Arbeitgeber-Initiative als Lösungsansatz für eine neue Pendler-Mobilität
Die Ausgangslage ist eindeutig umrissen: Täglich pendeln viele tausend Menschen aus dem direkten Umkreis, aus Kiel und Hamburg in das Mittelzentrum Rendsburg zu ihren Arbeitsplätzen. Das Problem: Bisher gibt es kaum funktionierende Angebote, damit diese Pendler vom Individualverkehr mit ihrem Auto auf andere, umweltschonendere Mobilitätsformen umsteigen können. Die Sektion Rendsburg-Eckernförde des Wirtschaftsrates Schleswig-Holstein hatte deshalb am 28. September die ACO-Academy in Büdelsdorf eingeladen, um mit Experten und Unternehmensvertretern über neue Ansätze für die Pendler-Mobilität zu diskutieren.
Für den Einstieg in das Thema sorgte Dr. Martin Kruse, Fachbereichsleiter Umwelt, Kommunal- und Ordnungswesen des Kreises Rendsburg-Eckernförde. Er gab einen Überblick über die Überlegungen und Ziele, die der Kreis gemeinsam mit benachbarten Regionen, Kommunen der Region und Verkehrsträgern wie der Bahn bei der Ausgestaltung der ÖPNV-Angebote in den nächsten Jahren verfolgt. Kruse: „Wir wollen mit dem Masterplan Mobilität der Kiel-Region die Zahl alleinbesetzter Pkw-Fahrten reduzieren, in dem wir das Angebot aller anderen Mobilitätsformen vom Fahrrad, über Bus bis hin zur Bahn durch bessere Vernetzung und bedarfsorientiertere Angebote attraktiver gestalten. Unser Ziel ist es, so bis 2035 35 Prozent CO2 einzusparen.“
Die Ansätze des Masterplans seien vielfältig und reichten von der „Sprottenflotte“ an Leihfahrädern in Kiel, über On-Demand-Mobilität bis hin zu neuen Mobilitätsstationen. Kruse: „Wir wollen in der Region in den nächsten Jahren 49 solche Stationen bauen, bei denen dann alle Verkehrsträger vernetzt werden.“ Es sei das Ziel, dass jeder – auch bei innerstädtischen Verkehren - genau auf die Mobilitätsform zugreifen könne, die ihn verlässlich an das gewünschte Ziel bringt. Mit 23.000 Einpendlern und 43.000 Auspendlern aus dem Kreis gebe es für diese Ansätze ein großes Potenzial. Kruse: „Die größte Sorge der Menschen ist heute: Ich stehe irgendwo und komme da nicht weg. Hier könnten digitale Lösungen, die die Vernetzung aufzeigen, ein verlässlicher Weg sein.“ Zudem müsste es für die kombinierten Verkehre eine gemeinsame Preisgestaltung geben, die „nicht der Addition der Einzelpreise entspricht“.
Im zweiten Teil ging es um eine innovative Mobilitätsform, die sich durch die Möglichkeiten der Digitalisierung ergeben. Ly-An Tran und Jenny Wittwer (beide Intelligent Apps GmbH, Hamburg) stellten – zugeschaltet per Videokonferenz – das Angebot „Match“ vor. Match ist ein Ride-Sharing-Service von FREE NOW in Hamburg für geteilte Taxifahrten. Per App können dabei Taxen gleichzeitig durch mehrere Fahrgäste mit entsprechender Kostenersparnis gebucht werden. Bei der Präsentation wurde deutlich, dass die neue Technik Perspektiven für Pendler-Lösungen geben könnte, derartige Angebote bisher aber vor allem auf Stoßzeiten mit viel Mobilitätsbedarf und in großen Städten ausgerichtet sind.
Mit den beiden Einstiegsvorträgen war eine gute Grundlage für eine Diskussion gelegt. Bernhard Scheil, Unternehmer aus Rendsburg und Vorsitzender der Initiative Region Rendsburg e.V., brachte es gleich im ersten Statement auf den Punkt. Es gäbe heute viele neue Möglichkeiten, wie moderne, funktionierende und akzeptierte Angebote in der Fläche aussehen könnten, „es muss jetzt aber jemand in die Hand nehmen und sich kümmern, damit die PS auf die Straße kommen“. Sektionssprecher Achim Petersen pflichtet Scheil bei. Ein Weg könnte sein, dass sich die Arbeitgeber der Region zusammentun, um Pendlerverkehre unternehmensübergreifend zu bündeln und so die Zahl der Individualverkehre zu reduzieren.
Wie es mit Blick auf die Mobilität aus ihrer Sicht weitergehen soll, zeigte dann Janet Sönnichsen, derzeit Geschäftsführerin der Kiel Region GmbH und ab 2021 Bürgermeisterin von Rendsburg, auf. „Integrierte Fahrpläne mit einem Tarif- und Buchungssystem über alle Verkehrsträger hinweg wären ein Riesenfortschritt.“ Für Rendsburg sei ein weiterer Akzent die Schaffung eines Leihfahrradsystems ab 2021. Sie machte deutlich, dass die Mobilitätsfrage für sie in neuem Amt ein wesentlicher Standortfaktor sei. Dafür seien weitere Ansätze, wie sie diskutiert wurden, sowie ein Kümmerer erforderlich. „Ich bin gern Motor bei dieser Entwicklung. Wir sehen uns ab Januar in neuer Funktion wieder“, so ihr Schlusswort mit einem Augenzwinkern.