„Der (Wasser-)Stoff für die Wirtschaft?“
Sachsen und Mitteldeutschland sind bereits seit Jahrzehnten etablierte Wasserstoffregionen mit großer Wertschöpfung. Der in Umsetzung befindliche Markthochlauf des grünen Wasserstoffs kann überdies ein Schlüsselfaktor der Energiewende in unserer Region sein. Viele unserer Mitglieder waren dabei, als Hans-Ullrich Werner, Geschäftsführender Gesellschafter der MAVEG GmbH, sowie Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland Management GmbH, detaillierten Einblick in die Chancen und Risiken einer Wasserstoffwirtschaft gegeben haben.
Begrüßung durch Dr. Thomas Werner, Vorsitzender der Landesfachkommission Energie, Wirtschaftsrat Sachsen (Foto: Wirtschaftsrat)
Der Wirtschaftsrat in
Sachsen hat sich schon mehrfach mit dem Thema Wasserstoff auseinander gesetzt
(siehe Links unten). Um das Wichtigste vorweg zu nehmen: Es ging vor allem um „grünen“
Wasserstoff, also den, der mittels erneuerbarer Energien erzeugt werden kann.
Dieser kann eine sinnvolle Ergänzung der fossilen Energieträger sein, vor allem
für industrielle Anwendungen und für den Transport schwerer Lasten auf der
Straße, zu Wasser und ggf. in der Luft. Im Individualverkehr werden sich jedoch
andere Energieträger durchsetzen. Die globalen Marktchancen im weltweiten Mix
der Energieträger werden bis 2050 auf 5 Prozent geschätzt. Daran wird erkennbar,
dass (grüner) Wasserstoff bestenfalls eine Ergänzung, nie jedoch der
Hauptenergieträger für eine Industrienation, wie Deutschland sein kann. Der
aktuelle „Wasserstoff-Hype“ muss also relativiert werden, zumal eine
nennenswerte Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland noch nicht einmal am
Horizont erblickt werden kann.
Hans-Ullrich Werner, Geschäftsführender Gesellschafter der MAVEG GmbH (Foto: Wirtschaftsrat)
Hans-Ullrich Werner ist dem Element Wasserstoff auf den Grund gegangen und hat uns erklärt, warum Wasserstoff, als höchst flüchtiges Gas, nicht so einfach über lange Pipelines transportiert werden kann. Wasserstoff durchdringt sogar Metall und kann entsprechend nie verlustfrei transportiert werden. Zudem braucht der Elektrolyseprozess (Aufspaltung von H2O in H2 und O2) sehr viel (grüne) Energie, die hierzulande nicht vorhanden ist. Der Transport über Ländergrenzen, wo die Sonne öfter scheint (z.B. Südspanien) oder der Wind stärker weht (z.B. Irische See), als in Deutschland, ist also ebenfalls mit hohen mengenmäßigen Verlusten verbunden. Ferner benötigt die Elektrolyse Süßwasser, womit eine Konkurrenzbeziehung z.B. in Nordafrika zur Bewässerung von Böden für die Nahrungsmittelproduktion verbunden ist.
Wasserstoff hat einen
massebezogenen Energiegehalt von 33,33 kWh/kg, Methan (Erdgas) von 13,9 kWh/
und Benzin von 12 kwh/kg. Diese Kenngröße würde eher für das direkte Verbrennen
von Wasserstoff sprechen, was wir ja aus der Raumfahrt (Space Shuttle) kennen.
