Carstens: „Wir müssen mehr Schnelligkeit in unser Land bringen“
GLÜCKSTADT Was bringen die nächsten Jahre für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein? Das war das Thema des Besuches von Julia Carstens, Staatsekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus in Kiel, beim Jungen Wirtschaftsrat Schleswig-Holstein. Treffpunkt für den Austausch mit anschließender Ausfahrt mit der Rigmor auf der Elbe war die Plotz Spezialitäten GmbH in Glückstadt, die seit einem Vierteljahrhundert mit Matjes, Heringsmarinaden und dem Vertrieb von Lachsprodukten erfolgreich ist.
Bevor die Staatssekretärin, die seit Juni über die Ziele der
schwarz-grünen Koalition für die nächsten gut vier Jahre sprach, stellten
Burkhard Mertsch und Kerrin Callsen, beide Geschäftsführer der Plotz
Spezialitäten GmbH, unter der Überschrift „Vom Glücksstädter Matjes hin zum ausgezeichneten
Traditionsbetrieb“ ihre Firma vor. Beide machten deutlich, dass wesentlicher Bestandteil
des Erfolgskonzeptes sei, als Manufaktur- und nicht als Industriebetrieb zu
agieren. Mertsch: „Wir machen einen echten Matjes nicht Heringsfilet nach
Matjes Art.“ Hintergrund ist, dass der Matjes in Glückstadt nach alter
Tradition mit körpereigenen Enzymen reift und nicht industriell bearbeitet
wird.
Preissteigerung reduziert Verkaufsmenge
Seit 25 Jahren ist das Unternehmen, das in einer Garage angefangen hat, mit diesem Qualitätsanspruch erfolgreich. 30 Beschäftigte würden pro Jahr etwa 60 Tonnen Hering verarbeiten. Callsen: „Wir liefern deutschlandweit das gesamte Jahr. Die Qualität kommt gut an und wir stellen fest, dass unsere Kunden immer jünger werden.“ Offenbar habe der Matjes nicht mehr nur das Image eines „Alte-Leute-Essen“. Es sei eine Herausforderung, das Produkt zum Preis von 6 Euro in Zeiten, in denen die Menschen verstärkt auf die Kosten achten, am Markt zu halten. Über den Online-Shop www.lachs.de – das zweite Produkt, das vermarktet werde – laufe der Verkauf zunehmend besser.
Die Herausforderung ist für Plotz die Preisentwicklung. Mertsch: „2021 mussten wir unseren Preis um zehn Prozent erhöhen. Der Umsatz bleibt dann seit 10 Jahren zwar gleich, aber die Menge reduziert sich entsprechend.“ Wie sich die Energiekostensteigerungen auf den Preis in den kommenden Monaten auswirken, sei noch nicht klar. „Wir haben durch die Kühlhäuser einen hohen Energieverbrauch, weil wir uns in vier Wochen des Jahres mit dem ersten Hering des Jahres bevorraten, um das gesamte Jahr liefern zu können.“ Er bleibe optimistisch, da wir „klein und kerngesund sind und mit dem Team bisher alle Aufgabe gemeistert haben.“
Fünf Schwerpunkte der Arbeit
Staatsekretärin Julia Carstens nahm den Ball von Mertsch und Callsen auf. „Eines meiner Lieblingsessen ist Matjes mit Bratkartoffeln“, so Cartens, bevor sie auf die Ziele der Wirtschaftspolitik der neuen Landesregierung einging. Sie stellte heraus, dass die aktuelle Krise durch den Ukraine-Krieg sowie Folgen der Corona-Pandemie für alle eine große Herausforderung sei und man hoffe, zusammen mit der Bundesregierung gute Lösungen zu entwickeln. In ihren Darstellungen konzentrierte sich Carstens auf fünf Punkte:
Mittelstandspolitik: „Unser Ziel ist es, das mittelstandsfreudigste Bundesland Deutschlands zu werden“, kündigte Carstens an. Deshalb lege man viel Wert auf einen kontinuierlichen Austausch mit Unternehmen – unter anderem über einen Mittelstandsbeirat, der viermal im Jahr zu aktuellen Fragen zusammenkomme. Anspruch des Ministeriums sei es, beim Bürokratieabbau voran zu kommen und durch Vorgaben und Gesetzen kritisch zu prüfen, um beispielweise Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. „Wir müssen mehr Schnelligkeit in unser Land bringen“, so die Christdemokratin.
Unternehmensgründungen und -nachfolge: Bei den
Start-Ups sei das Land ziemlich gut aufgestellt, so Carstens. Ziel müsse es
sein, bei der Frage der Unternehmensnachfolgen besser zu werden. Dass zu viele
kleine Firmen geschlossen werden müssten, könne niemanden zufriedenstellen.
„Hier ist in den kommenden Jahren viel zu tun. Wir müssen mehr über die Chancen
und Fördermöglichkeiten sprechen, die sich für Nachfolger ergeben“.
Fachkräfte: Ausreichend Fachkräfte, aber auch Mitarbeitenden zu finden, sei
eine der Herausforderungen der kommenden Jahre. „Wir müssen durch mehr
Möglichkeiten für die Einbindung von Frauen, Einwanderern und Flüchtlingen neue
Potenziale heben.“ Ziel müsse es sein, dass auch die im Land an den Hochschulen
ausgebildeten Fachleute „bei uns bleiben.“
Digitalisierung: Schleswig-Holstein werde als erstes Bundesland bis 2025 flächendeckend gut mit schnellen Internet-Anbindungen aufgestellt sein. „Unser Ziel muss es sein, dass wir mit der Fortsetzung bestehender Förderkulissen auch den kleinen Unternehmen ermöglichen, sich zu digitalisieren.“ Der Einsatz der Künstlichen Intelligenz könnte dabei ein Schwerpunkt werden. Zudem müsse es gelingen, die gemeinsam mit der Wirtschaft im Lande die Gefahr von Cyberangriffe zu reduzieren. Hier werde das Ministerium neue Akzente setzen, kündigte Carstens an.
Infrastruktur: Das Sanierungsprogramm für die Straßen werde fortgesetzt und zudem auch im Bereich des ÖPNV mehr gemacht, versprach die Staatssekretärin. Aus ihrer Sicht sei es wichtig, dass „bei der A 20 endlich Tempo reinkommt und wir die Potenziale, die sich durch die Fehmarnbelt-Querung ergeben, optimal nutzen.“
In einer sich anschließenden Diskussion machten die Mitglieder des Jungen Wirtschaftsrates deutlich, dass es darum gehen muss, zügiger zu entscheiden und mehr das Ohr an den Unternehmen zu haben. Die Vielzahl der Verordnungen und Gesetze würden das unternehmerische Handeln immer mehr erschweren. Jede Erleichterung und damit Fokussierung auf das Kerngeschäft bringe angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen, die sich durch Krieg und Pandemie ergeben hätten, Vorteile. Um hier die richtigen Akzente zu setzen, soll der Dialog in regelmäßigen Abständen fortgesetzt werden.