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Bericht
12.09.2022
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„LNG und Wasserstoff – eine Bestandsaufnahme“

Zur Reduktion der Abhängigkeit von russischen Gasimporten und zur Kompensation von Lieferausfällen werden aktuell die Themen LNG als kurzfristige Lösung und Wasserstoff als eher mittelfristige Lösung intensiv diskutiert. In der Veranstaltung wurden sowohl der aktuelle Stand der Entwicklungen als auch die technologischen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen in der Umsetzung beleuchtet.

Mit Dr. Thomas Werner, Managing Director der DNV Energy Systems Germany GmbH und Vorsitzender unserer Landesfachkommission Energie
©Wirtschaftsrat

Wir haben uns sehr über die Zusage unseres Vorsitzenden der Landesfachkommission Energie, Dr. Thomas Werner, Managing Director der DNV Energy Systems Germany GmbH, gefreut, der uns zu dieser Thematik als Referent und Gesprächspartner zur Verfügung gestanden hat.

Herr Dr. Werner hat einen Realitätsabgleich vorgenommen. Basierend auf der Wasserstoff-Studie der DNV, namentlich Hydrogen Forecast to 2050, ging er auf das „Farbenspiel der Wasserstoffe“, insbesondere auf gelben und grünen Wasserstoff ein. Mittels Solar- (gelb) bzw. Erneuerbarer Energie (grün) werden dabei durch Elektrolyse aus Wasser Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt. Die Welt hinkt allerdings bei der Erzeugung von Wasserstoff weit hinterher, im Vergleich zu dem, was möglich gewesen wäre. Geschätzt wird die weltweite Energieerzeugung durch Wasserstoff im Jahr 2050 auf 5 Prozent (2030: 0,5 Prozent) des Energiebedarfes, wobei 15 Prozent möglich (gewesen) wären. „Wasserstoff allein“ kann also unseren globalen Energiebedarf nicht retten, konstatiert Dr. Werner bereits zu Beginn seines Vortrages. Dekarbonisierung (Ablösung fossiler Treibstoffe), Brennstoffwechsel in der Industrie, neue Infrastruktur (Wasserstoff-Airbus der Zukunft) sind dabei aktuelle und künftige Anwendungsfelder bei Wasserstoff.

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CCS, nationale Wasserstoff-Strategien, Technologie-Push-Szenarien, Demand-Pull-Stimuli und fiskalpolitische Maßnahmen sind Felder, die beim Übergang in Richtung Wasserstoff eine Rolle spielen. Aktuell wird der Wasserstoff im Transportsektor (rein oder Teil von E-Fuels, hauptsächlich Schwerlasttransporte, Seeverkehr) genutzt. Elektrizität auch die Wärmeerzeugung sind mit zu vielen Effizienzverlusten verbunden. Explizit machen die Verstromung und der Einsatz von Wasserstoff bei der Wärmegewinnung entsprechend wenig Sinn. Sinnvoll ist jedoch der Einsatz von Wasserstoff in der Industrie durchaus. Bis 2040 wird jedoch weltweit noch die stoffliche Nutzung von Wasserstoff (als Chemikalie) gegenüber der „energetischen“ Verwendung (Verbrennen von Wasserstoff zur Energieerzeugung) überwiegen. Aktuell ist Europa führend auf dem globalen Wasserstoffmarkt. Hier ist ja auch der „Energienotstand“ aktuell am größten. Bis 2050 wird Wasserstoff maximal 1,3% des Energiebedarfs des Wohnbereichs erreichen (Heizung, Kochen, Wasserkochen). Im Industriebreich werden 7 Prozent der Energienachfrage möglich sein; vor allem in Stahlwerken und in der Petrochemie.

Erzeugt man Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien, so erreicht man maximal einen Wirkungsgrad von 57 Prozent in der Energieausbeute. Mischt man Wasserstoff in anderen Prozessen lediglich bei, können viel höhere Wirkungsgrade (z.B. in der Schifffahrt) als heute mit reinen fossilen Energieträgern erreicht werden. Aktuell wird Wasserstoff noch nicht über Pipelines und längere Distanzen transportiert, bei Ammoniak (NH3) sieht das anders aus. Will man Wasserstoff über längere Distanzen transportieren, müssen aktuelle Erdgas- bzw. Erdöl-Pipelines umgerüstet bzw. neue gebaut werden. Der Markt für Wasserstoff wächst. Bis 2050 wird der Hydrogen-Markt weiterwachsen, so viel ist aber heute schon sicher. Der günstigste Standort in Europa für grünen Wasserstoff für Deutschland wäre aktuell Südspanien, da dort Erzeugung (viel Sonne) und Transport nach Nordeuropa am günstigsten ist. Wasserstoff wird uns aktuell aus der kurzfristigen energetischen Krisenlage nicht retten; die Wasserstoffwelt ist eine Welt der Zukunft und mithin langfristig orientiert, schließt Dr. Werner seinen ersten Teil des Vortrags nach der Beantwortung der Fragen aus dem Online-Publikum.

Der LNG-Markt zieht momentan preislich (Japan-Korea-Markt) wieder an. In Deutschland gibt es Planungen für Terminals in Wilhelmshafen, Brunsbüttel, Stade, Lubmin (hier kommen Nord Stream I und II an) und Hamburg. LNG wird im Schiffsverkehr, Straßenverkehr und Gas-Alternative in Pipelines verwendet. Über Nord Stream I läuft seit Anfang September kein Gas mehr nach Europa. Wir haben momentan eine Lücke zwischen dem, was wir an LNG benötigen und dem, was zur Verfügung steht. Diese Lücke wird bis 2040 sogar noch größer werden. Dabei hat die Export- und Import-Kapazität ihre Grenzen, da die Transport- und Förderkapazitäten weltweit begrenzt sind. Da helfen auch keine weiteren LNG-Terminals weiter. Aktuell sind 4 FSRU (Floating Storage and Regasification Unit) für 200.000€ pro Tag in Deutschland gechartert, die das flüssige Gas in die LNG-Terminals zur Regasification eispeisen. Die Sicherheitsanforderungen für die LNG-Wirtschaft sind sehr hoch – zudem müssen die Wetterbedingungen stimmen. Entsprechend entspricht die theoretisch mögliche Menge nicht der tatsächlich möglichen Menge an Flüssiggas. Der Brennwert von LNG ist dabei nicht mal gleich – in Abhängigkeit von den Lieferländern muss das LNG aufbereitet werden, was abermals ein sehr aufwändiges Verfahren ist. Will man alles russische Gas in Europa ersetzen, wären 680 Schiffsladungen notwendig. Entsprechend kann auch LNG nur die Schmerzen lindern, ist aber wie auch Wasserstoff nicht die finale Lösung.

Aktuell kommt man summa summarum von fossilen Energieträgern nicht weg, auch das Thema Kernenergie wird kurz- und mittelfristig eine große Rolle spielen (müssen), lautet das gegenwärtige, ideologiefreie und gleichermaßen realistische Fazit von Herrn Dr. Werner. Der Wirtschaftsrat fordert hier die Aufgabe jedweder Ideologie, insbesondere bei Verhandlungen mit Katar oder anderer Erdgasexporteure bezüglich der (Lang-)Fristigkeit von Lieferverträgen. Der Bundeswirtschaftsminister sollte schnell das Wohl der deutschen und europäischen Wirtschaft auf Punkt eins seiner Prioritätenliste setzen, sofern er überhaupt eine solche Liste hat.