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Bericht
01.11.2018
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Die große Wachstumsbremse

Unter dem Titel „Arbeitslosenquote 7,3 Prozent in Lübeck – Warum findet man trotzdem niemanden mehr für eine Beschäftigung?“ hatte die Sektion Lübeck Markus Dusch als Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Lübeck eingeladen. Der berichtete von einem Fachkräftemangel, der sich in den nächsten Jahren kontinuierlich verschärfen werde. Schleswig-Holstein wird in den nächsten Jahren mit einer sich immer weiter öffnenden Nachwuchslücke konfrontiert, die im Maximum auf 120.000 Beschäftigte anwächst.
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Seine Prognose beruhe allein auf den altersbedingt ausscheidenden Arbeitskräften und den nachwachsenden und berücksichtige noch keine wirtschaftliche Entwicklung. Dabei stünden die Signale nicht nur beim Wohnungs- und Straßenbau auf Wachstum. Deutlich verschärfend
wirke sich der wachsende Anteil von Abiturienten aus, der durch den Ausbau der Gemein-schaftsschulen in Schleswig-Holstein weiter befeuert werde. Der Mangel an Handwerkern werde sich noch dramatisch zuspitzen. Heinz von Kempen kritisiert die mangelnde Wertschätzung praktischer Berufe in Politik und Gesellschaft.

Dusch verweist darauf, daß die Zahl der sozialversicherten Beschäftigten in der Region Lübeck seit dem Jahr 2005 kontinuierlich zugenommen habe. Die Arbeitslosenquote habe sich im Zuge dessen halbiert und liege auf dem niedrigsten Niveau seit 38 Jahren. Dadurch habe sich der Arbeitsmarkt komplett gedreht. Die Unternehmen buhlen um den immer knapper sprießenden Nachwuchs, angetrieben durch eine wachsende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage, die nur anders geschlossen werden kann. „Wir bekommen immer wenige Arbeitslose zu Gesicht, Wechsel würden zunehmend direkt zwischen den Arbeitgebern stattfinden. Das ist für die Aussagekraft unserer Statistik zunehmend ein Problem.“, so Dusch.

Jeder zehnte Beschäftigte sei geringqualifiziert. Für diese biete das Programm „Wegebau“ berufliche Qualifizierung. Wichtig für eine breiter angelegte Qualifizierung von Arbeitnehmern sei eine Erstattung von 75 Prozent des Gehalts, auf das aufgrund einer Weiterbildung verzichtet wird. Bezogen auf ausländische Arbeitskräfte merkt Dusch kritisch an, daß zum Beispiel polnische Lastkraftfahrer vermehrt in ihre Heimat zurückkehren, um dort zu arbeiten. Die dortigen Angebote seien offenbar attraktiver geworden als das Leben als internationale Lastkraftfahrer. Die Entwicklung sei nicht typisch für Lübeck, sondern vielmehr beispielhaft für Nordeuropa, allerdings sei Lübeck als Hafenstandort besonders betroffen. Ohne Logistik keine Versorgung. Die sich ab zeichnenden Folgen seien deshalb ernst.

In der anschließenden Diskussion schildert eine Reihe von Unternehmern, wie sehr fehlende Arbeitskräfte schon jetzt ihre Wachstumschancen oder sogar den Geschäftsbetrieb einschränken. Andere Stimmen wiesen darauf hin, daß unter den Stichworten künstliche Intelligenz und erweiterte Realitäten neue Technologien im Anmarsch seien, die den Einsatz geringqualifizierter Kräfte für hochqualifizierte Aufgaben ermöglichen werden. Auf diese Veränderungen von Ausbildungen und Berufsbildern sollte sich auch die Arbeitsagentur frühzeitig einstellen. / Dr. Bertram Zitscher