KI. Der Gamechanger für die Immobilienwirtschaft?
Stefan Meine, Mitglied der Geschäftsleitung und Chief Commercial Officer der Bethmann Bank, begrüßte als Gastgeber die Teilnehmer und Referenten. Er betonte, dass die Veränderungen durch Künstliche Intelligenz, von der strategischen Ausrichtung der Unternehmen in der Bau- und Immobilienbranche über die Transformation von Arbeitsprozessen und Mitarbeitenden bis hin zur Immobilie selbst, auch für die Finanzierungsseite von großem Interesse sind.
Birgit Lenzen, Sprecherin des Netzwerks Immobilien des Wirtschaftsrates Hessen, begrüßte ebenfalls die Teilnehmer und Referenten. Sie machte mit Verweis auf die Fachpresse deutlich, dass die Immobilienbranche derzeit zwischen großer Hoffnung auf KI und deutlicher Ernüchterung pendelt. Die Verbreitung von KI in der Branche ist noch gering, denn die Einführung wird durch erhebliche Herausforderungen gebremst, darunter Personalmangel, unzureichende Datenqualität, ein niedriger Digitalisierungsgrad in vielen Unternehmen sowie generelle Widerstände gegenüber notwendigen Veränderungen. Dennoch betrachtet die Branche Künstliche Intelligenz als zentrale Technologie der kommenden fünf Jahre.
Robert Betz, Partner der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München, stellte im ersten Vortrag die Frage, ob die rasanten Entwicklungen rund um KI das Ende altbewährter Methoden einläuten könnten. Er machte deutlich, dass die KI-Transformation die gesamte Wertschöpfungskette der Immobilienbranche erfassen und Arbeitsweisen in den Unternehmen sowie im Umgang mit Immobilien grundlegend verändern wird. Es sei höchste Zeit, sich diesen unausweichlichen Anpassungen zu stellen.

Der Einsatz von KI verändert Arbeitsweisen grundlegend. Routineaufgaben wie Fehleranalysen oder Recherchen, die häufig von Nachwuchskräften erledigt werden, werden in Zukunft weitgehend wegfallen. Dies wirkt sich langfristig auf Recruitingstrategien, Berufsbilder und das soziale Gefüge in Unternehmen aus. Am Beispiel des Haustechnikers wurde verdeutlicht, dass sich seine Haupttätigkeit durch KI-gesteuerte, emissionsoptimierte Gebäuderegelungen von der manuellen Steuerung hin zu Wartungs- und Reparaturarbeiten an technischen Systemen verlagert.
Die bloße Übernahme eines PropTech-Unternehmens, wie dies in früheren Innovationsphasen manchmal üblich war, sei bei Künstlicher Intelligenz nicht ausreichend. Die KI-Strategie dürfe kein isoliertes IT-Projekt sein, sondern müsse ein zentraler Bestandteil der gesamten Unternehmensstrategie werden. Fähigkeiten würden nicht ersetzt, sondern neu angeordnet. Statt nur bestehende Prozesse zu automatisieren, sollten sich Unternehmen fragen, wie Menschen und KI bestmöglich zusammenarbeiten können. Die Botschaft an die Unternehmer war eindeutig. Die Zukunft der Immobilienwirtschaft gehört den Mutigen. Unternehmen und Immobilien werden durch KI gesteuert sein. Wer sich rechtzeitig damit auseinandersetzt, entscheidet über seinen künftigen Erfolg.
Dennis Hartweg, Managing Director und Head of Business Development bei der CBRE GmbH, präsentierte im nächsten Vortrag Praxisbeispiele aus dem gesamten Lebenszyklus von Immobilien. Er zeigte auf, wie moderne KI-Anwendungen dazu beitragen, Vertriebsprozesse effizienter und profitabler zu gestalten, und welche Erfahrungen sich aus dem praktischen Einsatz ableiten lassen.
In der Akquise-Phase ersetzt KI zahlreiche manuelle Schritte, indem sie relevante Markt-, Kunden- und Unternehmensdaten automatisch zu übersichtlichen Berichten zusammenführt. Auch in weiteren Bereichen ergeben sich Vorteile. Beim Strukturieren von Datenräumen sorgt KI durch automatische Hinweise auf mögliche Probleme für eine Qualitätskontrolle in Echtzeit. Algorithmen erkennen zudem schnell fehlende Dokumente. Besonders im Marketing verringert KI den Aufwand bei der Erstellung von Präsentationen und Unterlagen erheblich.
Hartweg betonte, dass Unternehmen, vor allem im Vertrieb, klare Regeln definieren müssen, die festlegen, welche internen Daten in KI-Systeme eingespeist werden dürfen. Gleichzeitig braucht es verbindliche Vorgaben für die Nutzung von KI am Arbeitsplatz. Nur durch solche klaren Regeln lässt sich verhindern, dass sensible Unternehmensdaten unkontrolliert nach außen gelangen. Die Entwicklung im Bereich generativer KI schreitet mit enormer Geschwindigkeit voran, weshalb Prognosen über kommende Entwicklungen kaum möglich sind.
Ein Praxisbeispiel zeigt die Bedeutung der Technologie. Bereits heute können 200.000 Kundenanfragen in der Wohnungsverwaltung durch KI beantwortet werden. Auch der Bereich der autonomen Baumaschinen entwickelt sich rasant weiter. In China wurde im Sommer 2025 eine 157 Kilometer lange Autobahnstrecke vollständig mit autonomen, unbemannten Maschinen saniert. Der gesamte Prozess fand ohne menschliches Eingreifen statt.
