Folgen der Energiekrise und mögliche Lösungen
v.l.n.r.: Dr. Stephan Meyer, Landrat Görlitz; Jochen Groß, Sprecher Sektion Görlitz; Dr. Dino Uhle, Landesgeschäftsführer Wirtschaftsrat Sachsen (Foto: Wirtschaftsrat)
Viele Unternehmer der Region Ostsachsen kamen nach Görlitz, um mit den
erstklassigen Referenten, dem Landrat des Landkreises
Görlitz, Dr. Stephan Meyer, Prof. Dr. André Thess, Professor für
Energiespeicherung der Universität Stuttgart und Matthias Block,
Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Görlitz AG, ins Gespräch zu kommen und Kenntnis über deren
Ansichten zu erlangen.
Prof. Dr. Thess hat ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: „Sieben Energiewendemärchen?“, nach dessen Lektüre sich jeder selbst ein Bild über die momentane Situation in Sachen deutsche Energiewende machen kann. Er begann seinen Vortrag mit den größten finanziellen Risiken für die Menschheit, die durch Pandemien, Bildungsverfall, Weltraumwetter, Tsunamis, Diktaturen, Atomwaffeneinsatz, Vulkanaktivitäten und letztlich auch durch den Klimawandel bestimmt sind. Während Pandemien etwa das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um zehn Prozent schrumpfen lassen würden, wird das finanzielle Risiko des Klimawandels im BIP-Rückgang lediglich auf drei Prozent geschätzt.
Kernkraft und Klimaschutz schließen sich keineswegs aus. Die deutsche Energiewende weist bisher eher eine schlechte Erfolgsbilanz aus, zieht man die Kriterien Versorgungssicherheit,
Bezahlbarkeit und Umweltfreundlichkeit heran. Stromalarme in Baden-Württemberg
am Anfang des Jahres, mit die höchsten Strompreise weltweit sowie eine relativ
hohe CO2-Intensität sprechen aktuell für eine gescheiterte Energiewende in
Deutschland. Ferner ist auch nicht allein der Ukrainekrieg nicht allein der Ursprung für die
Energiekrise in Deutschland – bereits vor Ausbruch des Krieges ist die Technologieoffenheit vernachlässigt worden, sind
Börsenstrompreise, Benzinpreise und Gas-Futures sowie die CO2-Zertifikatsspreise
massiv angestiegen. Schaut man sich die Berichte des IPCC (Weltklimarat) an, so
wird dort zur Dekarbonisierung auch der Einsatz von Nukleartechnik empfohlen –
ein Grund mehr, um an der kernkraftfeindlichen Ausrichtung der Grünen zu
zweifeln.
Prof. Dr. André Thess, Professor für Energiespeicherung der Universität Stuttgart, spricht vor Mitgliedern in Görlitz (Foto: Wirtschaftsrat)
Als Auswege aus der Energiekrise schlägt Prof. Thess diese Schritte vor: Eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke und den Wiedereinstieg in die Kernenergie, die Aufhebung
des Kohleausstiegsbeschlusses, Fracking in Deutschland zu erlauben, die Nutzung von
CCS-Techniken, Ausbau des EU-Emissionshandelssystems ETS, sofortige und
ersatzlose Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetztes EEG, Streichung aller Elektroautosubventionen,
Schutz des Verbrennungsmotors durch das Grundgesetz sowie die Forderung nach unabhängigen
Wissenschaftler, die faktenbasiert auf die Energiesituation schauen und Lösungen finden.
Der Staat muss zurück gedrängt werden in seine Rolle als Rahmensetzer und nicht
als Investor und Subventionierer. Das Kriterium
CO2-Emissionstonnen pro Jahr und Land reichen, um eine marktgerechte
„Klimapolitik“ mittels des Zertifikatehandels zu erreichen. Die Präsentation von Prof. Thess können Sie hier herunterladen (Anmeldung erforderlich).
