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Bericht
06.02.2018
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Drei Faktoren sollen für Tempo sorgen: Wille, viel Geld und klare Strukturen

Das Interesse war mit etwa 80 Gästen groß – die Notwendigkeit, über Ansätze und Wege für eine Beschleunigung des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur im Land lebhaft zu diskutieren, hingegen überschaubar. Bei der von der Sektion Neumünster veranstalteten Podiumsdiskussion waren sich Manuela Herbort (Deutsche Bahn), Landesminister Dr. Bernd Buchholz (Wirtschaft, Arbeit, Verkehr), Olaf Demuth (Vorstand Bauindustrieverband Schleswig-Holstein / Hamburg) und Norbert Brackmann MdB (CDU) weitgehend einig, was in den kommenden Jahren zu tun ist, damit es schneller mit dem Ausbau der Infrastruktur in Schleswig-Holstein vorangehen kann.
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Moderator Hans-Werner Blöcker, Ehrenvorsitzender des Wirtschaftsrates Schleswig-Holstein, nutzte die Einstiegsimpulse von Minister Dr. Bernd Buchholz, der sowohl den Zustand der Straßen und der Schienenwege bemängelte (Bericht auf Seite 48). Manuela Herbort, Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn AG aus Hamburg, konfrontierte er mit der Frage, wieviel Geld erforderlich sei, um die bestehenden Kapazitätsdefizite und den Investitionsstau aufzufangen. Herbort konterte damit, daß in Schleswig-Holstein von 2015 bis 2019 eine halbe Milliarde Euro in die Bahninfrastruktur investiert werde. Aktuell verhandele man mit dem Bund für die Zeit bis 2024. „Dabei ist neben dem Fehmarnbelt aus meiner Sicht der Ausbau der S4 von Hamburg nach Bad Oldesloe extrem wichtig“.

 

Zweites wichtiges Projekt sei die Elektrifizierung der Strecke Lübeck-Schwerin, damit der Güterverkehr über den Fehmarnbelt nicht nur über Hamburg, sondern über eine Bypass-Lösung durch den Osten in den Süden geführt werden könne. Später sagte sie: „Großprojekte dürfen nicht mehr 10 bis 15 Jahre dauern. Dafür brauchen wir bessere rechtliche und strukturelle Bedingungen.“

 

Norbert Brackmann MdB reicherte die Thematik um grundsätzliche Aspekte aus Bundessicht an. „Wir haben erstmals festgelegt, dass es bei den Fördergeldern keine Überjährigkeit mehr gibt. Es kann künftig kein Geld mehr wegfallen, weil Planungen zu lange dauern. Außerdem wird das Geld aus dem Bundeshaushalt in einen Fonds überführt.“ Damit sei eine Nachhaltigkeit gewährleistet. Zudem soll ab 2021 der Autobahnbau nicht mehr in die Hoheit der Länder fallen. In den kommenden Jahren werde Schleswig-Holstein bei der Infrastruktur überproportional profitieren. „Wir bekommen sechs Milliarden Euro bis 2030. Das sind 1,5 Milliarden Euro mehr als zu erwarten war“. Auch der Ausbau der Bundeswasserstraßen erfolge überproportional. Allein 2,5 Milliarden Euro koste die Ertüchtigung des Nord-Ostsee-Kanals. Einen Seitenhieb verteilte er in Richtung der Schwesterpartei CSU, die die Pkw-Maut durchgesetzt habe. Diese „Stammtisch-Maut aus Bayern“ habe nicht lange Bestand, da es ab 2026 in der EU eine entfernungsabhängige Maut geben soll.

Für einen ganz anderen Blick auf die Gesamtsituation sorgte Olaf Demuth, Vorstands-vorsitzender des Bauindustrieverbandes Schleswig-Holstein/Hamburg. Er machte deutlich, dass sich die Strukturen in der Industrie verändert haben. Viele Firmen seien verschwunden. „Bisher war es nie so, daß es so wie aktuell in der Wirtschaft, im öffentlichen Bausektor und im Wohnungsbau boomt. Die aktuellen Kapazitäten sind ausgelastet und nicht steigerungs-fähig“. Es sei gut, daß die Politik beabsichtigt, künftig mehr Planungssicherheit zu schaffen. „Das wird Investitionen in der Bauindustrie freisetzen.“ Sinnvoll wäre es zudem, wenn bei allen Planungen gleich die Rohstoffproduzenten eingebunden werden. „Wir müssen da neue Wege bei größeren Projekten gehen.“ Mit Blick auf die Großvorhaben Flughafen BER und Elbphil-harmonie schrieb Politik und Verwaltung ins Stammbuch: „Wir brauchen pragmatisches Handeln und müssen bei großen Projekten anders agieren. Für die Verzögerungen sind nicht die Handwerker verantwortlich, sondern die Politik.“

