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Pressemitteilung 08.02.2018
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Energiewende: Wirtschaftsrat Sachsen sieht Bedrohung für den Industriestandort

Der Wirtschaftsrat Sachsen blickt mit Sorge auf die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD. Bis zum Jahr 2030 sollen in Deutschland die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent gesenkt und der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung auf 65 Prozent erhöht werden. Diese ambitionierten Klimaschutzziele gehen auf Kosten von Industrie und Verbrauchern. "Eine starke Klimaschutzpolitik ist wichtig, aber sie darf nicht das industrielle Fundament der Bundesrepublik gefährden", warnt Simone Hartmann, Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates in Sachsen.<br />

EEG treibt die Stromkosten in die Höhe

Die im nationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Energiekosten werden immer mehr zum strukturellen Standortrisiko für die deutsche und sächsische Wirtschaft. Schon jetzt bezahlen die Verbraucher in Deutschland im europäischen Vergleich die zweithöchsten Stromkosten. Pro Jahr betragen die EEG-Förderkosten durchschnittlich über 25 Mrd. Euro. Die Gesamtkosten allein durch das EEG summieren sich auf 550 Mrd. Euro. Der Netzausbau hält seit Jahren mit dem Anstieg der Erzeugung nicht Schritt. Der Strom kann immer öfter nicht abtransportiert werden, wird aber trotzdem teuer vergütet. Hinzu kommen exorbitant steigende Kosten für den Netzausbau und für Redispatch-Maßnahmen. "Vor 15 Jahren sollte die Energiewende jeden nicht mehr als eine Kugel Eis kosten. Laut Institut für Wettbewerbsökonomik werden sich die Kosten für eine Durchschnittsfamilie in den nächsten 10 Jahren auf etwa 18.000 Euro belaufen", fasst Hartmann zusammen.

Daher sollte die neue Bundesregierung schnellstmöglich einen Zeitplan für das Ende des EEG als Kostentreiber Nummer eins der Energiewende aufstellen. Das EEG hat seine Aufgabe, die Erneuerbaren zu etablieren, erfüllt. Jetzt muss sich diese Technologie ohne staatliche Förderung am Markt durchsetzen. Auch die kontinuierlichen beihilferechtlichen Bedenken der EU zeigen: Das EEG mit seinen über tausend Fördertatbeständen muss unter Maßgabe des Bestandschutzes grundlegend auf den Prüfstand gestellt und der staatliche Anteil am Strompreis konsequent gesenkt werden.

Energiewende ins Nichts

Neben dem Kostenfaktor sollte generell die Realisierbarkeit der Energiewende überdacht werden. Bereits der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Hans Werner Sinn hat vorgerechnet, dass der eingeschlagene Pfad der deutschen Energiewende ins Nichts führt, also nicht möglich ist. Wolle man den gesicherten Strom aus Wind und Sonne von 1/7 auf 4/7 der durchschnittlichen Produktion heben, wären 437 Pumpspeicherwerke notwendig. Zudem müssten wir unsere Landschaft mit unzähligen Windrädern übersäen.

Ein schlüssiges und bis zu Ende gedachtes Konzept für die Energiewende in Deutschland fehlt. Während in China bis 2030 80 neue Kernkraftwerke entstehen sollen und dessen Flotte an bereits vorhandenen ungefähr 1300 Kohlekraftwerken wöchentlich um zwei weitere wächst, steuert Deutschland als Klimapionier ins Paradoxon. „Es kann nicht die Lösung sein, bei Versorgungsengpässen zukünftig Kohlestrom aus weniger effizienten Kraftwerken in Polen oder Kernenergie aus Frankreich zu beziehen. Das gleicht einer Selbstlüge, denn erstens würden wir die Emissionen lediglich in unsere Nachbarländer verlagern und zweitens können wir doch nicht ernsthaft glauben, Deutschland sei sicherer, wenn der Strom aus Kernkraftwerken jenseits der Grenze zu unseren Nachbarländern kommt", so Hartmann weiter.

Braunkohle wird als Brückenenergie benötigt

Aus Sicht des Wirtschaftsrates ist ein Doppelausstieg aus Kohle und Kernkraft ein illusorisches Unterfangen, welches den Industriestandort Deutschland schadet und insbesondere die Wertschöpfung im Osten des Landes aufs Spiel setzt. Derzeit werden in Sachsen noch immer etwa 75 Prozent (Gesamtdeutschland: etwa 24 Prozent) des Bruttostroms aus der Braunkohle gewonnen. Die relativ günstige und mittlerweile immer umweltfreundlicher produzierte Braunkohle wird in Sachsen noch Jahrzehnte als Brückenenergie benötigt – die erneuerbaren Energien können langfristig bestenfalls eine Ergänzung für ein Konzept sein, dessen schlüssige Ausrichtung im Hinblick auf Preis- und Versorgungssicherheit nach wie vor fehlt.

Energiepolitik muss technologieoffen sein

Für die Zukunft sollten zudem bestehende Denkverbote hinsichtlich der Kernenergie  ergebnissoffen hinterfragt werden. “Auch auf diesem Gebiet sind wir gut beraten, die Augen vor dem technischen – insbesondere sicherheitstechnischen Fortschritt – nicht zu verschließen und in einer angstfrei geführten Diskussion bestehende Potenziale ergebnisoffen zu bewerten“, so Hartmann. Ferner gehören das Recycling von unvermeidbarem CO2 sowie eine Beimischquote für strombasierte Brennstoffe mit auf die politische Tagesordnung. Ziel muss ein nachhaltiges Gesamtenergiekonzept für Deutschland sein. Ideologische Grundsatzdebatten helfen nicht weiter.

Der Wirtschaftsrat fordert: Die Energiepolitik in Deutschland muss wieder technologieoffen und am Wettbewerb orientiert sein. Kernenergieforschung muss sich am Maßstab des Einsatzes in der Praxis ausrichten und darf sich nicht auf Sicherheitsforschung allein beschränken. Die Energiewende muss von einem ideologiegetriebenen zu einem expertengetriebenen Projekt weiterentwickelt werden, um den im globalen Wettbewerb stehenden Unternehmen keine weiteren Belastungen aufzubürden, sondern im Gegenteil einen Beitrag zu Prosperität der Wirtschaft in Sachsen und darüber hinaus zu leisten.