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Bericht
06.09.2021
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"Russland: Vom Kalten Krieg in die Eiszeit"

Studien, welche in der Bundeszentrale für politische Bildung zu finden sind, zeigen, dass Russland in der deutschen Bevölkerung nicht länger als Gegner angesehen wird. Viele Bürgerinnen und Bürger wünschen sich mittlerweile eher ein von Freundschaft geprägtes Verhältnis gegenüber Russland.

Eine Veranstaltung mit Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz
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Ein weit verbreitetes, beinahe klassisches, Feindbild aus Zeiten des Kalten Kriegs gibt es so mehr. Und dennoch kommt es vielen so vor, als wäre Russland der Gegenspieler der westlichen Zivilisation. Diese Wahrnehmung kommt nicht von ungefähr. Leitmedien und Politik treten immer seltener in einen konstruktiven Dialog mit Verantwortlichen Russlands und stützen sich weniger auf den Rat von Experten in Sachen Ostpolitik – im aktuellen Wahlkampf fehlen viele wichtige außenpolitischen Themen, vor allem zum Umgang mit Russland. Ferner fehlt es an der Fähigkeit, sich in dem Gegenüber hinein zu versetzen – erst dann kann man verstehen, warum Moskau so handelt, wie es das derzeit tut. Oft wird vergessen, dass Russland einen Verlust von 27 Mio. Menschen im Zweiten Weltkrieg zu verkraften hatte und dass die Sanktionen von 2014 auch (Ost-)Deutschland viele Geschäftsbeziehungen gekostet hat. Es des Öfteren vergessen, dass Russland entscheidend zur Ratifizierung des Atomwaffenabkommens mit dem Iran beigetragen hat. Ein Abkommen aus dem die USA 2018, im Gegensatz zu Russland, ausgetreten sind. Andere Konflikte, bei denen die russische Interessenlage oftmals zu kurz kommt, sind die Konflikte auf der Krim und im Kaukasus, um lediglich zwei der Bekannteren zu nennen. Daher kommt die Frage nach dem „Warum?“ auf. Woher kommt diese anti-russische Haltung vieler EU-Staaten? Und warum beginnen wir erst jetzt wieder, aufeinander zu zugehen? War unsere Beziehung nicht schon einmal besser? Fest steht aber auch, dass die „Demokratisierungspolitik“ des Westens, sei es friedlich oder militärisch, insgesamt mehr Schaden angerichtet, als Nutzen gebracht hat. Ganz Regionen sind dadurch destabilisiert und die Lage der Menschen in den betroffenen Staaten hat sich eher verschlechtert als verbessert.


Frau Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz, eine der wohl bekanntesten sowie auch optisch einprägsamsten Russland-Expertinnen unseres Landes, konnte einiges zu diesen Fragen berichten und uns an ihrem diesbezüglichen Wissensschatz teilhaben lassen. Bekannt ist die Professorin insbesondere durch ihre Tätigkeit für die ARD als Russland-Korrespondentin (1987-1991). Heute ist Sie Mitglied im Petersburger-Dialog und publiziert viele aufschlussreiche Bücher. In ihrem letzten Buch mit dem Titel „Respekt geht anders“, beschreibt sie unter anderem die Veränderung der Streitkultur innerhalb Deutschlands und zeigt, wie es besser gehen kann und sollte. Sie selbst kann man getrost als „Russland-Versteherin“ bezeichnen – uns hat sie auf dem Weg dahin ein großes Stück mitgenommen. Sie führte u.a. aus, weshalb die EU und Russland keine Freunde (mehr) sind und weshalb eine Dämonisierung Russlands bis heute medial getrieben wird. Die aktuell vorherrschende Eiszeit in den europäisch-russischen Beziehungen war ein weiteres Thema des Abends. Das Wort „Eiszeit“ beschreibt treffend den auf Eis liegenden konstruktiven Dialog zwischen Russland und der EU sowie mit Deutschland. Maßnahmen zur Annäherung von beiden Seiten könnten laut Prof. Dr. Krone-Schmalz zum Auftauen (Willy Brandts ostpolitische Ausrichtung „Wandel durch Annäherung“) dieser Eiszeit führen. Umsetzbar wäre dies zum Beispiel dadurch, dass das Raketenabwehrsystem, stationiert in Polen nicht fertiggestellt wird. Aber auch eine gemeinsame Sicherheitskonferenz der Außenminister oder das Hineinversetzten in den Standpunkt des Gegenübers wären dabei gute Ansätze. „Die Position des Gegenspielers auch mal als defensiv verstehen“ und „nicht übereinander, sondern miteinander reden“ könnten Ansätze für ein verbessertes Verhältnis sein. Nur mit konstruktiven, fakten- und kenntnisbasierten Argumenten käme man aus der momentanen Eskalationsspirale heraus. Reine Symbolpolitik hilft da nicht weiter. Für ein besseres eurasisches Verständnis braucht es Entspannung. Denn Gesellschaften entwickeln sich zum Besseren, wenn man sich eingebettet anstatt umzingelt fühlt.


Wir durften Wissenswertes erfahren über die vermeintliche Aufteilung der Welt in „Gut“ (Westen) und „Böse“ (Osten), zur Lage auf der Krim, zu den Ziele von Wladimir Putin in Bezug zu Polen, der Ukraine, des Baltikums und zu Deutschland. Ferner konnten wir uns in die „Verlustlage“ Russlands hinein versetzen und die Ansichten zu „wer bedroht mittels Raketenabwehrsystemen wen?“, zu „wer agiert und wer reagiert hier eigentlich?“, zur Rolle der NATO, zur Macht der Medien, zur Person Alexej Nawalny und vieles mehr erfahren.


Für die fachlichen sowie rhetorisch hervorragend vorgetragenen Ausführungen zum Auftauen der aktuellen „eurasischen Eiszeit“ bedanken wir uns vielmals bei Frau Prof. Dr. Krone-Schmalz. Ferner gilt ihr unser Dank dafür, dass sie sich vielen Fragen aus dem Publikum angenommen und letztlich ihre lesenswerten Bücher signiert hat. Wir hoffen auf einen erneuten Austausch mit der Professorin, denn das Verhältnis zu Russland wird uns noch lange begleiten.