An die Mitarbeitenden richtete Hartweg eine klare Botschaft. Der einzige Weg, KI vom eigenen Arbeitsplatz fernzuhalten, besteht darin, KI zu nutzen, um die eigene Arbeit besser zu machen.
Dr. Fabian Sonnenburg, Head of Data Intelligence and Digital Enablement bei der CBRE GmbH, hob hervor, dass KI die Funktion und Ausstattung von Immobilien grundlegend verändert. KI-gestützte, vorausschauende Gebäude passen sich den Nutzern proaktiv an, sagen Wartungsbedarf voraus, automatisieren Abläufe und optimieren den Energieverbrauch.
Für die erfolgreiche Einführung von KI sei eine klare Führung von der Unternehmensspitze erforderlich. Das Management müsse als Vorbild für eine datengetriebene Kultur agieren. Gleichzeitig bleibe der Mensch zentral. Hohe Investitionen in Qualifizierung und aktives Change-Management seien notwendig. Sonnenburg betonte, dass die Technologie bereit sei, die Unternehmen jedoch häufig noch nicht.
Der Erfolg von KI-Projekten hängt von umfassender Vorarbeit ab, darunter eine funktionierende Datenorganisation, die Bereinigung von IT-Systemen sowie eine zentrale Verfügbarkeit von Daten. Ein schrittweiser Ansatz mit kleinen, skalierbaren Projekten sei empfehlenswert.
Ein Praxisbeispiel ist eine Plattform zur automatisierten Dokumentenanalyse. Diese Anwendung extrahiert strukturierte Daten aus Dokumenten wie Mietverträgen oder Grundbuchauszügen, reduziert den manuellen Aufwand und steigert die Genauigkeit durch intelligente Analyse.
Insgesamt zeigt sich, dass KI einen stufenweisen Übergang von der Unterstützung durch den Menschen hin zur Übernahme komplexerer Aufgaben ermöglicht. Eine umfassende KI-Strategie ist entscheidend, um Effizienz und Innovationskraft zu nutzen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Jede Strategie sollte auf den vier Bereichen Bildung, Experimentieren, Umsetzung und Ethik basieren.
Die drei Referenten waren sich einig, dass trotz vieler erfolgreicher Beispiele auch weiterhin wesentliche Risiken bestehen. Dazu gehören Verzerrungen in Trainingsdaten, erfundene Inhalte von KI-Systemen sowie die Notwendigkeit einer ethischen Kontrolle und einer ständigen Überwachung. Besonders der Datenschutz bleibt ein entscheidendes Thema. Unternehmen benötigen klare Regeln, um die unkontrollierte Weitergabe sensibler Daten zu verhindern.
Prof. Dr. Janine Wendt, Professorin für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht an der TU Darmstadt, gab im abschließenden Vortrag einen umfassenden Überblick über den EU AI Act, den ersten vollständigen Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz weltweit, der auch für die Immobilienwirtschaft weitreichende Folgen hat. Zentrale Vorgaben wie Regelungen zu verbotenen Praktiken, Anforderungen an die KI-Kompetenz oder den Umgang mit generativer KI gelten bereits seit Februar bzw. August 2025.
Sie erläuterte die Einteilung von KI-Systemen in Risikokategorien samt den jeweiligen regulatorischen Anforderungen. Der EU AI Act unterscheidet zwischen Anbietern und Betreibern von KI-Systemen. Je nach Nutzung kann die Rolle wechseln: Wer ein System z.B. entgegen der Betriebsanleitung verwendet, kann als Anbieter gelten, was strengere Vorgaben nach sich zieht.
Professorin Wendt stellte in den Vordergrund, dass der EU AI Act nur einen – wenn auch zentralen – Baustein in der Regulierungsarchitektur künstlicher Intelligenz bildet. Weitere Elemente sind neben den noch ausstehenden harmonisierten Normen die Leitlinien der EU-Kommission – etwa zu den verbotenen Praktiken, den Definitionen oder zuletzt der Allzweck-KI wie ChatGPT, Gemini oder Copilot. Ergänzt wird der Rechtsrahmen zudem durch den Praxisleitfaden für grundlegende Modelle. Der Leitfaden, der in einem Multi-Stakeholder-Verfahren entwickelt wurde, greift die Unterscheidung zwischen herkömmlichen Modellen und solchen mit einem Risiko für das Gesamtsystem auf und schlägt weitere Differenzierungen innerhalb des systemischen Risikos vor.
Professorin Wendt wies abschließend auf die Bedeutung einer KI-Kompetenz in den Unternehmen hin: Anbieter und Betreiber von KI-Systemen müssen sicherstellen, dass ihr Personal und andere Personen, die mit dem Betrieb und der Nutzung von KI-Systemen befasst sind, über ein ausreichendes Maß an KI-Kenntnissen, Fähigkeiten und Verständnis verfügen. Es sei auch aus Sicht des EU-Gesetzgebers essentiell, dass die mit einer KI interagierenden Personen typische Automatisierungsbiases kennen, sie müssen ein Verständnis darüber ausbilden, dass Menschen zu einem übermäßigen Vertrauen in vom KI-System hervorgebrachte Ergebnisse neigen.
Zum Abschluss ging Professorin Wendt noch auf die in Aussicht gestellten Änderungen der Rechtslage durch den sog. Digital-Omnibus ein – der Entwurf eines Legislativpakets, das am Tag der Veranstaltung von der EU-Kommission vorgestellt worden ist und nun im Trilog verhandelt wird. Das Paket soll den digitalen Rechtsrahmen der EU in den Bereichen Datenschutz, Daten, Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit vereinfachen und praxistauglicher gestalten.
Wir bedanken uns bei der Bethmann Bank ABN AMRO für die freundliche Unterstützung der Veranstaltung.