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Bericht
10.09.2018
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Industrielle Datensammlung für die Meeresforschung

Nach der guten Resonanz im vergangenen Jahr hat sich die Sektion Kiel auch dieses Mal mit einer hochkarätig besetzten Veranstaltung an der Digitalen Woche Kiel beteiligt. Erneut stand die Digitalisierung der Meere im Mittelpunkt – dieses Mal mit dem Schwerpunkt der
industriellen Datensammlung.
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Neben vier Fachvorträgen diskutierte unter der Moderation von Torsten Turla (Geschäftsführer Meerestechnik Büro Turla, Kiel) ein Podium mit Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft über Perspektiven für vorhandenes Know-how in Schleswig-Holstein, über Notwendigkeiten für eine zukunftsorientierte Auswertung vorhandener Datensammlungen und Möglichkeiten, Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen. Nachfolgend lesen Sie einen Überblick über die zentralen Aspekte der Diskussion.

Können wir mit den unzähligen Datenmengen, die Wissenschaft und Wirtschaft über das Meer ermitteln, noch umgehen? Für alle vier Podiumsmitglieder ist es eine große Herausforderung, den umfangreichen Datenmengen Herr zu werden. Prof. Dr. Karen Wiltshire vom Alfred-Wegner-Institut-Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (List auf Sylt) forderte: „Wir müssen dringend sicherstellen, daß wir übergreifend an alle Daten herankommen.“ Dabei müsse auch gewährleistet werden, daß derjenige, der die Daten hat, dafür dann auch Geld erhält. „Wenn das so nicht passiert, gibt es dauerhaft ein Problem.“ Für sie ist zudem der technische Fortschritt wesentlich. „Wir brauchen neue Methoden für die Auswertung, denn die Probleme im Meer werden sich in den kommenden Jahren weiter häufen.“

Aus Sicht von Julian von Borries müsse mehr auf die Qualitätssicherung der erfaßten Daten geachtet werden. „Wir brauchen für alle Meeresdaten gute Dokumentationen“, so der Geschäftsführer der HYDRO-BIOS Apparatebau GmbH aus Altenholz. Für Prof. Dr. Jens Greinert vom GEOMAR Helmholz-Zentrum für Ozeanforschung (Kiel) ist es wichtig, daß „Wissenschaft und Wirtschaft die Richtung festlegen, wie es weitergehen soll“. „Wir müssen das weitere Vorgehen vom Sensor bis zur Datenauswertung komplett durchdenken“, so Greinert. Ähnlich sieht es Dr. Matthias Labrenz (Sektion Biologische Ozeanografie, Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde). Er spricht sich dafür aus, auch im Bereich der Biologie die Digitalisierung zu beschleunigen, um zu einer Harmonisierung zu kommen.

Wie soll sich die Zusammenarbeit weiterentwickeln? Welche Potentiale gibt es für die kommenden Jahre? Im Bereich der Messung und Datenerfassung sehen die Experten eher weniger Möglichkeiten für Start-Ups. So sprach sich Dr. Greinert grundsätzlich dagegen aus, als Wissenschaft die Messungen aus der Hand zu geben. Auch von Borries sieht in diesem Bereich in den nächsten zehn Jahren wenig Potenzial, „weil das Messen und die Datenerfassung mit hohen Investitionen verbunden sind, die für Neugründungen so nicht leistbar sind.“ Es fehle in Deutschland an Risikokapital oder müsse bessere Förderquoten geben, um unternehmerisches Handeln zu fördern. Erst wenn neue und effiziente Robotertechnik unter und über Wasser zum Einsatz komme, könnten sich seiner Ansicht nach Potenziale für Neugründungen ergeben. Möglichkeiten für StartUps sieht Dr. Greinert hingegen im Bereich des professionellen Datenmanagements, z.B. in Cloud-Lösungen. Prof. Dr. Wiltshire setzt darauf, daß die Wirtschaft in den kommenden Jahren, neue Techniken, z.B. Sensortechnik, bereitstellt, die die Beschaffung und Auswertung von Daten beschleunigt. Zudem müsse es besser als bisher gelingen, „das gebündelte Wissen, das wir in Schleswig-Holstein haben, international zu vermarkten.“ Muß die Meeresforschung der breiten Öffentlichkeit nähergebracht werden, um mehr Akzeptanz und Interesse zu wecken?

Grundsätzlich sehen die Experten hier eher weniger Handlungsbedarf. Dr. Greinert ist überzeugt, daß die Meeresforschung in der Bevölkerung grundsätzlich eine hohe Akzeptanz hat. „Die meisten Menschen sind fasziniert vom Meer und der Forschung.“ Gleichwohl müsse es darum gehen, die neuen interaktiven Möglichkeiten zu nutzen, beispielsweise durch Virtuell-Reality-Angebote. Für Dr. Labrenz und von Borries kommt es weniger auf die Präsentation an. Dr. Labrenz: „Es muß mehr erreicht werden, daß Forschungsergebnisse zügiger durch Richtlinien und Gesetze umgesetzt werden.“ Ähnlich sieht es auch Prof. Dr. Wiltshire. Ihre Forderung für die Zukunft: „Nur Ergebnisse zu veröffentlichen, reicht mir nicht. Wenn es klare Erkenntnisse gibt, muß schneller gehandelt werden.“ / Holger Hartwig