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Bericht
10.09.2024
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„Gefühl des Kontrollverlusts“

Mittagsgespräch der Sektion Kiel mit Wirtschaftsminister a.D. Dr. Bernd Buchholz MdL
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Die Politik, nicht nur in Schleswig-Holstein, steht vor enormen Herausforderungen, was exemplarisch durch die andauernde Migrationsdebatte und die Überlastung der Verwaltung deutlich wird. Seit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 sorgt das Thema für große Spannungen innerhalb der Gesellschaft. Der ehemalige Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz relativierte in diesem Zusammenhang allerdings die Verantwortung der Ampelregierung: „In Wahrheit muss die aktuelle Bundesregierung die Fehler ausbaden, die seit 2015 gemacht wurden“. Die Reaktionen nach dem Messerangriff von Solingen verdeutlichten die Unruhe in der Bevölkerung. Landtagsmitglied Buchholz betonte dabei die „völlige Überlastung der Ausländerbehörden“. Dadurch werde nicht nur die Integration von wirklich Schutzsuchenden erschwert, sondern auch die Rückführung abgelehnter Asylbewerber verlangsamt.

Ein wachsendes Problem sei zudem die Verflechtung der Migrationspolitik mit der allgemeinen Bürokratie: Zahlreiche Vorgänge seien durch viele intransparente und international nicht angeglichene Vorgänge stark behindert. Dieses Phänomen führe zu einer zunehmenden Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung, die schnelle und effektive Lösungen erwarte. Buchholz sieht eine Bündelung und Zentralisierung der Rückweisungseinrichtungen als eine Lösung des Problems. Dieser Vorschlag werde aber zu seinem Bedauern von der aktuellen Landesregierung abgelehnt.

Fehlende Leistungsbereitschaft

Mit Blick auf die allgemeine Wirtschaftslage im Land wurde der FDP-Politiker grundsätzlich. Die allgemeine Wochenarbeitszeit in Deutschland betrage zurzeit 34,7 Stunden, während in Griechenland zurzeit 41 Stunden pro Woche gearbeitet werde. Das sei schon paradox, so Buchholz: Waren es nicht gerade Nationen wie Deutschland, die Griechenland während der Finanzkrise belehrend zugerufen hatten, mehr zu arbeiten? Jetzt sei es an Deutschland, „die Ärmel hochzukrempeln“.  Dabei solle sich der Staat wieder auf seine drei Kernkompetenzen besinnen: Innere Sicherheit, Ausbau der Infrastruktur und Bereitstellung von Bildung. Im Gegenzug solle die Regierung der Sozialen Marktwirtschaft mehr Platz verschaffen und Mehrheiten für eine stabile Politikausrichtung finden. Die Regierungsbildung gestalte sich jedoch angesichts der zunehmenden Zersplitterung des Parteiensystems schwierig.

Insgesamt müsse die Politik darauf achten, dass sie überhaupt noch ernst genommen werde, so Buchholz. Er begründete dies wie folgt: „Niemand nimmt etwas ernst, wenn es erst vor dem Hintergrund von Wahlergebnissen möglich ist, obwohl es vorher stets als unmöglich bezeichnet wurde“. Die aktuelle Regierung müsse jetzt eine positive Stimmung schaffen, bei der „die Performance und das Marketing“ stimme.

Die Soziale Marktwirtschaft, die auf einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Markt und staatlichen Eingriffen beruht, drohe zunehmend in den Hintergrund zu geraten. Stattdessen dominiere bei einem großen Teil der Gesellschaft ein Gefühl des Kontrollverlusts. Dieses Gefühl bereite den Nährboden für radikalere politische Strömungen. Der Wunsch nach Handlungen wachse ständig weiter, bevor am Ende das Vertrauen in die demokratischen Institutionen weiter schwinde, warnte Bernd Buchholz.

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