„Hohe Nachfrage nach Lübecker Gewerbeflächen“
Lübeck liegt an einer strategisch wichtigen Stelle: Mit Fertigstellung der festen Fehmarnbeltquerung wird Schleswig-Holsteins zweitgrößte Stadt das einzige Oberzentrum zwischen Kopenhagen und Hamburg sein. Ist sie darauf vorbereitet? Und was unternimmt die städtische Verwaltung, um für ansiedlungswillige Unternehmen attraktiv zu sein? Diese Fragen stellte Johannes Kalläne, Sprecher der Sektion Lübeck, beim Mittagsgespräch in der Schiffergesellschaft dem Geschäftsführer der Koordinierungsbüro Wirtschaft Lübeck (KWL) GmbH, Dirk Gerdes, der kurzfristig für den erkrankten Bürgermeister Jan Lindenau eingesprungen war.
Gerdes erläuterte zunächst, dass die KWL eine 100 %-Tochter der Stadt Lübeck sei und zuständig für die „Hardware“. Damit meint Gerdes die Gewerbeflächen der Stadt. „Derzeit verzeichnen wir eine hohe Nachfrage nach Lübecker Gewerbeflächen, weshalb wir die Entscheidung der Lübecker Bürgerschaft begrüßen, 250 Hektar neue Gewerbeflächen auszuweisen. Die ersten knapp 100 ha befinden sich derzeit in der Entwicklung. Es gibt sogar bereits die ersten Ansiedlungen.“ Eine davon betreffe eine Logistikfläche von allein 60.000 Quadratmeter. Die Nachfrage sei infolge von Corona und gestiegenen Baukosten allerdings etwas geringer als im Jahr 2019; jetzt trenne sich bei den Interessenten die Spreu vom Weizen. Der größte Bedarf bestehe entlang der A1: Vor der Fertigstellung der Fehmarnbeltquerung müssten ausreichend Flächen zur Verfügung gestellt werden. Aber auch aktuell gelte bereits: „Wir können jede Anfrage bedienen.“
Doch auch der KWL machten bürokratische Hemmnisse das Leben schwer. Als Beispiel nannte Gerdes archäologische Funde bei der Erschließung neuer Flächen. Diese Relikte müssten berücksichtigt und begutachtet werden, die Archäologen schafften im Jahr aber lediglich fünf Hektar. Das verzögere die Fertigstellung; der Erkenntnisgewinn der geborgenen Überreste (meist Scherben) sei hingegen gering.
Seit Ende der 1990er Jahre ist auch die Wirtschaftsförderung bei der KWL angesiedelt. Sie sei für die „Software“ zuständig, so Gerdes und meinte damit die weichen Standortbedingungen. Hier habe sich der Fokus allerdings von den ursprünglich stark nachgefragten Förderungen verlagert, hin zur Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Hier habe Lübeck als etablierter Wirtschaftsstandort große Vorteile gegenüber Standorten „auf der grünen Wiese“.
Die Wirtschaftsstruktur Lübecks sei KMU-geprägt und damit breit aufgestellt und krisenresistent. Die Wertschöpfung liege bei 20 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei sei die Gesundheitsbranche führend in Bezug auf die Anzahl der Beschäftigten (24.000). Es folgten unternehmensnahe Dienstleistungen (14.500), Ernährung (8.700), Logistik (6.800), Digitalisierung (6.600) und der Einzelhandel (1.200). Insgesamt biete Lübeck über 107.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze.
Um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein, hat Lübeck zwei Cluster gegründet: Food-Regio mit 85 Mitgliedunternehmen wird zu 50 % von der Wirtschaft finanziert. Das Log-Regio umfasst 30 Mitgliedunternehmen. Sein Ziel sei auch die Stärkung des Hafenstandortes Lübeck. Die Schwerpunkte bei der Vergabe neuer Flächen liege entsprechend bei der Ernährungsindustrie, dem Maschinenbau und der Logistikwirtschaft (hier besonders auf der Mehrwertlogistik). „Für die Auswahl der Unternehmen haben wir eine Vergabematrix erstellt; sie sieht soziale und ökologische Komponenten vor, ein Bonus- und ein Malussystem“, führte Gerdes aus.
Auch die Entwicklung der Innenstadt fällt in die Zuständigkeit der KWL. Hier wirke sich die Aufgabe von Karstadt negativ aus; immerhin solle das Gebäude nun für Schulzwecke genutzt werden. Der Einzelhandel insgesamt bleibe rückläufig. Hier müssten die Eigentümer der Immobilien umdenken und auch Rückgänge bei der Rendite in Kauf nehmen, um Leerstände und dauerhafte Verluste zu vermeiden.