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Bericht
16.09.2018
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Kaminabend mit Staatsminister Oliver Schenk

Sachsen zählte einst als das wirtschaftlich und gesellschaftlich führende Bundesland in Deutschland. Wieder eine Spitzenposition zu erreichen, ist die identitätsstiftende Vision für viele Sachsen. Sie ist auch die Messlatte, an der sie politische und insbesondere Verwaltungsentscheidungen bewerten.
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Daran knüpft sich die klare Erwartungshaltung, dass sich die Führungspersönlichkeiten in Regierung, Parlament und Verwaltung einem innovativen Gestaltungsanspruch stellen. Gerade die Probleme in der Praxis sind proaktiv und lösungsorientiert in Angriff zu nehmen. Auch bisher Bewährtes ist in Frage zu stellen. Gesetze sind nicht für die Ewigkeit in Stein gemeißelt. Die Sachsen erwarten jetzt unbürokratisches Handeln. Es gibt immer noch viel zu tun, auch wenn schon vieles erreicht worden ist.

Es war uns eine Freude, Oliver Schenk als den amtierenden Chef der Staatskanzlei, in welcher die Fäden für den Ministerpräsidenten sowie für die Fachministerien zusammenlaufen, zu Gast zu haben und mit ihm die Probleme zu diskutieren, die unseren Mitgliedern und Gästen unter den Nägeln brennen. Unser Aufhänger ist, dass Unternehmen hierzulande mit ca. 30% derzeit im weltweiten Vergleich steuerlich mit am höchsten belastet werden, regelmäßig (auf eigene Faust und aufgrund der Fachkräftesituation) Asylsuchende ausbilden, sich sozial und ehrenamtlich engagieren, sich mittlerweile unerträglichen bürokratischen Hürden sowie überbordenden Energiekosten, weiter befördert durch den anstehenden Ausstieg aus der Braunkohle mit geplantem Enddatum 2038, aber keiner definitiven Steuerentlastung gegenüber sehen und als „Dankeschön“ ein negativ besetztes Unternehmerbild gespiegelt bekommen. 

 

Oliver Schenk stellte zunächst heraus, dass derzeit auch in Sachsen Unterschiede in der Entwicklung zwischen Städten und dem Land existieren, die sich sowohl in der Bevölkerungsentwicklung, aber auch in der Wirtschaftskraft ablesen lassen. Hier müssen Konzepte gefunden und umgesetzt werden, die ein Ausbluten des ländlichen Raumes verhindern. Die 900 Mio. €, die der Freistaat für den nun rasch zu vollziehenden flächendeckenden Breitbandausbau unter Koordination der Staatskanzlei sowie unter Federführung der Landkreise bereitstellen möchte, können sicher einen Beitrag dazu leisten. 

Den Megatrends und Herausforderungen, wie demografischer Wandel, Globalisierung, Digitalisierung, Disruption, Strukturwandel, Künstliche Intelligenz, mit Ängsten besetzte Migration und innere Sicherheit gilt es mit geeigneten und speziellen Lösungen zu begegnen. Sachsen, einst vorbildlich in der Reduktion bürokratischer Hürden, hat diesbezüglich nachgelassen und noch viele ungelöste Aufgaben vor sich. Diese hat der Wirtschaftsrat aufgrund einer Mitgliederumfrage dem Minister im Vorfeld anhand konkreter Beispiele zugeleitet und sieht im unbürokratischen Verwaltungshandeln, insbesondere was Planungs- und Genehmigungsprozesse anbelangt, einen entscheidenden Standortvorteil. Berechtigte Selbstkritik übte der Minister neben der Bürokratie vor allem an den Themen Innere Sicherheit (Abbau von Polizeibeamten in den letzten Jahren) und Lehrermangel (Verbeamtung erst seit 2018 möglich).

Momentan ist die wirtschaftliche Lage des Freistaates gut, weshalb es unternehmergetriebene Forderungen schwer haben, Gehör zu finden. Dennoch wünscht sich der Wirtschaftsrat schnellere Ergebnisse in obigen Fragen und beim derzeit von den Medien gezeichneten Bild über Sachsen, insbesondere über Chemnitz. Hier ist ein klares Bekenntnis seitens des Freistaates beim Bund zu den sächsischen industriekulturellen Meriten und Tugenden geboten.

Das Fachkräfteproblem könne durch eine gezielte Reaktivierung von Langzeitarbeitslosen, aber auch durch Erleichterung in der Beschäftigung von Arbeitskräften, perspektivisch aus Weißrussland und der Ukraine zumindest eingedämmt werden. Hierzu muss schnell ein Einwanderungsgesetz erlassen werden, führte der Minister weiter aus. 

Problematisch werde auch der BREXIT, der die EU-Fördermittel, die nach Sachsen fließen weiter reduzieren wird. Leipzig, Dresden und Chemnitz haben mittlerweile die 75%-BIP/Kopf-Grenze des EU-Durchschnittes nach oben durchstoßen, wodurch die EU-Förderung ohnehin weniger werde. Für die nächste Förderperiode rechnet der Minister mit einem Förderbetrag i.H.v. 1-1,5 Mrd. €, was verstärkte Eigenbemühungen seitens der Staatsregierung für gute Lebens- und Investitionsbedingungen zur Folge haben wird.

 

Erfreulich stimmt uns, dass die Staatsregierung mit dem Bundeswirtschaftsminister (erst kürzlich zu Gast bei unserem sächsischen Wirtschaftstag) eine Sprache zum Ausstiegsdatum in der Braunkohle spricht. Hier müssen erst regionalspezifische Konzepte zur alternativen Beschäftigung der Kohlekumpels und zur Infrastruktur erarbeitet werden, bevor feste Ausstiegspläne geschmiedet werden. Schließlich geht es um ca. 20.000 direkt oder indirekt von der Braunkohle abhängige Arbeitsplätze in der Lausitz. Weitere Themen, die wir mit dem Minister diskutieren konnten, waren kulturell bedingte Respektlosigkeiten gegenüber Lehrern, Polizisten, Notärzten und Pflegekräften, aktuelles "Sachsen-Bashing", Rückbesinnung auf die Marktkräfte Ludwig Erhards, insbesondere beim Wohnraum (weniger Staat), Ost-West-Disparitäten, Integrationsbereitschaft von Unternehmern, Verwaltung als Dienstleister für KMU, Beschäftigtenrückgang im öffentlichen Dienst, Grenzöffnung von Ungarn und dessen angemessene Würdigung, Telemedizin und ÖPNV im ländlichen Raum, digitale Verwaltung bis 2023, Migrationskosten und die längst überfällige Unternehmenssteuerreform.

Wir bedanken uns beim Staatsminister für seine interessanten Impulse. Eins sei aber bereits heute versichert: Der Wirtschaftsrat wird dran bleiben und den Fortschritt sowie die Umsetzung der angesprochenen Themen aufmerksam verfolgen.