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Bericht
02.11.2022
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„Perspektiven akademischer und beruflicher Bildung“ mit Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister a.D.

LFK Innovationen, Online

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Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin gilt als einer der renommiertesten Philosophen in unserem Land. In der letzten Zeit hat sich Prof. Julian Nida-Rümelin intensiv mit Bildungsfragen befasst, stieß aber bereits 2013 mit einem Interview in der FAZ die Diskussion über die zunehmende Akademisierung im Bildungssektor Deutschlands an. Wir haben uns überaus gefreut, dass Professor Julian Nida-Rümelin Zeit für uns gefunden und uns in unserer Landesfachkommission für Innovationen Einblick in seine Ansichten zu Perspektiven von akademischer und beruflicher Bildung gegeben hat. Aktuell merken wir es alle: Es fehlen Handwerker und gut ausgebildete Fachleute in nahezu allen Branchen, vor allem im Gesundheitsbereich aber auch in der Industrie aus den MINT-Bereichen, insbesondere in der angewandten Informatik. Ohne beruflich qualifizierte Fachkräfte droht insbesondere dem Mittelstand der Kollaps.

Uns hat interessiert, ob das Credo „Aufstieg durch Bildung“ in Deutschland noch stimmt, ob wir es hierzulande tatsächlich mit einer „Überakademisierung“ (z.B. Anzahl von Studienanfängern und Studienabbrechern) zu tun haben und welche neuen Wege unser Bildungssystem gehen sollte, um Lösungsansätze für das Fachkräfteproblem zu finden.

Seit Jahrzehnten gibt es Unterschiede zwischen dem deutschen und angelsächsischen Bildungssystem. Zum angelsächsischen Bildungssystem gehört traditionell ein sehr hoher Akademisierungsgrad. Die Alternative in den USA für „nicht studieren“ ist in der Regel „learning on the job“. Es existiert dort keine duale Berufsausbildung, wie hierzulande. Das ist schon einmal ein wesentlicher Unterschied zwischen deutschem und angelsächsischem Bildungssystem, führt Prof. Nida-Rümelin aus. Großbritannien hat z.B. eine doppelt bzw. dreifach höhere Jugendarbeitslosigkeit als Deutschland, wo die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit die geringste der Welt ist. Mittlerweile sieht die OECD das duale Ausbildungssystem in Deutschland als wegweisend an.

LV_Sachsen_02.11.2022

Nicht akademische Techniker fehlen aktuell in Deutschland besonders stark. Zwischen 2006 und 2013 hatten wir eine massive Verschiebung vom Ausbildungsbereich in den Hochschulbereich. Seit dem Wintersemester 2013/2014 ist dieser Zustand allerdings weitgehend gestoppt und die Studienanfängerquoten stagnieren auf relativ hohem Niveau. Demografisch bedingt und durch die Verschiebung in den Akademikerbereich bis 2013 hat sich nun das Fachkräfteproblem ergeben, was allerdings vorhersehbar war.

In Deutschland brechen ca. 30 Prozent der Immatrikulierten das Studium wieder ab. Oft geht in Europa zudem eine hohe Akademisierung mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit einher. Deutschland hat einen hohen Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung. Dieses, oft mittelständisch geprägt, benötigt aber auch Fachleute, die zur Wertschöpfung beitragen. Deutschland hat, verglichen mit den USA und Großbritannien, zudem eine hohe „Soziale Mobilität“, d.h. es gilt nach wie vor das Aufstiegsversprechen im Beruf und in der Gesellschaft. Dabei ist die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit aktuell ein technischer Berufsabschluss. Entsprechend sollte die berufliche Bildung gestärkt werden. Das gelingt u.a. durch Information, über Vielfalt der beruflichen Angebote, durch eine Kultur gleicher Anerkennung, durch ein erweitertes Bildungsverständnis an allgemeinbildenden Schulen, durch eine Aufwertung des Handwerks, durch stärkere Förderung der Berufsschulen, durch ein stärkeres Engagement der Unternehmen in der Ausbildung, durch ehrenamtliches Engagement, durch eine faire Entlohnung von nicht-akademischen Berufen und durch elterliche Vernunft. Ein klares Plädoyer für eine Stärkung der dualen Berufsausbildung in Deutschland hat Prof. Nida-Rümelin, untermauert durch Fakten, abschließend noch ausgesendet. Zwei korrespondierende und gleichberechtigte Säulen der Bildung muss es auch künftig in Deutschland geben: die duale Berufsausbildung und die universitäre Ausbildung; dazwischen sollten sich Fachhochschulen, Berufsakademien usw. einsortieren, denn viele Blumen machen eine Wiese schön.

 Eine sehr interessante Diskussion schloss die überaus interessante Veranstaltung ab. Wir danken Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister a.D., für seinen Input und freuen uns, wenn wir uns einmal real in Sachsen im kommenden Jahr treffen können.