„Besser als gefühlt, besser als gedacht? - Die neue Sozialberichterstattung für Sachsen“
Eine Veranstaltung der Sektion Bautzen mit Dr. Judith Oexle, Leiterin des Referates Statistik, Berichte und Studien im Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Im Hotel & Restaurant „Waldblick“ konnten wir nicht nur in den Wald, sondern auch auf die demografische Entwicklung in den Landkreisen aber auch im Freistaat Sachsen insgesamt blicken. Mit Frau Dr. Judith Oexle, Leiterin des Referates Statistik, Berichte und Studien im Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, hatten wir dafür die geeignete Expertin zu Gast im Wirtschaftsrat unserer Sektion Bautzen, vertreten durch unseren Sektionssprecher, Norbert Fiedler.
Norbert Fiedler, Sprecher der Sektion Bautzen im Wirtschaftsrat Sachsen; Dr. Judith Oexle, Leiterin des Referates Statistik, Berichte und Studien im Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (Foto: Wirtschaftsrat)
Vieles ist für die Entwicklung der unterschiedlichen Regionen von großer Wichtigkeit oder auch von hoher Brisanz. Die demografischen Entwicklungen sind dabei für die wirtschaftliche und soziale gesellschaftliche Zukunft, für die Verwaltungen und die Unternehmen von herausragender Bedeutung. Oder wie Frau Dr. Oexle es formuliert: „Die Demografie entscheidet alles!“
Welche sinnvollen Gestaltungsmöglichkeiten für die Gesellschaft und für die Unternehmen es in den einzelnen Regionen Sachsens und beispielhaft im Landkreis Bautzen gibt, konnten wir zudem in einer regen Diskussion mit der Referentin am Ende der Veranstaltung besprechen. Generell geht es in der Sozialberichterstattung (SBE) um die Erarbeitung einer soliden Zahlenbasis, die für viele politische Weichenstellungen heran gezogen wird. Dabei zielt der erste Teil der zweiten SBE auf die Landkreise und kreisfreien Städte ab, der zweite Teil wertet insgesamt 200 Indikatoren für die 416 sächsischen Gemeinden aus. Eingeräumt werden muss allerdings, dass der neue Sozialbericht mit dem Jahr 2018 – also vor den Krisen „Corona“, „Energie“, „Inflation“ und „Krieg“ endet. Entsprechend sind wir schon heute auf den nächsten Austausch in Sachen demografisches Zahlenmaterial gespannt.
Erfreulich ist jedoch,
dass die Arbeitslosigkeit seit 2005 im ganzen Freistaat Sachsen, der im Übrigen
auch durch eine relativ hohe Bevölkerungsdichte gekennzeichnet ist,
kontinuierlich gesunken ist – wobei zu hoffen ist, dass dies auch nach den
Krisenlagen noch der Fall sein wird. Sachsen hat zudem eine der höchsten
Beschäftigungsquoten von Frauen im Bundesvergleich und kann auch eine sehr gute
Betreuungsquote (95%) von Kindern zwischen 3 und 6 Jahren vorweisen. Mit 126€
für Frauen und 135€ für Männer hat Sachsen jedoch nur unterdurchschnittlich
gute Tageslöhne, was auch daran liegt, dass im Freistaat keine Großkonzerne
bzw. DAX-Unternehmen ihren Stammsitz haben. Daran sieht man auch, dass in
Sachen geschlechterbezogenem „Equal Pay“ noch Luft nach oben ist.
(Foto: Wirtschaftsrat)
Ein Wehrmutstropfen ist allerdings in der unterschiedlichen territorialen Entwicklung Sachsens zu finden. Lediglich die Städte Leipzig und Dresden inkl. deren Speckgürtel werden perspektivisch wachsen; der Schrumpfungsprozess von Chemnitz und vielen ländlichen Gebieten im Erzgebirge und Ostsachsen wird nur schwer aufzuhalten sein, prognostiziert die SBE. Chemnitz konnte nie einen nennenswerten „Speckgürtel“ ausbilden, weil die Großansiedlungen in Sachsen sich hauptsächlich auf Leipzig (BMW, Porsche, Amazon etc.) und Dresden (Chip-Industrie mit Infineon, Bosch, GlobalFoundries etc.) konzentriert haben. Schenkt man der 15. Koordinierten Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes Glauben, so wird der Freistaat Sachsen im Jahr 2070 lediglich noch Einwohner zwischen 3,1 und 3,9 Mio. haben. Das wäre ein Bevölkerungsrückgang im Vergleich zum Jahresende 2021 in Höhe von 4 bis max. 22 Prozent. Hauptrund dafür ist das Geburtendefizit mit einer Fertilität von 1,4 Kindern pro Paar sowie das zunehmende Durchschnittsalter (Fortzug jüngerer Menschen), welches bis 2070 auf 50 Jahre geschätzt wird.
Um dem Negativtrend entgegen zu wirken, gilt es insbesondere auch im ehemals vom Bergbau geprägten Ostsachsen, den sorgsamen Umgang mit den bestehenden Arbeitskräften zu pflegen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, das Arbeitskräftepotential zu heben (ALG II-Empfänger, Schul- und Studienabbrecher, arbeitsmarktorientierte Zuwanderung aus dem Ausland), die Chancen der Digitalisierung und Automatisierung zur Ablösung von Routinetätigkeiten zu nutzen, die Attraktivität durch entsprechend positive und erfolgsorientierte Kommunikation sowie durch Angebote für jüngere Menschen zu heben, die Schnelligkeit bei der arbeitsmarktorientierten Integration von ausländischen Arbeitskräften zu steigern, konkret also entsprechende Abschlüsse schneller und unbürokratisch anzuerkennen, klare Regeln für das gesellschaftliche Miteinander zu etablieren und die Eigeninitiative eines jeden (Unternehmers) zu heben.
Wir danken allen Beteiligten für die gelungene Veranstaltung und den Mitarbeitern des „Waldblicks“ für die hervorragende Betreuung.