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Bericht
10.06.2019
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Anforderungen der Wirtschaft an die sächsische Bildung

Auf der Agenda des Wirtschaftsrates in Sachsen steht seit jeher der Erhalt der exzellenten Bildung. Was aber macht diese Exzellenz genau aus und wo beginnt deren Erwerb? Hierbei gilt es insbesondere, die Lehrpläne an die Erwartungen der Wirtschaft anzupassen.
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Gemeinsam mit Vertretern der sächsischen Wirtschaftslandschaft und der Landespolitik konnte der Wirtschaftsrat das Thema Bildung in Impulsvorträgen sowie in einer Podiumsdiskussion in den Räumen des DPFA- Bildungszentrums Zwickau vielfältig beleuchten.

Als Adressat der Forderungen aus der Wirtschaft hatte der Wirtschaftsrat Gerald Heinze, Abteilungsleiter für Allgemeinbildende Schulen und Kindertagesbetreuung beim Sächsischen Staatsministerium für Kultus zu Gast, der die Positionen des Wirtschaftsrates in Sachsen zu 95 Prozent unterschreiben und nachvollziehen konnte. Neben der als positiv zu wertenden Dreigliedrigkeit (Grundschule, Oberschule und Gymnasium) des sächsischen Schulsystems machte Ronald Gerschewski, Geschäftsführer der IndiKar Individual Karosseriebau GmbH, deutlich, dass Deutschland derzeit von anderen Ländern, vor allem in Ostasien, in der naturwissenschaftlichen Bildung überholt werde. „Die Industrie erwartet eine gewisse Reife und das Verständnis für Zusammenhänge von Berufseinsteigern.“, lautet sein Credo. Der Wirtschaftsrat fordert daher einen stärkeren Fokus auf freies Reden, auf eine bessere Allgemeinbildung sowie auf den Umgang mit alltäglichen Gegebenheiten. In der Schule solle künftig auch vermittelt werden, worauf man bei einem Mietvertrag, bei diversen Finanzierungs- und Versicherungsmodellen achten müsse - kurzum, die jungen Menschen sollen auf die Realität und deren wirtschaftliche Zusammenhänge vorbereitet werden. „Heute gehe es um globale Herausforderungen, wie z.B. Klima, Natur, Handel, Energie und Mobilität, die weltweit gedacht und verstanden werden wollen“, so Gerschewski weiter. Die Lehrpläne müssen von Ballast befreit werden - und zwar durch konkrete Kürzungsvorgaben, dergestalt, dass von Anfang an eine Kürzungsquote definiert werden müsse. Dies gibt Raum, Schule neu und eher in Projekten mit fachübergreifendem, MINT-basiertem Charakter zu begreifen.

Viele dieser praxisorientierten Forderungen werden in der DPFA-Akademiegruppe, die alle drei Schultypen anbietet, bereits umgesetzt. Der DPFA-Gründer, Prof. Dr. Clauß Dietz, zeigte auf, dass die DPFA spezielle Wege einschlägt, um den Erfordernissen des (Berufs-)Lebens zu entsprechen. So werden z.B. „Mathematik in der Natur“ anhand von real zu beobachtenden Gegebenheiten unterrichtet sowie bereits verstärkt digitale Endgeräte eingesetzt, und zwar dergestalt, dass dabei entsprechende Kompetenzen, wie das Verständnis der Wirkungsweise diverser Software, erworben werden. Andrea Schreiterer, DPFA-Regionalmanagerin, zeichnete den Weg des Lehrers vom Wissensvermittler zum „Anwendungs-Coach“ in der DPFA nach. „Schule müsse heute, in der Zeit des rasant schnellen Wandels, komplett neu gedacht werden - dies braucht vor allem Mut, seitens der Lehrer, der Politik und der Wirtschaft.“ Findet man den Weg, vom Pauken für die separaten Fächer hin zum lösungs- und projektorientierten Lernen, so werde die berufliche Zukunft für viele Schüler besser zu bewältigen sein als mit der heute vollzogenen Schulmentalität, konstatierte Schreiterer.

Roland Ermer, Präsident des Sächsischen Handwerkstages, unterstrich Gerschewskis Ansichten und ging noch einen Schritt weiter, in dem er für viele Schulabsolventen mäßige Fähigkeiten hinsichtlich einfacher mathematischer Zusammenhänge feststellte. So werden einfache Rechnungen, wie Prozentrechnung, Dreisatz und Winkelfunktonen nicht mehr beherrscht - selbst überschlagsartige Schätzungen gingen oft fehl. „Es sei schließlich ein Unterschied, ob ich 6 Gramm oder 6 Kilogramm Salz beizumischen habe“, machte der Bäckermeister deutlich. Letztlich hänge aber auch viel von der Kompetenz der Lehrer ab, welche auch Tugenden, wie Zielstrebigkeit sowie Sozialkompetenzen, wie Fleiß, Mitarbeit und Ordnung vorleben sollten. Auf diese Weise könnten auch Lehrer wieder gesellschaftliche Anerkennung und Respekt zurück gewinnen. In eigener Sache forderte Ermer, dass nach erfolgreichem Abitur nicht jeder zwangsläufig studieren müsse und ein Handwerksberuf tatsächlich für viele junge Menschen nach wie vor eine Alternative mit goldenem Boden sei und eine in Deutschland vorbildhafte Ausbildung keinesfalls als sozialer Abstieg gewertet werden dürfe.

Das Sächsische Kultusministerium dreht aber derzeit bereits an wichtigen, der Wirtschaft entgegenkommenden Stellschrauben, führte der SMK-Abteilungsleiter Gerald Heinze aus, der früher selbst als Mathe- und Physiklehrer tätig war. Eine Lehrplan-Reform laufe derzeit und diese orientiere sich in drei Richtungen: 1. Inhaltliche Reduktion (betrifft auch die Stundenzahl), 2. Verstärkung der Digitalbildung und 3. Forcierung der politischen Bildung. Zudem stehen im Freistaat bereits Möglichkeiten zur Verfügung, Schule und Wirtschaft zu vernetzen, die aber kaum bekannt sind. Es gibt den Arbeitskreis Schule-Wirtschaft, eine entsprechende Landesarbeitsgemeinschaft und einen als „Sachsen-Runde“ bekannten Steuerkreis. Um Schüler besser auf das Berufsleben vorzubereiten, werden bereits Potenzialanalysen mit den Schülern - eine Art Assessment Center - durchgeführt und 14-tägige Betriebspraktika ab der Klassenstufe 8 umgesetzt. An vielen Schulen existieren als Ansprechpartner für Schüler und Wirtschaft gleichermaßen sog. „Berufseinstiegsbegleiter“. Hierbei seien auch die Unternehmen gefragt, in den Schulen vorstellig zu werden und so an die „Leistungsträger von morgen“ heran zu kommen.

Um letztlich für die Wirtschaft und Zukunft auszubilden, gehöre auch die Orientierung an erfolgreichen Absolventen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst der jeweiligen Schule wieder aufs Tableau. Diese "Vorbild-Persönlichkeiten", die früher auf Wandtafeln den Schülern Ansporn für gute Leistungen waren, können heute leicht auf Monitore projiziert werden und den gleichen Zweck erfüllen, resümiert der Zwickauer Sektionssprecher Michael Stoye, der zusammenfassend festhält: „Wir sind gut, aber noch nicht gut genug“ und meint damit u.a. Deutschlands Platz 10 von 72 an der Pisa-Studie partizipierenden Länder.