Und wie reagierte Minister Buchholz auf die Darstellungen? Er unterstrich seine Grundhaltung. „Wichtig ist: Wir haben den Willen und die Kohle, voranzukommen.“ Es sei nun erforderlich, daß rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen und daß heutige, oft noch vorherrschende Zuständigkeitsgerangel beseitigt werden. „Und dann sollten sich die Ministerien in Berlin auch einmal fragen, ob es richtig ist, beispielsweise viele Ressourcen mit dem Maut-Unsinn zu verbrauchen.“ Brackmann gab er mit auf den Weg, sich für den Ausbau der S 21 einzusetzen. So waren sich dann auch alle Podiumsteilnehmer in der Schlußrunde einig. Es sei immer gut, sich auszutauschen – und so die Chancen für Schleswig-Holstein zu nutzen. „Wenn in Bayern die Verkehrswege so wären, wie in Schleswig-Holstein, dann hätte es – egal von welcher politischen Farbe – lange einen Volksaufstand gegeben.“

 

Nicht nur die Situation mit dem Elbtunnel, sondern die gesamte Umfahrung sei unterirdisch, so der Minister. Das gelte vor allem auch für die Wirtschaft. Neben der Straße gebe ihm auch der Zustand der Schienenwege zu denken. „Wir sind da nicht gut gesegnet. Nur 30 Prozent der Strecken sind elektrifiziert. Mir fehlt beispielsweise der Gleisanschluß der AKN zum Flughafen und die Marschbahn sowie die Strecke von Elmshorn nach Hamburg sind nicht ausreichend ausgebaut.“ Aus seiner Sicht gebe es berechtige Hoffnungen, daß es in den kommenden Jahren deutlich besser wird. „Es ist noch gar nicht so lange her, daß neben dem Geld auch der politische Wille fehlte und teilweise sogar gefordert wurde, Straßen zurückzubauen.“ In der Jamaika-Koalition gebe es nun Konsens, daß in den kommenden Jahren viel Geld in die Hand genommen wird. „Wir sind da dran. Die Infrastruktur hat bei der jetzigen Regierung Priorität. Wir stellen in den kommenden fünf Jahren verbindlich 90 Millionen Euro für die Landstraßen bereit“.

Es gelte aber eine Strategie aufzusetzen, bei der die Prioritäten klar festgelegt sind. Er kündigte an, die Ausbauprojekte der Landesstraßen zu priorisieren, wie es der Wirtschaftsrat 2015 mit den norddeutschen Projekten der Ahrensburger Liste vorgemacht hatte. Die Flaschenhälse seien nun neben vollen Auftragsbüchern („Es ist ja fast so, als wenn das Land mit Aufträgen droht“) die fehlenden Planungskapazitäten. „Der neue Studiengang in Kiel wird uns kurzfristig nicht helfen. „Wenn uns Kapazitäten fehlen, müssen wir sie da einkaufen, wo sie vorhanden sind.“ Er sehe es auch deshalb für absolut sinnvoll an, daß die DEGES die Realisierung der A 20 vollständig in die Hand nehme. „Die haben bewiesen, daß sie es können.“ Neben den pragmatischen Ansätzen seien auch rechtliche und organisatorische Veränderungen erfor-derlich. „Wir müssen die Abläufe und Zuständigkeiten in den Planungsbehörden neu aufstellen“, so Buchholz. Noch viel zentraler sei jedoch, daß in Berlin das Planungsrecht neu geregelt wird. „Wenn das nicht passiert, wird kein Großprojekt mehr in angemessenem Zeitrahmen umgesetzt werden. Wir brauchen ein eingeschränkteres Klagerecht.“ / Holger Hartwig