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Pressemitteilung 24.03.2018
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Grußwort des Wirtschaftsrates

Sehr geehrte Mitglieder des Philologenverbandes,<br />die Landesfachkommission &bdquo;Bildung und Wirtschaft&ldquo; des Wirtschaftsrates der CDU e.V. begleitet aus Sicht der Wirtschaft die Entwicklung des Bildungswesens in Schleswig-Holstein. Expertinnen und Experten erarbeiten Positionen und beraten Akteure aus Politik und Gesellschaft mit dem Ziel, unseren Kindern und Jugendlichen durch eine erfolgreiche Bildungsbiografie möglichst gute Startbedingungen für ihr Leben zu ermöglichen.<br /><br />

Sehr gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, in Form dieses Grußwortes, einige Aspekte von Bildung in Schleswig-Holstein zu kommentieren. Ich gehe insbesondere auf das notwendige Leistungsprinzip von Schule, den Führungsanspruch an die Lehrkraft und die Digitalisierung ein.


Sehr erfreulich ist aus Sicht des Wirtschaftsrates, dass sich die neue Landesregierung zum Leistungsprinzip in der Schule bekennt. Es ist richtig, dass Gymnasium und Gemeinschaftsschulen zwei unterschiedliche Säulen der schulischen Bildung sind und als solche auch wahrgenommen werden müssen. Das Profil der Gymnasien muss geschärft werden und der Zugang braucht eine Regulierung. Es ist nicht vernünftig, wenn alleine der Elternwille zählt und die Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs sich in der gesamten Heterogenität sowohl am Gymnasium als auch an der Gemeinschaftsschule wiederfinden. Trotz der theoretisch geforderten Ansätze der Individualisierung und der Binnendifferenzierung sind unsere Lehrkräfte praktisch damit überfordert. Heterogenität zu beherrschen, ist vielleicht die herausforderndste Aufgabe im Tagesbetrieb von Schule.


Eine Variante, Heterogenität wenigstens einzuschränken ist, dafür zu sorgen, dass eben der Teil einer Jahrgangskohorte das Gymnasium besucht, der akademisch leistungsfähiger ist. Die angekündigte Schulartempfehlung beim Übertritt von der Grundschule in die weiterführende Schule ist hierfür ein unabdingbarer Schritt, wobei es bei der Empfehlung alleine nicht bleiben darf. In der Konsequenz bedeutet dies auch, dass Lehrkräfte am Gymnasium auf einem höheren akademischen Niveau lehren, was eine andere eigene Durchdringung der Komplexität und Didaktik der jeweils vertretenen Fächer voraussetzt. Selbstverständlich muss sich das in der Ausbildung der Lehrkräfte wieder spiegeln. Die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums sehe ich als Auftrag, einen klaren Anspruch an die akademische Leistung unserer Abiturientinnen und Abiturienten zu erheben. Keinesfalls wäre es vernünftig, die bisherigen Inhalte von G8 nun einfach auf neun Jahre zu strecken. Das gewonnene Jahr Zeit sollten wir nutzen, um Gymnasium und Oberstufe auch einer inhaltlichen Revision zu unterziehen.

Im Februar 2018 hat der Wirtschaftsrat gemeinsam mit unserer Ministerin Karin Prien Ergebnisse von Einstellungstests von Unternehmen analysiert, die in einer langen Zeitreihe von zum Teil mehr als 20 Jahren zur Verfügung stehen. Die Frage dahinter war, wie sich das Leistungsniveau der Schulabgänger in den vergangenen Jahren trotz oder wegen verschiedener Reformen im Bildungswesen entwickelt hat. Das Bild ist – selbstverständlich – nicht eindeutig und der Einzelfall erlaubt natürlich keine Aussage für die Grundgesamtheit. Übereinstimmende Erkenntnis der referierenden Personalleiter war jedoch der Rückgang der Leistungsfähigkeit im elementaren Rechnen und in der Rechtschreibung, insbesondere ein Einbruch in den vergangenen 5 Jahren. Das korreliert etwa mit der Verfügbarkeit von mobilen Endgeräten für nahezu alle Schülerinnen und Schüler.


