Aus den Ländern (Schleswig-Holstein) - Junger Wirtschaftsrat diskutiert über Entwicklungspolitik
Warum ist die deutsche Entwicklungshilfe in den letzten Jahrzehnten so erfolglos und wie können Deutschland und die Europäische Union ihre Werte durch erfolgreiche außenwirtschaftlichen Beziehungen besser im Wettbewerb mit China behaupten? Diese beiden Fragen standen im Zentrum einer Veranstaltung des Jungen Wirtschaftsrates Schleswig-Holstein mit dem Europaabgeordneten Niklas Herbst, der als stellvertretender Vorsitzender im Haushaltsausschuss des Europäischen Parlamentes auch über die Budgets für die Zusammenarbeit mit Drittländern befindet. Für den Zeitraum 2021 bis 2027 sind 79,5 Milliarden Euro dafür bereitgestellt worden.
Die deutsche Entwicklungshilfepolitik der letzten Jahrzehnte ist im Ergebnis allerdings ein enormes Desaster, weshalb man dringend eine Paradigmenwechsel brauche. Beispielsweise habe die Bundesrepublik eine Milliarde Euro für die Entwicklung Kameruns spendiert, ohne erkennbar positive Wirkungen, so die Eindrücke der Unternehmer aus dem Jungen Wirtschaftsrat. Aktuell seien aus Deutschland in 54 afrikanischen Staaten etwa 1000 Unternehmen vertreten. Das seien vor allem die großen Player. Als Vergleich: Allein in Rumänien sind 8000 deutsche Unternehmen engagiert.
Auch Niclas Herbst sieht die aktuelle Entwicklungspolitik stark reformbedürftig. Man müsse weg vom moralisierenden Idealismus - beispielsweise durch Vermittlung von Demokratie- und Gendergedanken – und hin zu Projekten, die nachhaltig dort Wertschöpfung schaffen.
Hidden Campion aus Bad Bramstedt
Vor der Diskussion über die Außenhandels- und Entwicklungspolitik gab es einen Rundgang durch den Betrieb. Die Firma Müggenburg ist eines von sieben führenden Unternehmen, die weltweit Gewürze handeln. Der geschäftsführende Gesellschafter in vierter Generation, Jan Müggenburg, erklärte – garniert mit vielen amüsanten Erzählungen von Reisen zu Kunden und Lieferanten in aller Welt – das Erfolgsrezept des Familienbetriebes: „Seit über 80 Jahren haben wir Partner in über 60 Ländern. Wir bieten der Industrie 1.900 Produkte für eine sofortige Lieferung an, selbst wenn die aktuelle Ernte einmal verhagelt ist.“ Dafür müsse man große Lagerbestände vorhalten, so Müggenburg, der schon als kleiner Junge mit seinem Vater auf weltweiten Reisen zu Partner unterwegs war.
Beschaffungskonzepte im Einklang mit der Natur
„Einer unserer Marktvorteile ist, dass wir nahezu in jeder Ecke der Welt Partner haben, die schon mit meinem Urgroßvater zusammengearbeitet haben und wir freundschaftlich verbunden sind.“ Jan Müggenburg machte deutlich, dass die Beschaffungskonzepte im Einklang mit der Natur stehen: „Da nicht alle Pflanzen kultivierbar sind, sind auch Wildsammlungen bedeutsam, natürlich bei strikter Wahrung der Artenschutzabkommen.“ Auch deshalb setze man auf Länder mit traditionell kompetenten Sammlerfamilien.
Dabei habe der Preis im Markt zunehmend an Bedeutung verloren. Neben sofortiger Lieferfähigkeit und gesicherter Qualitäten, gewinne die Fähigkeit zur dokumentierten Abwicklung an Bedeutung.
Das neue deutsche Lieferkettengesetz treffe das Unternehmen allerdings kaum, weil man nicht von Zwischenhändlern kaufe. Dennoch sei bei der Verurteilung von sogenannter Kinderarbeit eine differenzierte Betrachtung empfehlenswert, denn auch in Deutschland würden Kinder frühzeitig auf den elterlichen Betrieben in der Landwirtschaft mit aushelfen. Neben dem Familieneinkommen gehe es auch um Know-how-Transfer in die nächste Generation.
Herbst: Es gibt keine Strategie
Niclas Herbst, der für die Europäische Union auch für die Abkommen mit den AKP-Staaten (Afrika, Karibik und pazifische Staaten) verhandelt hat, berichtet von fordernden Erwartungen in Drittstaaten. Das passe nicht immer gut zur Entwicklungspolitik der EU, die häufig mehr durch Idealismus statt durch Realismus geprägt sei. „Es gibt aus meiner Sicht nicht wirklich eine Strategie, sondern viel Gießkannenprinzip durch die einzelnen EU-Länder. Wir brauchen die Einsicht, dass wir mit nationalem Handeln nicht weiterkommen. Die Chinesen agieren deutlich erfolgreicher, obgleich sie ihren eigenen Nutzen in den Vordergrund stellen - auch wenn dies durch die Einheimischen zunehmend kritisch gesehen wird.“
Qualifizierung in Europa
Aus Sicht der Mitglieder des Jungen Wirtschaftsrates müsse das Ziel der Politik sein, Bildung zu ermöglichen. Junge Menschen sollten in der EU so qualifiziert werden, dass sie in ihren Herkunftsländern Unternehmensprojekte ohne Korruption auf den Weg bringen können, die vor Ort einen wirtschaftlichen Nutzen bringen und deshalb nachhaltig wirken sowie selbstständig wachsen können.
Kritisch diskutiert wurde die EU-Handelspolitik, welche Zollfreiheit nur bei einem Import von Rohstoffen gewähre, wodurch Verarbeitung und Verpackung in Europa vor Wettbewerb geschützt seien. Das stehe im direkten Widerspruch zu Projektzielen der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ).