"Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft"
„Die Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sind sehr hoch“, legte das ehemalige Mitglied der EU-Kommission, Günther Oettinger, im Rahmen einer Videokonferenz mit Mitgliedern des Wirtschaftsrates dar. Hierbei betonte er auch die erschwerten Bedingungen unter der Corona-Pandemie. Als wichtigste Aufgabe der deutschen Ratspräsidentschaft sieht der ehemalige Kommissar für Haushalt und Personal, die Verabschiedung des mehrjährigen Finanzrahmens. In diesem Zusammenhang habe auch das „Next Generation EU“ Projekt einen großen Stellenwert. Seiner Meinung nach sei die Kürzung der Mittel nicht zielführend. Er plädiere deshalb für eine Verdopplung der Gelder für das hierin enthaltene Projekt ERASMUS+.
Nach Oettinger muss die EU in den Feldern Rechtsstaatlichkeit, Migration, Außenpolitik sowie Forschung und Digitalisierung mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Dies sei notwendig, um gegen andere politische Akteure bestehen zu können. Hierfür „muss Europa mutig sein“, wobei er eine konsequente und kollektive Strategie gegenüber Weißrussland forderte. „Hier hatte man es anfangs verschlafen, eine gemeinsame Politik zu fahren.“ Aber auch bei der Frage des 5G-Ausbaus müsse man Wege finden, sich nicht nur als Akteur zwischen China und den USA zu verstehen. Europa müsse zukünftig bei Fragen der Digitalisierung, insbesondere auch der Erforschung von künstlicher Intelligenz, gemeinsam agieren. Der ehemalige EU-Kommissar betonte, dies sei für die Wettbewerbsfähigkeit essenziell.
In der Diskussion sprach Oettinger zudem über die Folgen des „Green New Deals“ und über ein potenzielles Lieferkettengesetz aus Deutschland. Letzteres lehnte er in der vorliegenden Form ab. Es sei zu bürokratisch und die Nachweisbarkeit der Herstellungsbedingungen sei schwierig zu erbringen. Er betonte dabei, dass nur eine europäische Lösung bei dieser Thematik akzeptabel sei. Die Verschärfung der Klimaziele in Deutschland sah er als schwer realisierbar an. Zwar müsse die EU klimafreundlicher werden, jedoch müsse zukünftig die „Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz gefunden werden“. Die EU habe bereits in der Vergangenheit ihre Emissionen durch die Abschaltung der größten Emissionsquellen deutlich verringert. Weitere Reduktionen seien nicht mehr wirtschaftlich. Die EU müsse daher klima- und umweltfreundliche Technologien entwickeln und exportieren. Dies könne langfristig die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken und unsere Kosten für den Klimaschutz reduzieren.