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Bericht
15.02.2023
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„Alles, was Strom produzieren kann, muss ans Netz“

Jens Spahn MdB bei der Landesfachkommission Energie- und Umweltpolitik
©Ulrich Gunka

Energiekosten, Versorgungssicherheit, steigende Nachfrage nach Strom, immer neue Ausstiegsszenarien: Diese Frage treiben Verbraucher wie Unternehmen gleichermaßen um. Geprägt wird die Diskussion rund um die Stromversorgung von großer Unsicherheit. Kein Wunder also, dass sich die Landesfachkommission Energie- und Umweltpolitik des Wirtschaftsrates NRW mit diesen Themen auseinandersetzte – im Rahmen einer Veranstaltung unter der Überschrift „Chancen und Risiken einer bundesweiten Preiszone – Bedeutung für Nordrhein-Westfalen“.

Gastgeber der Landesfachkommission war Ende Januar das Unternehmen Amprion an seinem Hauptsitz in Dortmund. Dr. Hans-Jürgen Brick, Vorsitzender der Landesfachkommission und Vorsitzender der Geschäftsführung der Amprion GmbH, begrüßte zahlreiche Zuhörer und, als Hauptredner der Veranstaltung, Jens Spahn MdB, den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der zog, nach einem kurzen und detaillierten Fachvortrag von Dr. Oliver John (Leiter internationale Regulierung und Marktentwicklung Amprion) zum Thema Preiszonen, den Rahmen weiter und nahm genau die Fragen in den Blick, die die öffentliche Diskussion bestimmen. Aktueller Aufhänger war dabei der Bericht der Bundesnetzagentur zur Stromversorgung, der im unmittelbaren Vorfeld der Dortmunder Veranstaltung die Nachrichten bestimmt hatte. Tenor des Berichts: Die Stromversorgung sei auch bei einem vollständigen Kohleausstieg, der die ostdeutschen Reviere einschließt und damit bundesweit bis 2030 vorgezogen wird, gesichert. Spahn kritisierte diese Aussage deutlich: „Es reicht nicht zu sagen, es wird schon alles gut.“ Für Spahn ist der Bericht geprägt von „politisch motiviertem Optimismus“ und völlig unrealistischen Annahmen.

2023-02-15 Jens Spahn Landesfachkommission Energie- und Umweltpolitik ©Ulrich Gunka

Wechselnde Ausstiegszenarien (wie im Bericht der Bundesnetzagentur), Änderungen bei EEG-Vergütungen, die Diskussion um Abschöpfung von Erträgen bei Energiepreisen führen zur Verunsicherung, auch und vor allem bei Unternehmen, so Spahn. Mit Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. „Da sagen viele: Wir warten erst einmal ab mit Investitionen.“ Um der Unsicherheit zu begegnen, setzt Jens Spahn auf ideologiefreie Lösungen, die von Pragmatismus geprägt sind. Spahn: „Alles, was Strom produzieren kann, muss ans Netz.“

Konkret bedeutet das: Technologieoffenheit. Der Bundestagsabgeordnete der CDU kündigte an, dass die Unionsfraktion erneut das Thema Laufzeitverlängerung der verbliebenen Atomkraftwerke ins Parlament bringen wird. Spahn zählte weitere Aspekte auf: „Es geht darum, die erneuerbaren Energien auszubauen, das gehört ganz sicher zu unserem Blick auf Technologieoffenheit. Wir sollen uns ebenso mit den Themen CCS und CCU beschäftigen“, also der Speicherung (CCS, Carbon Capture and Storage) und der Nutzung (Carbon Capture and Utilization) von Kohlendioxid.

Kernfusion ist für Spahn ebenso ein Thema, das man nicht aus den Augen verlieren sollte, auch wenn es keine Kurzfrist-Lösung darstellt. Weiter nannte er Kernkraftwerke der vierten Generation und das Thema E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, für deren Herstellung Strom benötigt wird. Spahn unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Automobilindustrie für den Standort Deutschland: „Wir können es uns nicht leisten, den Ast abzusägen, auf dem wir sitzen.“ Fest steht, so Spahn: „Auch nach 2035 wird es Verbrenner geben.“

2023-02-15 Jens Spahn Landesfachkommission Energie- und Umweltpolitik ©Ulrich Gunka

Bei all diesen Maßnahmen ist Tempo geboten, so Spahn, „und das kann funktionieren, wie man Bau der LNG-Terminals sieht.“ Die Folgen des Ukrainekrieges hätten sich schließlich nicht dank der milden Witterung der vergangenen Wochen quasi von alleine erledigt, sondern blieben bestehen: „Der schwierige Teil kommt noch, im nächsten Winter nämlich.“

Nach dem Statement von Jens Spahn blieb Zeit für eine Diskussion, die von den Gästen der Veranstaltung rege genutzt wurde. Dr Hans-Jürgen Brick setzte hier den ersten deutlichen Akzent. „Der Industriestandort Nordrhein-Westfalen muss erhalten bleiben.“ Für die Unternehmen seien deshalb tragbare Energiekosten unabdingbar und die erreiche man mit „Markt und Wettbewerb“, so der Vorsitzende der Amprion-Geschäftsführung. Eine Ansicht, die von Jens Spahn geteilt wurde. Es gebe mitunter einen „Drang zur Verstaatlichung“, dem man nicht nachgeben dürfe. „Privatwirtschaftlich sind diese Dinge besser und effizienter organisiert“, so Spahn. Fokus der Diskussion waren daher auch die Rahmenbedingungen, die der Staat schaffen kann. Zu einer Industriestrategie gehört etwa der Blick auf Wasserstoff als mögliche Energiequelle der Zukunft. Spahn sprach sich auch hier dafür aus, das Tempo bei Investitionen deutlich zu erhöhen und größer zu denken. Zugleich warnte er davor, sich der Illusion hinzugeben, man könne den benötigten Wasserstoff vollständig im eigenen Land erzeugen. „Wir werden Wasserstoff in großen Teilen importieren müssen.“ Wie sieht der Unionspolitiker die Zukunft der energieintensiven Industrie? Wie sieht er die Bedeutung eines Strompreisdeckels für die Industrie? Spahn machte deutlich, dass es hier keine einfachen Antworten gibt. Auf der einen Seite gehe es um Wettbewerbsfähigkeit, auf der anderen Seite sei ein regulierter Strompreis nichts anderes als eine Subvention, die mit staatlichen Entscheidungen verbunden ist. „Für bestimmte Bereiche kann ich mir das aber vorstellen“, so Spahn. Eindeutig sprach sich Spahn dafür aus, Abhängigkeiten in Industriezweigen zu verringern. Die aktuellen Krisen hätten die Anfälligkeit des Landes gezeigt. Deshalb sei es wichtig, Deutschland in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Halbleiter, Biotechnologie und Militärtechnik zu stärken.

Dr. Hans-Jürgen Brick zog abschließend ein positives Fazit der Veranstaltung und forderte die Zuhörer auf, weiter den Kontakt zur Landesfachkommission Energie- und Umweltpolitik zu suchen. In Sachen Energiekosten, Versorgungssicherheit und Marktdesign versprach der Vorsitzende der Fachkommission: „Wir werden die Diskussion weiter vorantreiben.“