Prof. Dr. Simone Zeuchner-Egli und Roxana Meschke über Familienunternehmen zwischen Tradition und Transformation
Der deutsche Mittelstand gilt als Innovationsmotor und Stabilitätsanker unserer Wirtschaft. Gleichzeitig wächst der regulatorische Druck. Hinweisgeberschutzgesetz, Lieferkettenrichtlinie, Datenschutzbestimmungen und ESG-Vorgaben verlangen von kleinen und mittleren Unternehmen Strukturen, die rechtssicher und zukunftsfähig sind. Dabei geht es nicht allein um Pflichterfüllung, sondern auch um Rechtssicherheit, Reputation, Wettbewerbsfähigkeit und unternehmerische Verantwortung. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie gute Governance in der Praxis gelingen kann, ohne Unternehmen zu überlasten. Ebenso wird diskutiert, welche Risiken bestehen und wo Chancen für mehr Transparenz, Vertrauen und Resilienz liegen.

Mit diesen Leitfragen beschäftigte sich die Veranstaltung des Netzwerks Familienunternehmen & Mittelstand. Die Teilnehmenden erhielten wertvolle Einblicke und Impulse. Den Kern bildete die Vorstellung der KPMG-Studie „Von den Besten lernen: Die Governance familiengeführter Weltmarktführer“ durch Prof. Dr. Simone Zeuchner-Egli, Professorin für Wirtschaftswissenschaften und Organisationsentwicklung an der Hochschule Esslingen. Die Untersuchung basiere auf qualitativen Interviews mit 29 Unternehmen aus verschiedenen Branchen und Rechtsformen, deren Jahresumsätze zwischen 250 Millionen und einer Milliarde Euro lägen. Ein zentrales Ergebnis zeige, dass nicht die Größe eines Unternehmens über die Qualität der Governance entscheide, sondern die Rechts- und Organisationsform. Börsennotierte Firmen verfügten oft über strukturiertere Abläufe, während Familienunternehmen stärker individuelle Lösungen entwickelten.
Bemerkenswert sei, dass 41 Prozent der befragten Unternehmen freiwillig ein Aufsichtsgremium eingerichtet hätten, obwohl keine gesetzliche Verpflichtung existiere. Diese Gremien seien meist schlank organisiert und bestünden in 80 Prozent der Fälle aus Hauptgesellschaftern. Auch Hauptversammlungen würden in 91 Prozent der Unternehmen regelmäßig abgehalten. Rund die Hälfte verfüge zudem über eine Familiencharta, die grundlegende Fragen wie die Gewinnverwendung oder feste Familientermine regele. Prof. Dr. Simone Zeuchner-Egli betonte, dass erfolgreiche Governance auf fünf Faktoren basiere. Dazu gehörten Dialogfähigkeit, Professionalität, klare Rollenverhältnisse, eine ausgewogene Balance zwischen Regulierung und Profitabilität sowie eine strategische Partnerschaft auf Augenhöhe. Auf eine Publikumsfrage, wie stark Vertrauen im Alltag gelebt werde, verwies sie auf Unterschiede je nach Führungsstil und hob die Bedeutung einer klaren Kommunikation zwischen Inhabern und Geschäftsführung hervor.
Ergänzend brachte KPMG eigene Impulse ein. Roxana Meschke, Partnerin bei KPMG, stellte die Potenziale von Künstlicher Intelligenz in der Corporate Governance vor. Sie präzisierte, dass die Entwicklung praxistauglicher Lösungen eine große Herausforderung darstelle. Mit der „KPMG Gen AI Factory“ entstehe jedoch bereits ein Werkzeug, das Prozesse verschlanken und faktenbasierte Entscheidungen unterstützen könne.

Die Veranstaltung verdeutlichte, dass Unternehmen, die sich frühzeitig mit Governancestrukturen auseinandersetzen, nicht nur ihre rechtliche Sicherheit stärken. Sie schaffen Vertrauen innerhalb der Familie, gegenüber Mitarbeitenden und am Markt. Gute Unternehmensführung entwickelt sich zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil und wird damit zu einem zentralen Erfolgsfaktor für die Zukunft.