Energiewende in bewegten Zeiten – Perspektiven für Deutschland und Europa
Beim Bayerischen Abend der Sektion Darmstadt-Dieburg sprach Herr Matthias W. Send, Prokurist der ENTEGA AG, über die Herausforderungen und Chancen der Energiewende im Spannungsfeld von Klimawandel, Geopolitik und Industriepolitik.
Im Rahmen des traditionellen Bayerischen Abends der Sektion Darmstadt-Dieburg stand die Energiepolitik in Deutschland und Hessen im Mittelpunkt. In seiner Funktion als Prokurist der ENTEGA AG bot Matthias W. Send einen eindrucksvollen Einblick in die aktuellen Entwicklungen rund um die Energiewende und skizzierte, wie sie trotz globaler Unsicherheiten gelingen kann.
Send betonte zunächst, dass die Energiewende angesichts des fortschreitenden Klimawandels, geopolitischer Verschiebungen und wirtschaftlicher Umbrüche eine der größten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen darstellt. Erste Kipppunkte, wie das drohende Verschwinden der Korallenriffe, seien bereits erreicht. Es gelte nun, diese Entwicklungen nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern aktiv Lösungen zu entwickeln, um den Prozess aufzuhalten.

Über Jahre hinweg ist die geopolitische Lage in Europa unterschätzt worden, da man von dauerhaftem Frieden ausgegangen sei. Der Krieg in der Ukraine, veränderte Handelsbeziehungen, eine unvorhersehbare US-Politik und der zunehmende Rechtsruck in Europa haben jedoch gezeigt, wie verletzlich wirtschaftliche Abhängigkeiten sein können. Für Europa sei es entscheidend, neue Partnerschaften mit Ländern wie Indien und Kanada zu entwickeln und einen neuen, eigenständigeren Umgang mit China zu finden.
Mit Blick auf die deutsche Industriepolitik forderte Send ein strategisches Umdenken. Viele Arbeitsplätze gingen in klassischen Industriezweigen verloren. Es müsse daher entschieden werden, welche Branchen langfristig tragfähig sind und welche Strukturen sich verändern müssen. Eine Industriepolitik nach französischem Vorbild könne hier Orientierung bieten.
Ein zentraler Punkt von Sends Ausführungen waren die Energiepreise. Deutschland sei im Energiebereich noch nie ein Niedrigpreisland gewesen, was v.a. auf Steuern, Abgaben und Netzentgelte zurückzuführen sei. Politische Versprechen sinkender Energiepreise sind allerdings bislang nicht eingelöst worden. Dennoch, so betonte Send, ließe sich finanzielle Entlastung erreichen, wenn das bestehende Sondervermögen investiv eingesetzt werden, statt für kurzfristige Geldgeschenke, welche am Ende gar keine Geschenke sind.

Aktuell stamme bereits rund 60 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Quellen. Kritisch sah Send die Praxis, Photovoltaikanlagen lieber zeitweise abzuschalten, anstatt stärker in Speichertechnologien und netzdienliche Nutzung zu investieren. Die Energiewende könne nur gelingen, wenn sie als Mosaik verstanden werde: Es gebe nicht die eine Lösung, sondern viele Bausteine, die ineinandergreifen müssten – von Strom über Wärme bis hin zum Verkehr.
Auch Zukunftsthemen wie Wasserstoff, Fusionstechnologie und CO₂-Handel wurden angesprochen. Während Energieunternehmen in die Erforschung von Fusionskraftwerken investierten, stocke der Aufbau eines Wasserstoffnetzes derzeit aufgrund fehlender Planungssicherheit. Der CO₂-Handel müsse so gestaltet werden, dass er bezahlbar bleibe und die Einnahmen sozial ausgewogen verteilt würden.
Zum Abschluss unterstrich Send, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien unausweichlich sei. Entscheidend für den Erfolg der Energiewende sind verlässliche politische Rahmenbedingungen, gezielte Investitionen und ein gesellschaftliches Bewusstsein für den gemeinsamen Weg in eine nachhaltige Energiezukunft.