„Die deutsche Werftenlandschaft ist ein Flickenteppich“
Die Werft GERMAN NAVAL YARDS in Kiel gehört zu den renommiertesten Werften Deutschlands. Mit einer 185-jährigen Tradition im Schiffbau und spezialisiert auf militärische und zivile Großprojekte hat sie sich als Expertin für den Bau großer, komplexer Schiffe (mit Ausnahme von U-Booten) etabliert. 20 Mitglieder der Sektion Kiel nutzten die Gelegenheit, bei einem Rundgang mit anschließender Diskussion zu erfahren, wie sich die „Zeitenwende“ auf den militärischen Bereich des Unternehmens ausgewirkt hat.
Das Unternehmen ist Teil der europäischen Schiffbaugruppe CMN Naval mit Hauptsitz in Frankreich. Das Werftgelände ist ungefähr 250.000 Quadratmeter groß, davon nimmt allein das große Trockendock 37.488 Quadratmeter ein. „Um das zu veranschaulichen: In dieses Dock würden vier Einsatzgruppenversorger der BERLIN-Klasse passen (wenngleich die Deutsche Marine „lediglich“ mit drei solcher 174 m langen Schiffe operiert) hintereinander oder das gesamte deutsche Reichstagsgebäude“, erklärte Mark Siever, Director Corporate Affairs & Business Development.
In Blöcken gefertigt
Die Besichtigung des Geländes startete „am wichtigsten Gebäude“, so Siever: In früheren Zeiten war hier die Werftfeuerwehr angesiedelt. Heute befindet sich hier die Kantine. Der weitere Rundgang verlief chronologisch entlang des Schiffbaus. Besonders beeindruckend war die Besichtigung der Halle, in der die sogenannten Großblöcke hergestellt werden. Diese Blöcke sind jene Sektionen eines Schiffes, die separat gefertigt und später zu einem kompletten Schiff zusammengefügt werden. Diese Bauweise hat den Vorteil eines effizienteren und wirtschaftlicheren Fertigungsprozesses: „Je größer die Blöcke, desto besser und sicherer ist die Qualität“, fügte Mark Siever hinzu.
Der CEO des Unternehmens, Rino Brugge, nannte weitere Vorteile des Blockbaus: „Es werden viele Arbeitsschritte aus der Dockphase in die Schiffbauhallen verlagert; dies hat aufgrund der deutschen Wetterbedingungen nicht nur Vorteile für die Mitarbeiter und den Bauprozess, sondern trägt auch zum Umweltschutz bei.“ Das Unternehmen fertige übrigens nicht nur neue Schiffe, sondern kümmere sich auch um die Instandsetzung älterer Modelle. Hierfür sei es neben den technischen Erneuerungen auch notwendig, die Besatzung des Schiffes „instand zu setzen und zu trainieren“, so Brugge.
Innovationsprojekte
Ein weiteres Highlight der Besichtigung war das innovative Projekt eines Wellenkraftwerks, das in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Kiel und den Auszubildenden der Werft entwickelt wurde. Das Wellenkraftwerk könne auch für die Produktion von grünem Wasserstoff verwendet werden, entsprechende Gespräche finden bereits statt. Dieses Projekt zeige, dass die Ausbildung in der Werft nicht nur auf den traditionellen Schiffbau fokussiert sei, sondern auch auf zukunftsweisende, umweltfreundliche Technologien. Die Integration von Wissenschaft und Praxis sei ein Beispiel dafür, wie GERMAN NAVAL YARDS seine Mitarbeiter für die Herausforderungen der Zukunft rüste.
Wunsch nach Umstrukturierung
Doch die aktuelle Realität der deutschen Werftenlandschaft sei nicht ohne Schwierigkeiten. Rino Brugge schilderte die Lage der Branche als einen „Flickenteppich“. Seiner Ansicht nach gibt es in Deutschland zu viele (kleine) Werften, die auf dem sehr begrenzten heimischen Markt miteinander konkurrieren, anstatt gemeinsam zu agieren, um ihre Effizienz zu steigern und auch international wettbewerbsfähig zu werden. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müsse es eine Umstrukturierung geben. Brugge schlug vor, die kleineren Werften unter wenigen Dachwerften zu vereinen. Kleine und spezialisierte Werften könnten in einem solchen System eine wichtigere Rolle spielen. Doch wie diese Veränderungen genau umzusetzen seien, bleibe eine politische Frage, die noch geklärt werden müsse. Brugge mahnte zur Eile, denn: „Werft-Knowhow, das einmal aus dem Land verschwunden ist, kommt nicht wieder zurück.“