Zwischen globaler Unsicherheit und regionaler Verantwortung: Hessens Finanzpolitik im Wandel
Beim Wiesbadener Hauptstadtgespräch diskutierte der Hess. Finanzminister, Prof. Dr. R. Alexander Lorz, mit den Teilnehmern über die geopolitischen Herausforderungen, bürokratische Hemmnisse und die Rolle Hessens als wirtschaftliches Rückgrat der Republik.
Im lichtdurchfluteten Konferenzraum der R+V Versicherung in Wiesbaden trafen sich Vertreter aus Wirtschaft und Politik zum Wiesbadener Hauptstadtgespräch, welches unter dem Eindruck großer globaler und innenpolitischer Herausforderungen stand. Nach der Begrüßung durch Dr. Andreas Franken, Mitglied des Landesvorstandes Hessen, und der Botschaft aus der Wirtschaft von Claudia Andersch, Vorstandsvorsitzende der R+V Lebensversicherung AG, eröffnete Hessens Finanzminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz die Diskussion mit einer eindringlichen Analyse der gegenwärtigen geopolitischen Lage.
Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen seien heute deutlich schwieriger als noch in den 1990er-Jahren, so Lorz. Die Unsicherheiten im Verhältnis zu Russland und China, die strategische Unberechenbarkeit der USA und die wachsenden Verteidigungsausgaben prägten die politische Debatte ebenso wie die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Wir müssen unsere Resilienz stärken und unabhängiger werden – wirtschaftlich, energie- und sicherheitspolitisch“, lautete sein Appell.
Claudia Andersch unterstrich in ihrer Botschaft die Bedeutung eines stabilen wirtschaftlichen Fundaments. Die R+V Versicherung AG verwalte Kapitalanlagen in Höhe von rund 125 Milliarden Euro und zeigt durch ihre Arbeit ein klares Signal für langfristiges Vertrauen in den Standort. Doch damit dies so bleibe, müssten Bürokratie abgebaut, Prozesse beschleunigt und Reformen vorangetrieben werden. Gerade in der Sozialpolitik – etwa bei der Renten- und Krankenversicherung – sei ein neues Denken gefragt. „Wir brauchen Spielräume für unternehmerisches Handeln, einfache Wege und klare Perspektiven“, betonte Andersch.
Lorz griff diesen Gedanken auf und verwies auf die strukturellen Herausforderungen im föderalen System. Hessen trage als starkes Geberland im Länderfinanzausgleich große Lasten, aber Entscheidungen auf Bundesebene wirkten sich immer unmittelbar auf die Haushalte der Bundesländer aus. Zwar seien Investitionen über Sondervermögen und Ausnahmen bei der Schuldenbremse aktuell möglich, doch ohne grundlegende Neuregelungen sei ein tragfähiger Haushalt für 2026 weder auf Bundes- noch auf Landesebene realisierbar. „Wir haben keinen Spielraum, weil ein Großteil unseres Haushalts in Personalkosten gebunden ist – etwa bei Lehrkräften und Polizei“, erklärte der Minister.
Besonders eindringlich sprach Lorz über die Notwendigkeit eines echten Kulturwandels in der Verwaltung. Hessen gehe hier mit gutem Beispiel durch die Arbeit des neuen Entbürokratisierungsministeriums voran. Auch in Steuerfragen wolle man mit gut durchdachten Vereinfachungen Impulse setzen, obwohl hier häufig Einzelfälle die Umsetzung erschwerten. Eine Senkung der Einkommenssteuer sei durch die Bundesregierung angedacht, aber konkrete Parameter stünden noch aus. Immerhin ist aber die Umsetzung der neuen Grundsteuer in Hessen bislang nahezu reibungslos verlaufen.
Ein weiteres zentrales Thema des Morgens war die Altersvorsorge. Sowohl Lorz als auch Andersch waren sich einig, dass das bestehende Rentensystem an seine Grenzen stoße. „Die Erkenntnis ist endlich da: Die gesetzliche Rente allein reicht nicht mehr. Wir müssen private Vorsorge stärker fördern“, so Lorz. Besonders für Menschen mit wenig Interesse an Finanzthemen brauche es einfache, standardisierte Produkte – „für ein Stück Sicherheit bis ans Lebensende“.
Das Wiesbadener Hauptstadtgespräch machte deutlich, dass die Zukunftsfähigkeit Hessens nicht allein in Zahlen oder Gesetzen gemessen werden kann. Es sind die politischen Weichenstellungen, die kulturellen Veränderungen und der Mut zur Reform, die den Unterschied machen – in Wiesbaden, in Berlin und darüber hinaus.