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Bericht
23.10.2023
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„Ich führe im Moment viele laute Gespräche in meinem Büro“

Zehn-Monats-Bilanz von Flensburgs Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer
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Knapp ein Jahr ist Flensburgs parteiloser Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer mittlerweile im Amt. Ein guter Anlass, mit ihm über einen Status-Bericht zu sprechen, befand Hauke Präger, Sprecher der Sektion Flensburg/Schleswig, und lud das Stadtoberhaupt zum Austausch ins Restaurant Borgerforeningen ein.

Dr. Geyer, bis zu seinem Amtsantritt langjähriger Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Flensburg-Schleswig-Eckernförde e.V., zeichnete ein düsteres Bild vom Erbe, das er angetreten habe. Es sei deutlich schlimmer als erwartet und kaum zu bewältigen. Er bezog dies insbesondere auf die „katastrophalen Strukturen der Verwaltung“, die in der Vergangenheit nicht angepackt worden seien. De facto habe es 18 Jahre lang keine Führung des Verwaltungsapparats gegeben. Dabei gebe es dort durchaus gute Fachleute, die aber alle unstrukturiert vor sich hinarbeiteten. 

Dennoch gebe es bereits erste Fortschritte. Die 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien ihm zu Beginn mit einer Mischung aus Neugier, Ablehnung und Hoffnung begegnet. Mittlerweile aber habe er bereits die Personal- und die Betriebsräte auf seine Seite ziehen können. Es sei ihm gelungen, Vertrauen aufzubauen.

Als größte Herausforderung bezeichnete der Oberbürgermeister die Kommunikation. Vorgesetzte erhielten daher Coachings in Hinblick auf ihre Führungsqualitäten. Es fehle der Informationsfluss aus den Abteilungen an die Spitze, so dass es regelmäßig passiere, dass er vom Innenministerium auf Vorgänge angesprochen werde, von denen er bis dahin noch nie gehört habe.

Zwei große Themen benannte Geyer, die im Zentrum seiner Aufmerksamkeit stünden: Zum einen der Hafen-Ost, ein Projekt, das derzeit viele Ressourcen binde und das er daher zur Chefsache gemacht habe. Zum anderen die Mobilität in der Stadt, die für viel Unmut und Aufregung in der Stadt sorge, insbesondere mit Blick auf die Radwege. Die Planung in diesem Bereich sei eine „eigene Welt“; die zuständige Abteilung plane hier „nach eigenem Ermessen“. Er selbst werde in der Öffentlichkeit für die Umsetzung politischer Beschlüsse auf diesem Gebiet kritisiert; dabei sei er hierzu gesetzlich verpflichtet und tue dies nicht aus eigener Überzeugung: „Ich führe im Moment viele laute Gespräche in meinem Büro“, deutete er das hohe Konfliktpotenzial in diesem Bereich an.

Angesprochen auf die Enttäuschung, die viele seiner Unterstützer in letzter Zeit auch öffentlich äußerten, entgegnete Dr. Geyer, es gelte jetzt, zunächst die Prozesse vollständig zu durchdringen, um zu finalen und nicht nur zu ad-hoc-Lösungen zu kommen. Bei den Themen Arbeits- und Datenschutz beispielsweise beginne man praktisch „bei Adam und Eva“. Die Position der Datenschutzbeauftragten sei bisher lediglich als Halbtagsstelle besetzt gewesen;  seit 12 Jahre hätte es keine Evakuierungsübung mehr gegeben.

Als großes Problem für die Region machte der Oberbürgermeister die Einschränkungen des Bahnverkehrs um die Stadt Flensburg aus. Der Fernverkehr nach Dänemark falle künftig weg; Vorrang habe dann die Verbindung über die Fehmarnbelt-Querung. Die Region Flensburg drohe allen anderslautenden Beteuerungen namhafter Politiker in Land und Bund zum Trotz abgehängt zu werden.

Vor großen Herausforderungen stehe die Stadt auch bei den Feuerwehren und Schulen. Letztere stießen aufgrund der Umstellung der Gymnasien von G8 auf G9 an ihre Kapazitätsgrenzen, weshalb Geyer künftig den Stadtkindern Vorrang vor den Kreiskindern einräumen werde. Auch diese Entscheidung berge erhebliches Konfliktpotenzial. Bei den Feuerwehren wiederum seien die bisherigen Planungen für Neubauten entgegen ersten Beteuerungen wertlos gewesen; für beide Hauptfeuerwachen seien Neubauten erforderlich.

„Die Wirtschaftsförderung erfolgt jetzt wieder aus dem Rathaus heraus.“

Ein großes Augenmerk legt Dr. Geyer auf die Wirtschaft und deren Förderung. Mit Blick auf die Wirtschaftsförderungs- und Regionalentwicklungsgesellschaft Flensburg/Schleswig mbH war es ihm wichtig zu betonen: „Die WiREG arbeitet für die Stadt. Die Wirtschaftsförderung erfolgt jetzt wieder aus dem Rathaus heraus.“ So fördere er beispielsweise den Austausch mit den Wirtschafts-Junioren sowie mit 80 Unternehmen. Für Unternehmensansiedlungen werde der rote Teppich ausgerollt, es gebe wieder „eine Tür ins Rathaus“.

Den Wirtschaftsbeirat hat der Oberbürgermeister neu strukturiert; die Inhalte kämen nun von den Unternehmern. Der Austausch finde alle drei Monate direkt zwischen Wirtschaft und Verwaltung statt, moderiert von Geyer selbst. Neu sei das Innenstadtforum, der Nachfolger des Innenstadtbeirates, der auch nach 20 Sitzungen keinerlei Ergebnisse hervorgebracht hatte.

Mit diesen Maßnahmen, die nur einen kleinen Ausschnitt darstellten, sei es gelungen, eine neue Vertrauensbasis zu den Unternehmen aufzubauen, endete Dr. Geyer. Hauke Präger sicherte ihm abschließend die Unterstützung des Wirtschaftsrates zu und bot ihm an, jederzeit beratend zur Seite zu stehen.