu halten.