Wird Wasserstoff mit Sauerstoff jedoch oxidiert, entsteht Knallgas, weshalb es
nicht einfach ist, diese Verbrennung kontrolliert und störungsfrei zu
gewährleisten. Bezieht man die Infrastrukturkosten, Transportkosten und die
notwendigen Umwandlungsprozesse der Elektrolyse ein, reduziert sich die
Bandbreite der ökonomisch sinnvollen Wasserstoffanwendungen entsprechend. 1kg
Wasserstoff wäre dann nämlich dreifach so teuer, wie ein kg Benzin. Ein
Wasserstoff-Verbrennungsmotor hätte jedoch nur einen Wirkungsgrad (Verhältnis
von nutzbringender zu zugeführter Energie) von 45% (gleich einem Dieselmotor) –
ein Elektromotor jedoch von 80%. Würde man in Deutschland ausreichend
Elektroenergie zur Verfügung haben, indem man z.B. auf die neueste Form der
Kernenergie („Dual Fluid Reaktor“) setzen würde, bräuchte man eine
Wasserstoffdiskussion bestenfalls für geeignete Teilbereiche der Wirtschaft zu
führen – (grüner) Wasserstoff entstünde bei der entsprechenden Reaktorwärme
„nebenbei“ und wäre zusätzlich zur Elektroenergie in ausreichendem Maß
vorhanden. Hans-Ullrich Werner ging aber – neben der Elektrolyse - noch auf
weitere Erzeugungsmöglichkeiten von Wasserstoff ein. So ist es möglich,
Wasserstoff aus der Reaktion von Natrium mit Wasser, aber auch aus der Reaktion
von Eisen mit Wasser zu generieren. Für beide Prozesse ist aber ebenfalls viel
Energie notwendig.
Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland Management GmbH (Foto: Wirtschaftsrat)
Jörn-Heinrich Tobaben sieht im Wasserstoff gleichzeitig Wirtschaftskraft für Mitteldeutschland, stellte den mittlerweile mehr als 170 Mitglieder zählenden Hypos e.V. (siehe Link) vor und machte für den aktuellen H2-Hype vor allem Corona (Entwicklung Wasserstoffstrategie), den Kohlausstieg (Weg zur Wasserstoffwirtschaft) sowie den Ukraine-Krieg (Wasserstoff als Ersatz für russisches Erdgas) verantwortlich. In Deutschland sind bereits zwei Wasserstoff-Pipelines vorhanden: Eine im Raum Rhein-Ruhr und die zweite im mitteldeutschen Raum. Wurde Wasserstoff vormals aus Erdgas gewonnen, so setzt man heute auf erneuerbare Energien zur Erzeugung von grünem Wasserstoff, wie das VNG-Verbundprojekt „Energiepark Bad Lauchstädt“ zeige (siehe Link). Im Hypos sind große sächsische Arbeitgeber, wie BMW, Linde, VNG, ONTRAS, Mitnetz sowie DHL engagiert. Anfangspunkt für das Wasserstoff- Cluster war Wunsch von BMW in Leipzig, die energieintensive Lackiererei von Erdgas auf Wasserstoff umzustellen – das war die Geburtsstunde von Hypos. Wasserstoff-Verbundprojekte gibt es mittlerweile in ganz Sachsen verteilt, so z.B. in Chemnitz (HIC), Leipzig (LHyVE), Meißen (Industriebogen), Görlitz (HydrogenLab), Dresden (Sunfire) und in der Lausitz (LEAG-Gigawatt-Factory) u.v.m.
(Foto: Wirtschaftsrat)
Ähnlich, wie auch Hans-Ullrich Werner gab Jörn-Heinrich Tobaben aber auch die Engpassfaktoren einer umfänglichen Wasserstoffwirtschaft bekannt. Er sieht Restriktionen in der ausreichenden Verfügbarkeit von Süßwasser sowie von Grünstrom, in der Anbindung ans Hochspannungsnetz, im notwendigen Ausbau der Netzinfrastruktur und vor allem aber auch am Fehlen des notwendigen regulatorischen Rahmens. Kurzum, auch auf absehbare Zeit, werden Deutschland und die Welt auf fossile Energieträger bzw. Kernenergie angewiesen bleiben, um eine sichere Energieversorgung zu (einigermaßen) marktfähigen Preisen zu garantieren. Wir danken allen, die unseren Austausch möglich gemacht haben, vor allem den beiden Referenten sowie den Mitarbeitern des AMBER HOTELs in Chemnitz. Am Thema Wasserstoff bleiben wir dran!