Wir tauschen uns regelmäßig aus, sind aber auch Konkurrenten
„Wir sind das Tourismusland Nummer eins, noch vor Bayern“, verkündete die schleswig-holsteinische Wirtschaftsstaatssekretärin Julia Carstens nicht ohne Stolz auf einer Veranstaltung der Sektion Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg, die in Kooperation mit der Landesfachkommission Tourismus und Handel des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern stattfand.
Der Tourismus in Schleswig-Holstein habe wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, und die Zahlen stiegen weiter, so Carstens. Er sei nach wie vor ein sehr bedeutender Wirtschaftszweig für das Land. Für den langfristigen Erfolg sei aber Tourismusakzeptanz erforderlich: „Daher ist unser Ziel ein ausgewogener Tourismus, der auch das Binnenland stärkt und einen Overtourism an den Küsten verhindert“.
Die Politikerin zog ein positives Fazit der staatlichen Corona-Hilfen. Es habe nur wenige Pleiten gegeben, dafür seien neue Projekte hinzugekommen. Der Tourismus erzielte im Jahr 2022 einen Bruttoumsatz von zehn Milliarden Euro (zum Vergleich: Einzelhandel 16 Milliarden, Maritime Wirtschaft 9,2 Milliarden) und Steuereinnahmen von einer Milliarde Euro.
Das Erfolgsrezept machte Julia Carstens in der Förderpolitik und der Einigkeit im Land über Parteigrenzen und Legislaturperioden hinweg aus. So sei eine langfristige Planung möglich. Als Beispiel nannte sie die Tourismus-Strategie 2030, die noch vom FDP-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz auf den Weg gebracht worden war und immer noch gelte.
Schleswig-Holstein habe zudem eine eigene und professionell aufgestellte Tourismusagentur. Sie sorge für die ausländischen Tourismusströme (vorrangig aus Dänemark, Polen und den Niederlanden) und werbe auch im Inland: 90 % der Besucher kämen aus Deutschland, vor allem aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und natürlich aus Hamburg.
Doch die Staatssekretärin blendete auch die Hemmnisse für die Branche nicht aus: Fachkräftemangel, gestiegene Kosten für Personal und Lebensmittel sowie Bürokratie. Für den letzten Punkt erbat Julia Carstens explizit um Hinweise von Seiten des Wirtschaftsrates. Chancen sieht sie hingegen im Klimawandel, der den Urlaub am Mittelmeer für viele Menschen unerträglich mache und für den Schleswig-Holstein eine Alternative sei.
Mit Mecklenburg-Vorpommern bestehe ein regelmäßiger Austausch, auch wenn man natürlich um Besucher konkurriere. Der Kontakt bestehe auch auf der Ebene der Metropolregion Hamburg, beispielsweise in Bezug auf die Bäderregelung.
In der anschließenden Diskussion war u.a. die Stärkung des Binnenlandes ein Thema. Um dieses Gebiet auch für Tagestouristen zu stärken, fehle es vor Ort häufig an Landgasthöfen. Diese würden aussterben, da viele Bauvorschriften beispielsweise für den Brand- oder Schallschutz finanziell nicht mehr zu erfüllen seien. Auch gebe es starke Einschränkungen durch den Umwelt- und Naturschutz, beispielsweise am Schaalsee, bemerkenswerterweise allerdings nur auf schleswig-holsteinischer Seite, nicht in Mecklenburg-Vorpommern. Weitere Hemmnisse seien die fehlende Nachfolge, die fehlende Arbeitszeitflexibilisierung sowie zu umfangreiche Berichtspflichten.