"Coronabedingten Digitalisierungsschub nutzen - Bildungssystem reformieren"
Mit der Bestsellerautorin Verena Pausder, der Lehrerin und Digitalisierungsbeauftragten Nina Toller sowie mit Matthias Schulle, Vorstand der EDUCIA AG, und der Geschäftsführerin der BÄRO GmbH, Dr. Sandra von Möller, diskutierte die Vorsitzende des Jungen Wirtschaftsrates Nordrhein-Westfalen, Janine Jaensch, im Rahmen einer digitalen Podiumsveranstaltung den dringenden Aufholbedarf des deutschen Bildungssystems.
In einer regen Debatte mit den Teilnehmern führte das Podium viele Handlungsbedarfe im Bildungssektor auf und identifizierte die mangelnde Digitalisierung als einen der wichtigsten Aspekte, der sich durch die Coronakrise für alle ersichtlich darstellt.
Bildung in der Krise ginge vor allem zu Lasten derjenigen, die es auch vorher schon schwer hatten, betonte Pausder. Es sei unbedingt notwendig, Kinder aus einkommensschwachen Haushalten mit den nötigen Endgeräten auszustatten, um Ihnen digitales Lernen zu ermöglichen. Die Gelder seien da, etwa durch den Digitalpakt, so Dr. von Möller, sie würden aber aus unterschiedlichsten Gründen nicht abgerufen. Gleichzeitig sei die Pandemie auch eine Chance, um Schule und Unterricht endlich neu zu denken und veraltete Konzepte zu überarbeiten, so die Unternehmerin. Die Krise habe für einen Digitalisierungsschub gesorgt, den es andernfalls in der Form nicht gegeben hätte, ergänzte Toller. Es sei nun wichtig, die Lehrkräfte im Umgang mit neuen Medien zu schulen und IT-Administrationen in den Schulen einzurichten, um die Entwicklung langfristig zu begleiten. Unternehmen müssten hier als Vorbild dienen. „Beinahe jedes Unternehmen beschäftigt Angestellte, die sich allein um die IT-Systeme kümmern. Es kann nicht sein, dass Schulen hier auf das Engagement von Lehrkräften angewiesen sind, die diese Aufgaben freiwillig zusätzlich zu ihrem Job übernehmen“, mahnte Pausder.
Neben fehlender Hardware, Personal und Expertise betonten Toller und Schulle, dass auch die Infrastrukturplanung bei dieser Reform mitgedacht werden müsse. „Es mag banal klingen, aber ohne ausreichende Stromquellen und gutes Internet im Gebäude kann digitaler Unterricht in der Schule nicht stattfinden“, merkte Toller an. Auf rein digitalen Distanzunterricht möchte die Digitalisierungsbeauftragte nicht ausweichen: „Das gemeinsame Lernen ist für Kinder und Jugendliche wichtig. Jedoch würde ich mir langfristig wünschen, dass sich die Art des Lernens vom klassischen Frontalunterricht in streng getrennten Klassen wegbewegt.“ Schulle ergänzte, dass sich hierzu der Bildungsbau dem Unterricht anpassen müsse und nicht, wie so häufig, andersherum. „Um moderne Bauten und die bereits bestehenden Schulentwicklungspläne umzusetzen, braucht es die gemeinsame Anstrengung der öffentlichen Hand und von privaten Investoren“. Das gemeinsame Lernen sei auch aus gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht wichtig, fügte Dr. von Möller hinzu. „Eine sichere und qualitativ hochwertige Tagesbetreuung der Kinder muss gewährleistet werden. Das ist eine Grundvoraussetzung in unserer heutigen Arbeitswelt, in der meist beide Elternteile berufstätig sind“, so die Unternehmerin wörtlich.
Insgesamt schlossen die Podiumsmitglieder, bedürfe es moderner Schulen, Rektoren mit Managementkenntnissen, einer sicheren Betreuung für Kinder und einer gesunden Kombination aus persönlichem und digitalem Unterricht. Vor allem aber bräuchten Kinder endlich eine Lobby, die ihre Interessen gegenüber Öffentlichkeit und Staat vertritt.