„Das Wasserstoffnetz Mitteldeutschland als Baustein einer nachhaltigen Industrieregion Mitteldeutschland“
Seit spätestens 2020 ist auf Bundes- und EU-Ebene beschlossen, dass man die Wasserstoffwirtschaft, im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie, als zentrale Komponente der Energiewende mit allen administrativen und finanziellen Möglichkeiten vorantreiben wird. Es geht vor allem um den sogenannten grünen Wasserstoff, also den, der aus „Erneuerbaren Energien” (EE) durch Elektrolyse aus Süßwasser herzustellen ist. Dazu gibt es Zielsetzungen, etwa über die Errichtung von Elektrolysekapazitäten, zunächst bis 2030, aber auch darüber hinaus.
Aktuell sind deutsche Politiker aus dem BMWI sogar in Namibia (u.a. in der Stadt Lüderitz) unterwegs, um dort EE-Anlagen zu installieren, die perspektivisch den Import von grünem Wasserstoff nach Deutschland ermöglichen. Wir möchten hier auch gern noch einmal an unsere Einstiegsveranstaltung zum Thema Wasserstoff vom 15.05.2023 in Chemnitz erinnern, wo wir mit Hans-Ulrich Werner dem Element Wasserstoff auf den Grund gegangen sind, aber auch über den Ursprung für die bereits existierenden Wasserstoffprojekte im mitteldeutschen Raum durch Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland Management GmbH, in Kenntnis gesetzt worden sind. (siehe Link am Berichtsende)
Diesmal konnten wir aber mit Jörn-Heinrich Tobaben insbesondere der Frage nachgehen, welche Wachstumsimpulse das Wasserstoffnetz Mitteldeutschland in welchem Zeithorizont für die Wirtschaftsregion freisetzen kann.
Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland
Management GmbH (Foto: Wirtschaftsrat)
Der Wirtschaftsrat in Sachsen setzt sich vor allem in Chemnitz für das dort geplante Wasserstoffzentrum (ITZ H2) ein, wovon Wachstumsimpulse für ganz Mitteldeutschland erwartet werden. Aktuell ist Chemnitz aber leider nicht an das Wasserstoff-Kernnetz angebunden, wie wir von Jörn-Heinrich Tobaben erfahren haben. Jedoch wurden viele HYPOS-Projekte (HYPOS: größtes und förderstärktes H2-Netzwerk in Ostdeutschland) in Mitteldeutschland bereits umgesetzt. Jörn-Heinrich Tobaben hat uns dezidiert darüber aufgeklärt, woher der Wasserstoff für das Wasserstoff-Netz herkommt (u.a. Leuna, Bitterfeld-Wolfen, Böhlen) und wo die H2-Verbraucher dafür situiert sind (Wittenberg, Leuna). Über die Wasserstoffregion Mitteldeutschland können Sie sich dezidiert unter u. g. Link informieren. Tobaben versäumte aber auch nicht, die Engpassfaktoren für eine „Wasserstoffwirtschaft“ zu benennen. Diese reichen von der Süßwasser-Verfügbarkeit und der von ausreichend Grünstrom über die Netzanbindung an das Hochspannungsnetz, die generelle Netzinfrastruktur sowie den Engpassfaktor „Transport“ über neue bzw. für H2 zu ertüchtigende Gas-Pipelines. Dabei umfasst das geplante Wasserstoff-Kernnetz 9.721 km, wovon ca. 60% durch auf H2 umzustellende Gas-Pipelines realisiert werden sollen. Man schätzt die dafür notwendigen Investitionskosten auf 19,7 Mrd.€, wovon die „Hauptadern“ durch den Bund und die „Nebenadern“ durch die Bundesländer finanziert werden sollen.
Nach Einschätzung von Tobaben sei aber für ein ausreichendes Angebot von „grünem“ Wasserstoff in Deutschland noch viel zu tun. Um das grüne H2-Kernnetz vollständig zu realisieren, bräuchte man die 6fache Menge an Windenergie bzw. die 3fache Menge an Photovoltaik als diese aktuell vorgehalten werden. Außerdem gibt es noch nicht flächendeckend Elektrolyse-Standorte. Die in Dresden ansässige Sunfire GmbH als Hersteller von Elektrolyseuren sei für Sachsen ein echter Standortvorteil, um den Hochlauf der Wasserstofferzeugung zu beschleunigen. Denn aktuell stehen einem Wasserstoffbedarf von 88TWh Erzeugerkapazitäten von lediglich 30 TWh gegenüber – es liegt also eine beachtliche „Angebotslücke“ vor.
Wir konnten recht belebend über viele Erfahrungen des qualifizierten Publikums, u.a. über die Entscheidung des privaten Sektors für ein Investment in das Wasserstoff-Kernnetz aus heutiger Sicht mit Jörn-Heinrich Tobaben diskutieren und letztlich noch einen Exkurs in die „Ressource“ Kohlenstoff bzw. CO2 hinsichtlich des CCS-Verfahrens unternehmen. Die Essenz unserer Sitzung war, dass künftig die H2 und CO2-Infrastruktur zusammen gedacht werden sollten – systemisches Denken sollte also die aktuelle Kleinteiligkeit überwinden, um das Wasserstoff-Kernnetz zum Nutzen der Industrie und letztlich auch der Verbraucher auch in Mitteldeutschland dauerhaft zu etablieren. Wir danken Jörn-Heinrich Tobaben für seinen Input und seine Standfestigkeit in der Diskussion – aber auch allen Beteiligten, die Klarheit in das komplexe System Wasserstoffwirtschaft in Mitteldeutschland gebracht haben.