Podium III: Kryptowährungen: Nur ein Luftschloss oder ein großer Innovationssprung?
5. CXO-Event Sylt
Die Blockchain-Technologie hat für ein explodierendes Universum privatwirtschaftlicher digitaler Währungsangebote – zuallererst des bekannten Bitcoin – gesorgt. Was bedeutet die Entwicklung des Computergeldes für das heutige Finanzsystem? Wie reagieren staatliche Währungssysteme auf diese privaten Währungen? Wie können gesetzliche Regelungen aussehen? Eine Expertenrunde schaute auf dem 5. CXO Event Sylt 2021 zum „Wettbewerb digitaler Währungen“ in die Zukunft.
Moderator Sven Wagenknecht, Chefredakteur bei BTC-ECHO GmbH (Berlin), beschrieb zu Beginn die vielfältigen Auswirkungen, die digitale Währungen auf die Wirtschaft und das Leben haben werden. Es gehe darum, die Frage zu betrachten, „inwieweit es sich bei den digitalen Währungen um Innovationen oder Luftschlösser handelt.“ Zahlreiche Währungen und Ausgestaltungsformen würden aktuell verunsichern und polarisieren, weil mittlerweile auch Staaten wie China und Internetkonzerne wie Facebook oder das Konsortium Diem an ihrem eigenen digitalen Geld arbeiteten.
Programmierbarer Einsatz zwischen Maschinen
Alexander Bechtel, Head of Digital Asset & Currency Strategy der Deutschen Bank AG (Frankfurt), sorgte zu Beginn für eine Begriffsklarheit. Eine heutige Lastschrift und ein Dauerauftrag seien programmierte Zahlungen auf Basis eines accountbasierten Kontosystems. „Bei digitalen Währungen handelt es sich hingegen um eine neue Infrastruktur, die viel komplexere Vorgänge miteinander verbindet. Diese Währungen lassen sich in jeder programmierbaren Umgebung auch zwischen Maschinen problemlos einsetzen. Sie können Parameter kombinieren, beispielsweise dass bei einer bestimmen Niederschlagsmenge in einem Ort in Mecklenburg-Vorpommern eine Zahlung ausgelöst wird.“ Anders als heute, könnte in Echtzeit ohne menschliches Zutun ein Geldfluss aktiviert werden. Diese Möglichkeit ist aus Sicht von Dr. Julian Reischle, Leiter des Zentralbereichs Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme der Deutschen Bundesbank (Frankfurt), ein großer Innovationssprung, der viele Veränderungen nach sich ziehen werde.
Die Rolle klassischer Banken wird sich ändern
Die Auswirkungen der Blockchain-Technologie und digitaler Währungen auf das heutige Bankensystem sind bereits absehbar. Bechtel: „Blockchain versucht Finanzintermediäre zu ersetzen und ist damit ein direkter Angriff auf das Geschäftsmodell von Banken und Versicherungen. Ich gehe allerdings fest davon aus, dass Banken und Versicherungen auch in Zukunft noch eine wichtige Rolle spielen werden; allerdings wird sich diese Rolle von der heutigen unterscheiden. Darauf müssen wir uns vorbereiten.“
Umgang mit der Anonymität als Gefahr
Entscheidend für die Zukunft des digitalen Geldes wird nach Ansicht der Experten auch sein, wie diese Währungssysteme organisiert werden und welchen gesetzlichen Regelungen, z.B. mit Blick auf die Transparenz, Geldwäsche oder der Gefahr der Terrorismusfinanzierung, sie unterliegen. Bechtel sprach sich dafür aus, dass Transaktionen bis zu einem Grenzwert – wie auch heute beim Bargeld – bei digitalen Währungen Anonymität behalten sollten, bei höheren Beträgen - wie im heutigen Bankensystem - hingegen Regeln greifen sollten. Auch Reischle betonte, dass die bestehenden Regelungen zum Schutz vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eingehalten werden müssen. Allerdings blieb offen, inwieweit die einzelnen Staaten dezentrale Systeme ohne festen Sitz und Server weltweit entsprechend regulieren können. Internetunternehmer Olaf Birkner gab zu bedenken, dass die Gemeinschaft der Softwareentwickler, die auf der Blockchain entwickeln zehnmal schneller wächst als seinerzeit die Entwicklungsabteilungen von Amazon, Google, Facebook, Apple und Microsoft zusammen. Durch die enorme Marktkapitalisierung von Krypto sie die Kryptoszene dermaßen liquide, dass sie begonnen hat, die besten „Millionen“ Softwareentwickler der Welt zu nie dagewesenen Gehältern zu rekrutieren. „Der Markt befindet sich erkennbar noch in der Embryonalphase und wir tun gut daran, zu erkennen, dass hier gerade etwas Größeres um die Ecke kommt, etwas, dass wir so bisher noch nicht erlebt haben.“
Digitalgeld der Zukunft: Privat oder staatlich?
Während private digitale Währungen bereits seit einigen Jahren auf dem Markt sind und in China digitales Zentralbankgeld getestet wird, ist der Weg dahin in Europa noch weit. So entscheidet der EZB-Rat erst im Sommer, ob das Eurosystem in Sachen digitaler Euro in eine Untersuchungsphase eintreten soll. Nach Einschätzung der Experten werde es dann voraussichtlich noch fünf Jahre dauern, ehe es einen staatlichen digitalen Euro geben werde. Dr. Hermann Sterzinger, Gründer und Vorsitzender des Beirates der AUGENTIC GmbH (München): „Es wird langfristig beide Formen des digitalen Geldes geben. Was den digitalen Euro betrifft, wird es nach einer Untersuchungsphase etwas länger dauern, bis sich die Staaten einigen, denn es ist keine technische, sondern eine politische Frage.“ Er gehe davon aus, dass andere Staaten auf der Welt schneller sein werden.
Zahlungsmittel oder Sparvehikel?
Laut Bechtel würden Kryptowährungen wie Bitcoin – ähnlich wie heute Gold - im Alltag nicht zu einem Zahlungsmittel werden, sondern „eher eine Geldanlage bzw. Sparvehikel sein, um Werte digital zu speichern.“ Einen Vorteil einer staatlichen Digitalwährung gegenüber privaten Angeboten wie Bitcoin sehen Experten in ihrer abgesicherten Wertstabilität. Allerdings werde sich die Frage stellen, welchen Zweck eine digitale Zentralbankwährung erfüllen könne. Bechtel: „Welche Vorteile wird ein digitaler Euro einem Endnutzer bringen, die er heute noch nicht hat?“
Wie weit eine Globalisierung der staatlichen und privaten Währungssysteme gehen wird, blieb offen. Solange es das Währungssystem von heute gibt, würden Bürger ihre Einkommen in der Landeswährung beziehen, Steuern zahlen oder anders wieder ausgeben. Während auf dem Kryptomarkt intelligente Systeme einen entwicklungsstarren Bitcoin jagen, haben die Staaten Regulierungsmöglichkeiten zum Schutz ihrer Geldsysteme.
Zum Abschluss nahm Moderator Wagenknecht die Teilnehmer mit in das Jahr 2031 und wollte wissen, wie die Getränkerechnung in einer Strandbar auf Sylt beglichen werde. Die übereinstimmende Antwort der Experten: Möglichst einfach, technisch nicht viel anders als heute mit Uhr oder App - und nicht mit Bitcoins.