Natürlich stellt sich die Frage, ob die Berufswelt von morgen in Wirklichkeit noch profunde Kenntnisse im Rechnen und Schreiben benötigt. In kaufmännischen Berufen wird das nicht in Frage gestellt werden. Dennoch wurde in der Diskussion klar, dass fachliche Defizite aus der Schule während der Ausbildung in Unternehmen ausgeglichen werden können, kaum jedoch soziale Aspekte wie Leidenschaft, Durchhaltevermögen, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit. Das sind Werte und Tugenden, die sich nicht allein durch die fachliche Beschäftigung mit Unterrichtsinhalten entwickeln, sondern die die steuernde und erziehende Hand der Lehrkraft benötigt. Wir brauchen Lehrkräfte, die in diesem Sinne Mut zur Führung und Erziehung haben, und wir sollten unsere Formate und Methoden überdenken, so dass, wenn es schon am Rechtschreiben und Rechnen mangelt, wenigstens andere Kompetenzen stärker ausgeprägt sind, die unsere jungen Leute in der Zukunft vermutlich benötigen.


Ohne Zweifel kommt mit der Digitalisierung aller Gesellschaftsbereiche eine weitere Herausforderung auf unser Schulsystem und auch auf jede einzelne Lehrkraft zu. Digitalisierung von Schule bedeutet sicherlich nicht nur, künftig die Noten, Bewertungen und das Klassenbuch mit einem Schulverwaltungsprogramm vorzunehmen. Und wer unter Einsatz digitaler Medien den sporadischen Rechercheauftrag bei Google mit dem Handy versteht, greift deutlich zu kurz. Digitalisierung bietet die große Chance, den Computer und das Internet für die Individualisierung von Lehr-Lern-Prozessen zu nutzen. Das gilt vor allem für Übungs- und Verfestigungsphasen im Lernen, die jede Schülerin und jeder Schüler für sich selbst absolvieren muss. Hier kann Lernen und Arbeiten digital unterstützt werden. Das gilt eher nicht für Lehr-Lern-Prozesse, in denen es um das Aufzeigen großer Zusammenhänge oder der Bewertung von gesellschaftlichen Ereignissen geht. Hier wird die Lehrkraft gebraucht, und ich erwarte nicht, dass in der nahen Zukunft ein Roboter oder eine Lernsoftware diese Tätigkeit übernehmen wird können.

Digitalisierung bedeutet aber auch, die Macht der Digitalisierung zu verstehen, ihre Werkzeuge zu beherrschen und die Risiken zu kennen. Bei diesen bleibend: Das Handy als permanente Ablenkung, vermeintliches Medium für soziale Kontakte und Konzentrationskiller gehört nicht in den Schulalltag. Grundlegende Kenntnisse über Algorithmen, über Programmierung, über Datenbanken und über Datensicherheit allerdings schon. Sie haben in der Zukunft unserer Kinder sicherlich größere Bedeutung. Wir brauchen weniger Medienerziehung denn vielmehr echten Informatikunterricht in der Schule. Hierzu brauchen wir vor allem Lehrkräfte, die die Materie und entsprechende Konzepte zu ihrer Vermittlung beherrschen. Offensichtlich ist, dass wir in Schleswig-Holstein nicht annähernd so viele Lehrkräfte aus der Ausbildung bekommen werden, wie wir sie flächendeckend ab sofort benötigen. Darauf zu warten ist keine Option. Es bleibt also die ergänzende Fortbildung von Lehrkräften für den Informatik-Unterricht – auch das dürfte schwierig sein – oder die Öffnung von Schule für Fachkräfte, Systemadministratoren und IT-Unternehmen, die entsprechende Inhalte unterrichten könnten. Das halte ich für möglich, wenn wir bereit sind, diesen Fachkräften adäquate Tagessätze zu bezahlen, die sie sonst in der Wirtschaft verdienen würden. Entsprechende Gesetze und Vereinbarungen zur Lehrkräftebesoldung sind - ob dieser Notlage - dringend anzupassen.


Für die Zukunft unseres Landes brauchen wir – nicht nur in der Informatik – die besten Lehrkräfte, die unsere Schülerinnen und Schüler inspirieren. Politik und Gesellschaft haben alles zu tun, um sie zu bestärken, sich weiterhin jeden Tag wieder um erfolgreiche Bildung zu engagieren. Und der Wirtschaftsrat tut das auch. Arbeitszeit lässt sich bezahlen, Engagement und Begeisterung nicht. Wir setzen uns daher für eine Anerkennungs- und Wertschätzungskultur für Sie als Lehrkräfte ein – und dafür, dass wir unsere Schulen und Ihre Arbeitsbedingungen so gestalten, dass Sie im Sinne unserer Kinder – und der Gesellschaft insgesamt – erfolgreich sein können.

Louisenlund, 25. März 2018


Dr. Peter Rösner
Leiter Stiftung Louisenlund und Vorsitzender der Landesfachkommission „Bildung und Wirtschaft“ des Wirtschaftsrates der CDU e.V. Schleswig-Holstein.