Aus den Ländern (Sachsen) - Analyse zur Bundestagswahl 2021
Die Bundestagswahl liegt nun bereits einen guten Monat hinter uns. Armin Laschet, der CDU-Kanzlerkandidat ist bereits als Ministerpräsident von NRW zurückgetreten und hat zudem seinen Verzicht auf den CDU-Vorsitz erklärt, Hendrik Wüst die Amtsgeschäfte als Nachfolger übernommen. Die CDU strebt eine inhaltliche sowie personelle Erneuerung an. Der Wirtschaftsrat ist gespannt wie diese aussehen wird, welche wirtschaftspolitischen Themen oauf der Agenda stehen und wie CDU ihre Rolle als größte Oppositionspartei auch über den Bundesrat ausfüllen wird.
Die „Ampel-Koalitionäre“ haben ein Sondierungspapier vorgelegt. Aus den laufenden Koalitionsverhandlungen, in denen 22 Arbeitsgruppen den Koalitionsvertrag verhandeln, dringt nur wenig nach außen. Das vorgelegte „Sondierungspapier der Ampel“ hat sich die umfassende Erneuerung unseres Landes“ vorgenommen und begreift sich als „Fortschrittskoalition“. Doch entspricht das der Realität?
Der Wirtschaftsrat hat sich deshalb sehr darüber gefreut. dass Prof. Dr. Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter des info Institutes in Dresden, Mitgliedern eine erste Bewertung der zu erwartenden Entscheidungen der neuen Ampel-Regierung, mit auf den Weg gegeben hat. Jede Partei der Sondierer hat eigene Punkte in das Papier einbringen können. Insbesondere ist Prof. Ragnitz auf die Themen Klimaschutz (Die Grünen), Soziale Sicherheit (SPD) und Innovation/Wettbewerbsfähigkeit (FDP) eingegangen. Er sieht die isolierten Maßnahmen in Deutschland beim Klimaschutz durchaus kritisch – die sozialen Folgen steigender Energiepreise werden im Papier ohnehin nicht thematisiert, sind im Sinne sozialer Sicherheit jedoch essentiell. Ein vorgezogener Ausstieg aus der Braunkohle, für die Grünen bestenfalls noch im Jahr 2030, könne zudem die Energieversorgung in Deutschland gefährden. Ein flächendeckender Mindestlohn in Höhe von 12 Euro pro Stunde könne zu Arbeitslosigkeit und weiteren Preissteigerungen führen und die ohnehin schon hohe Inflation weiter beflügeln.
Prof. Dr. Joachim Ragnitz konstatiert, dass die gesetzliche Rentenversicherung ab 2030 an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit kommt. Dies wurde vom ehemaligen Sächsischen Ministerpräsidenten, Prof. Dr. Georg Milbradt, entsprechend kommentiert. Eine Kapitaldeckung in der Rente, wie von der FDP vorgeschlagen, sei systemfremd und würde nicht dazu führen, das Rentenniveau zu sichern. Zum Bürgergeld konstatierte er, dass dies quasi „Hartz IV“ ist, nur anders genannt und etwas ausgeweitet werde. Die Vorschläge im Sondierungspapier, was die Innovationen anbelange, bewertet Prof. Milbradt als wenig konkret – das Ausschütten von Fördergeldern dürfe man nicht als Allheilmittel begreifen. Besser wäre hier ein Deregulierungsgesetz, welches die Forderung des Wirtschaftsrates Sachsen mit der Grundregel „One-in, two-out“ durchaus aufnehmen sollte. Ferner gebe es in Sachen „Zukunftsinvestitionen“ einiges an Widersprüchen. So sollen zwar die Investitionen steigen, die Schuldenbremse aber beibehalten werden. Ferner soll es keine Steuererhöhungen geben. Da die Vermögenssteuer lediglich ausgesetzt ist, sei eine Reaktivierung dieser Steuer als wahrscheinlich anzunehmen, da sonst nur wenig über die Finanzierung der höheren Ausgaben verraten wird.
Als Fazit kann festgehalten werden, dass das Sondierungspapier nur eine unzureichende Grundlage für einen Koalitionsvertrag, da ziemlich unkonkret, sei. Ferner ist im Papier einiges an Konfliktpotential, wie bei steuerlichen Fragen, bei „klimarelevanten Maßnahmen“ und hinsichtlich der Schuldenbremse enthalten, da die Positionen der Sondierer mitunter weit auseinander liegen. Die „Sollbruchstelle“ ist die fehlende Finanzierbarkeit der Maßnahmen sowie die vor allem von den Grünen eingeforderte Priorität beim Klimaschutz. Über den Strukturwandel in Ostdeutschland, die damit zusammenhängenden Disparitäten, den enormen Druck der Demografie auf die Sozialsysteme steht im Papier so gut wie nichts. Die Hauptfrage wird sein, wie lange eine sich anbahnende Ampelkoalition überhaupt halten wird. Wir danken Prof. Dr. Ragnitz sehr für seine Analyse und für die vielen Antworten auf die Fragen des Publikums.