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Bericht
14.12.2020
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Homeoffice: Schnelle Alternative als komplexe Herausforderung

Sektion Segeberg diskutiert über Chancen, Risiken und Regelungen – „Abschnorchel“-Gefahr steigt

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Homeoffice – wo ist das Problem? Wer als Mitarbeiter an Homeoffice denkt, der hat Computer, Schreibtisch und Internetzugang vor Augen. Doch wer sich als Unternehmen entscheidet, seine Mitarbeiter von Zuhause arbeiten zu lassen, der muss viele komplexe Fragestellungen beantworten. Die Herausforderungen, Gefahren und Chancen für Firmen bei Umsetzung auf Heimarbeit und die Pläne der Politik für die Zukunft waren das Thema einer Videokonferenz, zu der die Sektion Segeberg des Wirtschaftsrates Schleswig-Holstein am Dienstag (15.12.2020) eingeladen hatte.

 

Politik: Schnellstmöglich Rechtsrahmen schaffen

Politischer Gast des Gedankenaustausches war das SPD-Bundestagsmitglied Dr. Matthias Bartke (Hamburg) in seiner Funktion als Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit. Er machte deutlich, dass „wir in einigen Jahren von einer Zeitenwende beim digitalen Arbeiten sprechen werden, die Corona mit sich gebracht hat.“ Um so notwendiger sei, dass politisch das „Mobiles Arbeiten-Gesetz“ (MAG) auf den Weg gebracht wird.

 

Bartke berichtet aus aktuellen Studien, nach denen 90 Prozent der „Homeofficer“ die neue Arbeitsform positiv bewerten und zwei von drei Befragten sich vorstellen können, dauerhaft von Zuhause zu arbeiten. Bartke: „Wir müssen dafür schnellstmöglich einen vernünftigen Rechtsrahmen schaffen, der es Arbeiten von Zuhause leicht und sicher ermöglicht.“ So sehe der Gesetzesentwurf zwar keinen Rechtsanspruch vor, aber die Arbeitgeber müssten künftig erörtern, warum sie dem Wunsch eines Mitarbeitenden nach Homeoffice nicht entsprechen wollen. Darüber hinaus soll das MAG, das Anfang 2021 im Sozialausschuss diskutiert wird, unter anderem auch Klarheit in Fragen des Versicherungsschutzes schaffen.

 

Handlungsdruck auf Firmen wächst

Die Notwendigkeit, mit einem neuen Gesetz Regelungen zu schaffen, unterstrichen die Schilderungen von Klaus Timm, geschäftsführender Gesellschafter der Top Technologies Consulting (Halstenbek). Er zeigte die Komplexität auf, die mit der Heimarbeit verbunden sind. Bereits vor der Pandemie habe sich in Mitarbeiterbefragungen und bei Einstellungsgesprächen gezeigt, dass das mobile Arbeiten immer mehr gefragt ist. „Wir hatten wenig dazu im Angebot und hatten Handlungsdruck. Für uns war es eine besondere Herausforderung, weil wir als Beratungsunternehmen vom Dialog und Kontakt zwischen den Menschen leben und sich die Frage stellte, wie wir das am besten erhalten können.“  Schon nach kurzer Zeit habe sich die Komplexität der Aufgabenstellung deutlich gezeigt. Als Stichworte nannte Timm neben der Organisation funktionierender Abläufe  unter anderem Fragen der Arbeitskontrolle, des Arbeitszeitgesetzes, der Arbeitsstättenverordnung, der Dokumentationspflichten und der Datensicherheit.

 

Kontingentlösung schafft Zufriedenheit

„Unser Ziel war ein optimaler Kompromiss aus Teamarbeit im Büro und im Wohnfühlumfeld zuhause. Die Mitarbeite sollten selbst entscheiden. Es gibt kein Recht und keine Pflicht. Wir haben das Thema mit einem Flexi-Tage-Konzept gelöst, das auf Freiwilligkeit beruht“, so Timm. Das Konzept sieht vor, dass jeder Mitarbeiter ein Kontingent an Homeoffice-Tagen hat, das in Abstimmung mit den Teamleitungen genutzt werden kann. Timm: „Wir haben zufriedene Mitarbeiter, weil sie nicht mehr jeden Tag zur Arbeit fahren müssen. Die Arbeitsleistungen stimmen und bei uns fallen insgesamt weniger Kosten an.“ Er ist überzeugt, dass das Modell der Aufteilung Büro-Zuhause immer mehr Bedeutung bekommen wird.

 

IT-Experte: Corona ein Brandbeschleuniger

Neben dem Faktor „Mensch“ ist die Frage der Sicherheit des digitalen Arbeitens der zweite zentrale Bereich. Über die aktuellen Herausforderungen berichtet Sebastian Horzela, geschäftsführender Gesellschafter der Chipron GmbH (Hannover). Sein Unternehmen beschäftigt sich seit 17 Jahren mit der Frage, ob Fremde sich Zugriff auf Firmensysteme schaffen können. „Corona ist für die Sicherheitsfrage wie ein Brandbeschleuniger, weil sich Firmen ad-hoc nach außen geöffnet haben, um irgendwie arbeitsfähig zu bleiben. Vieles wurde dabei sehr hemdsärmelig gemacht und so sind große Einfallstore entstanden“, so Horzela. Daten könnten heute – wie er sagt – viel schneller „abgeschorchelt“ werden.

 

IT-Strukturen müssen neu gedacht werden

Die Zahl der Angriffe sei nachweislich gestiegen und diese seien durch das Nutzen von privaten Geräten, privaten Clouds und schlechtes Zugriffsmanagements auch oft sehr erfolgreich. „Um als Unternehmen wieder abgesicherter zu sein, braucht es weitere Maßnahmen: Multifaktor-Authentifizierung, mehr Verschlüsselung der Daten und regelmäßige Sicherheitsupdates.“ Heute würden viele Firmen nur einmal monatlich die Systeme updaten und es gebe keine Kontrolle, ob alle Nutzer die Updates vornehmen. „Hier muss klar gelten: Wer die Updates nicht macht, kommt nicht ins System.“ Er geht davon aus, dass langfristig bis zu 60 Prozent der klassischen Büroarbeiten aus den Homeoffice erledigt werden, so dass „es zwingend erforderlich ist, dass jedes Unternehmen seine IT-Strukturen sicherer und moderner macht.“

 

Bartke: Mobiles Arbeiten bleibt ein Addon

Das Schlusswort kam dann vom Politiker. Bei allem, was für Homeoffice spreche und nun geregelt werden müsse, würde er mit zunehmender Pandemie-Dauer auch hören, dass die Menschen sich freuen, wieder ins Büro zu dürfen. Bartke: „Für mich kann mobiles Arbeiten immer nur ein Addon sein. Es ist wichtig, dass wir auch Aspekte wie soziales Miteinander nicht aus den Augen verlieren.“

 

Von Holger Hartwig, Agentur Hartwig3c (Hamburg)