Wohnraum als Standortfaktor – Mitarbeiterwohnungen im Spannungsfeld von Fachkräftemangel und Bürokratie

Eine Veranstaltung des Netzwerkes Immobilien und des Jungen Wirtschaftsrates Hessen zeigte: Der Wille ist da, doch die Hürden bleiben hoch.
Birgit Lenzen, Sprecherin des Netzwerks Immobilien des Wirtschaftsrates Hessen, begrüßte die Teilnehmer zur Diskussion rund um Mitarbeiterwohnungen. Sie machte deutlich, dass Werkswohnungen „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“ könnten – sowohl bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels als auch bei der Entlastung angespannter Wohnungsmärkte. Sie wies darauf hin, dass dieses Modell zwar nicht neu sei, aktuell jedoch wieder an Bedeutung gewinne. Der Bedarf sei enorm, gleichzeitig gebe es in einem stark regulierten Sektor aber viele Hürden zu überwinden. „Oft fehlt es am Mut oder an pragmatischen Ansätzen. Dabei ist es höchste Zeit, dass mehr Unternehmen dieses Thema anpacken.“
Anja Pfäffle, stellvertretende Landesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrates Hessen, hob die Bedeutung der Werkswohnungen als strategisches Instrument zur Mitarbeitergewinnung und -bindung hervor. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt sei für viele, besonders für junge Berufseinsteiger, extrem angespannt. Deshalb sei es für Unternehmen auch in Bezug auf Gewinnung von jungen Arbeitnehmern besonders relevant, über neue Wege wie Mitarbeiterwohnungen nachzudenken.
Martin Bosch, Geschäftsführer des St. Josefs-Hospitals Wiesbaden, zeigte, wie ein solches Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann – trotz aller Widrigkeiten. In enger Abstimmung mit der Stadt sei auf einem Grundstück der SEG ein Wohnheim mit 82 Einheiten entstanden, welches innerhalb von nur vier Monaten komplett vermietet war. Vor allem Pflegeauszubildende, viele davon aus Indien, hätten dort ein neues Zuhause gefunden. „Wenn wir gute Pflegekräfte halten wollen, müssen wir ihnen auch etwas bieten“, so Bosch. Das Krankenhaus habe rund 8,2 Millionen Euro Eigenmittel investiert – ein klares Bekenntnis zur eigenen Verantwortung. Die Nachfrage sei so groß, dass bereits weitere Wohnheime diskutiert würden.
Klaus Peter, Architekt und Leiter des Liegenschaftsmanagements der FES GmbH, berichtete von ähnlichen Herausforderungen. Frankfurt sei für viele ausländische Arbeitskräfte nicht der attraktivste Wohnort – Sicherheitsbedenken spielten hier eine große Rolle. Dennoch sei es gelungen, in einem Neubauprojekt 14 der 58 Einheiten als Werkswohnungen zu nutzen. Die Bedingungen dafür seien allerdings komplex: Fragen der rechtlichen Ausgestaltung, etwa ob es sich um Werkdienst- oder Werksmietwohnungen handelt, erschwerten die Planung zusätzlich. Dennoch sei klar: „Ohne Wohnungen können wir keine Leute aus dem Ausland holen.“ Denn nur so könne der Betrieb des Unternehmens aufrechterhalten werden und der Bau von Werkswohnungen sei folglich niemals ein Verlustgeschäft.
Rechtsanwalt Dr. Martin Prothmann, Partner bei der Kanzlei GSK Stockmann, schilderte aus juristischer Perspektive, welche Stolpersteine Unternehmen beim Bau von Mitarbeiterwohnungen beachten müssen. Neben baurechtlichen Einschränkungen stünden auch arbeits- und mietrechtliche Fragen im Raum – Themen, die viele Arbeitgeber bislang abschrecken. Ein Hindernis sei beispielsweise, dass Werkswohnungen oft als Teil des Arbeitsvertrags gewertet würden, was Kündigungsschutzfragen verkomplizieren könne.
Elke Barth, wirtschafts- und wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, betonte, dass der Fachkräftemangel inzwischen alle Branchen betreffe und ohne qualifizierte Zuwanderung nicht zu lösen sei. Gerade deshalb brauche es mehr Mut zu pragmatischen Lösungen. Mit der Novelle der Hessischen Bauordnung (HBO) möchte die Landesregierung Wohnungsbau unbürokratischer machen und beschleunigen. Mit dem Baupaket I hat sie zahlreiche Verbesserungen und Vereinfachungen vornehmlich für das Bauen im Bestand vorgelegt. Ein Gesetzentwurf, der ab Juli im Landtag beraten wird. Mit dem geplanten Leerstandsverbot werde den Kommunen wieder ein Instrument in die Hand gegeben, um gegen spekulative Leerstände vorzugehen. Damit seien Schritte in die richtige Richtung unternommen, doch viele Planungsprozesse und Genehmigungsverfahren dauerten nach wie vor zu lange. Bereits in der Diskussion sei das Baupaket II für den Neubau. Außerdem sprach sich Elke Barth für die gezielte Förderung von Mitarbeiterwohnungen aus.
Einigkeit bestand bei allen Diskussionsteilnehmern darin, dass Werkswohnungen eine vielversprechende Lösung darstellen, um dem angespannten Wohnungsmarkt und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Doch der Weg dahin bleibt steinig: rechtliche Unsicherheiten, lange Planungsprozesse und hohe Kosten schrecken viele Unternehmen ab. Umso wichtiger sei es, so das Fazit der Veranstaltung, dass Politik und Wirtschaft gemeinsam pragmatische Rahmenbedingungen schaffen – und Unternehmen den Mut aufbringen, auch gegen Widerstände voranzugehen. Denn wie Martin Bosch es ausdrückte: „Wenn man es nicht wirklich will, wird es nichts.“
Wir bedanken uns bei der Brömer & Sohn GmbH für die freundliche Unterstützung der Veranstaltung.