Aus den Ländern (Niedersachsen): "Justiz ist systemrelevant"
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die niedersächsische Justiz? Wie funktionieren Gerichtsverfahren und Justizvollzug in diesen Zeiten? Über diese und weitere Fragen diskutierten die Mitglieder und Gäste des Wirtschaftsrates im Rahmen einer digitalen Veranstaltung mit der niedersächsischen Justizministerin Barbara Havliza.
Nach einer Begrüßung durch die Landesvorsitzende, Anja Osterloh, gab Ministerin Havliza einen umfassenden Überblick über die derzeitige Situation in der niedersächsischen Justiz. Bereits mit Ausbruch der Pandemie stand für ihr Ministerium fest, dass ein funktionierender Rechtsstaat und damit die staatliche Ordnung erhalten bleiben müssten. Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen ließen sich Gerichtsverfahren nicht einfach aufschieben. Insbesondere Strafverfahren dürften nur eine kurze Frist unterbrochen werden, andernfalls müssten diese eingestellt werden. Durch den Einsatz der CDU-Politikerin und vieler ihre Kollegen aus den anderen Justizministerien konnte die Strafprozessordung auf Bundesebene angepasst und Strafverfahren somit länger unterbrochen werden. Im Bereich der Zivilverfahren merkte die ehemalige Richterin an, dass diese auch vor der Krise bereits digital durchführbar gewesen seien, diese Möglichkeit jedoch kaum genutzt wurde. Durch die Pandemie habe sich die skeptische Haltung jedoch geändert, sodass digitale Verhandlung noch weiter ausgebaut werden sollen. „Durch den Nachtragshaushalt hat die Justiz noch einmal 8. Mio. Euro zur weiteren technischen Ausrüstung der Gerichtssäle erhalten“, so die Ministerin.
Der zunächst erwartete rasante Anstieg von Arbeitsrechts- und Insolvenzverfahren sei bisher zwar ausgeblieben, die Ministerin geht jedoch davon aus, dass sich dies spätestens in den Herbstmonaten verändern wird.
Weiterhin berichtete die Gastrednerin über den Justizvollzug. Bis heute sei es zu keinem einzigen Corona-Infizierten in den niedersächsischen Gefängnissen gekommen. Das sei nur durch die rasche Verkleinerung der Belegungszahlen möglich gewesen. Hierzu wurden kurze sowie Ersatzfreiheitsstrafen von bis zu einem 1 Jahr zurückgestellt, Sexual- und Gewaltstraftaten ausgenommen. Durch dieses Zurückstellen konnten Quarantänemöglichkeiten geschaffen werden, damit Neu-Inhaftierte zunächst für 2 Wochen isoliert eingesperrt werden konnten. Mittlerweile werden auch diese Freiheitsstrafen wieder regulär vollzogen, so die Ministerin.
Im weiteren Verlauf diskutierten die Anwesenden über die verschiedenen Handhabungen innerhalb der Bundesländer, eine mögliche Verlängerung der Insolvenzanmeldung sowie darüber, ob auch Anwälte einen systemrelevanten Beruf bekleiden.