Fach-und Arbeitskräftebedarf sächsischer Unternehmen
v.l.n.r.: Nora Miethke, Leiterin Wirtschaftsredaktion der Sächsischen Zeitung; Dietrich Enk, Präsident des Unternehmerverbandes Sachsen e.V.; Staatsminister Martin Dulig MdL; Elisa Heinrich, Regionalgebietsleiterin der I.K. Hofmann GmbH; Dr. Dirk Schröter, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates in Sachsen; Alfred Hahner, Leiter Marketing der I.K. Hofmann GmbH (Foto: Wirtschaftsrat)
Laut
offiziellen Zahlen werden der sächsischen Wirtschaft bis 2030 rund
150.000 Fach- und Arbeitskräfte fehlen. Viele unserer Unternehmerinnen
und Unternehmer spüren zunehmend den Druck, gerade wenn es um die
perspektivische Aufstellung ihrer Unternehmen geht.
Die Sächsische Staatsregierung hat jüngst ihren Maßnahmenplan vorgestellt und im Mai letzten Jahres das Zentrum für Fachkräftesicherung und gute Arbeit (ZEFAS) eröffnet. Die Politik kann und muss Rahmen setzen, um die kleinen und mittelständischen Unternehmen zu unterstützen. Gemeinsam mit dem Unternehmerverband konnten wir an diesem Abend mit Martin Dulig, Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Freistaates Sachsen, ins Gespräch kommen.
Anfang April 2023 hat das SMWA einen Pakt zur Gewinnung internationaler Fach- und Arbeitskräfte für Sachsen vorgestellt, den Sie unter dem beigefügten Link downloaden können. In unserer Diskussion führte der Staatsminister u.a. aus, dass Einflüsse wie die demografische Entwicklung, zahlreiche Transformationsprozesse, wie z. B. die Digitalisierung, und neue Anforderungen an Qualifikationen und Kompetenz zu einem steigenden Mangel an Fach- und Arbeitskräften führen und dies daher auch qualitativ zu betrachten sei. Die Anwerbung im internationalen Raum ist einer von mehreren Ansätzen zur Fach- und Arbeitskräftesicherung. Diese soll neben die Hebung von inländischen Potenzialen und von Potenzialen der bereits in Sachsen lebenden Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gestellt werden, führte Martin Dulig weiter aus.Das erst jüngst vom Bundeskabinett beschlossene neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz mit geringeren Hürden, auch einfache Arbeiten mit geringerer Qualifikation in Deutschland aufzunehmen, das mit einem Punktesystem sowie einer Chancenkarte und der Möglichkeit zur Probebeschäftigung einher geht, soll hier Abhilfe schaffen. Einigkeit unter den Diskutanten bestand insbesondere darin, dass die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse deutlich schneller gehen müsse, dass es nicht zu einer Abkehr von der Leistungsorientierung kommen dürfe und dass neben der demografischen Entwicklung vor allem die Themen Schulbildung mit verstärkter MINT-Ausrichtung sowie insbesondere die berufliche Bildung in den Fokus der Betrachtung zu stellen sind. Auch lähmt hierzulande die Bürokratie viele Prozesse. Fakt ist ebenfalls, dass es sich auch bei der Arbeitsmarktmigration immer um Menschen handelt, die sich in ein gesellschaftliches Gefüge bestehend aus Arbeiten (Belegschaft), Wohnen (Mietparteien) und sozialen Aspekten (Integration in Vereine etc., Angebot an Freizeitmöglichkeiten) einbinden (sollten). Dass letztlich auch und vor allem im Bereich der Hochqualifizierten die Verdienstmöglichkeiten eine wichtige Größe sind, ist ebenfalls eine unbestreitbare Tatsache. Hier und bei der Tarifbindung habe der Freistaat Sachen im Vergleich zu anderen Bundesländern allerdings noch großen Nachholbedarf.
Bei alledem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass heute auch ein gewisser Konkurrenzkampf zwischen Privatwirtschaft und Verwaltung um die besten Köpfe besteht. Die Entwicklung darf aus Sicht des Wirtschaftsrates keinesfalls dahin führen, dass ein sich immer weiter aufblähender Verwaltungsapparat durch Tarifbindung und gute Work-Life-Balance dem Mittelstand die klügsten Köpfe entzieht und dass die Verwaltung nicht durch konsequente Digitalisierung einen Personalschrumpfungsprozess einleitet. Hier liegt ein wichtiger Hebel, dem Fachkräfteproblem zu begegnen, denn mehr Verwaltung schafft mehr Bürokratie, was den marktwirtschaftlichen Motor am Ende abwürgt. Ein ebenfalls notwendiger Schritt wären Unterstützungsmöglichkeiten (z.B. staatlich geförderte Sozialwohnungen mit geringeren Mieten) für die Arbeitsaufnahme in ländlichen Gebieten Sachsens, um ein Ausbluten strukturschwacher Regionen zu verhindern. Denn Kosten für eine Ausbildung, die ca. 10.000€ betragen, können sich KMU in Sachsen weitgehend nicht leisten. Viele sächsische Unternehmen gehen aktuell schon auf die Bedürfnisse von ausländischen Arbeitskräften ein, indem Sie bei der Wohnungssuche unterstützen, eine gewisse Arbeitsplatzsicherheit garantieren, eine geeignete Krankenkasse empfehlen und sogar Arbeits-Mentoren aus den eigenen Reihen zur Unterstützung einsetzen. Das im Mai 2022 gegründete ZEFAS (Zentrum für Fachkräftesicherung und gute Arbeit in Sachsen) soll als kleine Behörde die Koordinierungsstelle rund um das Thema Fachkräfte bilden. Zunächst plant der Freistaat nach Aussage von Staatsminister Dulig Kooperationen mit Ländern, die eine Anwerbung von Fachkräften nicht als unsolidarisch oder als Bedrohung für den eigenen Arbeitsmarkt empfinden. Entsprechend werde sich hier aktuell auf die Anwerbung von Fachkräften aus Vietnam, Ägypten, Brasilien und Zentralasien (Kirgistan) konzentriert.
(Foto: Wirtschaftsrat)
Aus der Diskussion ging insbesondere hervor, dass es durch Fehlallokationen nicht zu einer Migration in die Sozialsysteme kommen darf, dass man zuvorderst an das Arbeitskräftepotential im eigenen Land (u.a. Verhinderung von Fortzug qualifizierter Arbeit ins Ausland) denken sollte, dass es bei der Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften auch darum geht, von Anfang an die Bindungskräfte in der Belegschaft und gleichermaßen in der Gesellschaft zu betrachten und dass es sich bei dem Thema Arbeitskräfte keinesfalls um ein eindimensionales Thema handelt. Wir bedanken uns bei Staatsminister Dulig für seinen Input, bei Nora Miethke für die Moderation, bei Elisa Heinrich und Alfred Hahner für deren Redebeiträge und letztlich bei den Gastgebern vom „Kobers- Chiaveri“ für die Bewirtung.