Matthias Block, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Görlitz AG (Foto: Wirtschaftsrat)
Das länderübergreifende Projekt „klimaneutrale Fernwärme“ für die
gesamte seit 1998 bestehende Europastadt Görlitz/Zgorzelec stellte Matthias Block, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Görlitz AG, vor. Das
Projekt könnte Leuchtturmcharakter auch für den Strukturwandel haben,
wohlwissend, dass zur Realisierung hohe Fördersummen von Nöten sein werden. Die
Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien bindet viel Kapital –
es sind also auch hohe Finanzmittel notwendig, um das Projekt umzusetzen.
Die
deutsche Seite - die Stadtwerke Görlitz - und die polnische Seite - SEC Zgorzelec - arbeiten
zusammen, um bis 2030 zur klimaneutralen Europastadt zu werden. Eine gesamte
Wärmeleistung von 163 GWh bei stark vermindertem jährlichem CO2-Ausstoß ist
dabei der Plan. Es geht aber auch darum, die europäische Zusammenarbeit zu
befördern und eine Effizienz-Steigerung zu erreichen.
Gefördert durch das
europäische CEF-Programm kann das Projekt 2024 in die Umsetzungsphase kommen.
Als Energiequelle wird auf Biomasse (63 Prozent), auf Wärmepumpen (23 Prozent) und auf
Solarthermie (9 Prozent) gesetzt. Um den Höchstfördersatz von 90 Prozent zu erreichen muss
allerdings der Anteil der Biomasse von 63 auf 25 Prozent gesenkt werden. Hier sind
kluge Ideen und Innovationen gefragt. Es bleibt die Hoffnung und der Wunsch,
dass sich aus dem Leuchtturmprojekt in der Europastadt Spillover-Effekte auf
die Attraktivität von Görlitz und weitere Verbundprojekte ergeben.
Dr. Stephan Meyer, Landrat des Landkreises Görlitz (Foto: Wirtschaftsrat)
Landrat Dr. Stephan Meyer, selbst Wirtschaftsingenieur, plädierte ebenfalls, ganz im Sinne
des Wirtschaftsrates, für Technologieoffenheit, Marktwirtschaft und
Energieeffizienz. Er ließ den Beginn des Ausstieges aus der Kernenergie nach Fukushima im Jahr 2011 Revue passieren und konstatierte, dass es seit dieser Zeit
bisher nicht gelungen sei, dezentrale und dekarbonisierte Energielösungen zu
marktgerechten Preisen in Deutschland auf die Beine zu stellen. Es ist und
bleibt verfrüht, bereits im April 2023 endgültig aus der Kernenergie
auszusteigen. Auch der hart errungene Kohlekompromiss für 2038 sollte nicht in
Frage gestellt werden.
Der Landrat hat qua Amt wenig Einfluss auf die bundespolitischen Entscheidungen in Sachen Energie, stellte aber heraus, dass der Landkreis Görlitz als „Energieregion“, bestimmt durch den Kohlebergbau sehr viele Fachkräfte in diesem Wirtschaftsbereich bindet. Indirekt seien rund 24.000 Arbeitskräfte von der Braunkohle abhängig. Der Landrat wies aber auch darauf hin, dass auch grüne Energie vom Markt nachgefragt werde und man sich dieser Energiequelle gegenüber nicht vollständig verschließen, aber den Netzausbau und alle zukunftsweisenden Energieprojekte beschleunigen solle. Dennoch konstatierte auch er zu viel Planwirtschaft in der Bundesenergiepolitik.
Jochen Groß, Sprecher Sektion Görlitz im Wirtschaftsrat Sachsen, bei seiner Begrüßung (Foto: Wirtschaftsrat)
Die Diskussion war spannend, kann aber auf den Grundtenor gebracht
werden, dass sich Deutschland aktuell nicht preiswert und sicher mit Energie
versorgen kann. Dies ist als Armutszeugnis für ein Industrieland zu werten und
diese Fehlsteuerung muss umgehend korrigiert werden, will man den
gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht in Gefahr bringen.
Wir bedanken uns bei allen Referenten sowie insbesondere beim Gastgeber, Martin Vits, dem Inhaber des Tuchmacher-Hotels, für seine Gastfreundschaft.