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Bericht
09.06.2020
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Innensenator Ludger Hinsen zwei Jahre nach dem Stromausfall: "Ein Ausfall des Digitalfunks war nicht vorgesehen"

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Senator Ludger Hinsen, der neben Ordnungsamt bzw. Polizei auch die Feuerwehren im Katastrophenfall für die Hansestadt Lübeck steuert, stellte einführend fest, dass man in Deutschland nach dem Ende des Kalten Krieges den Katastrophenschutz extrem vernachlässigt habe. Unter Innenminister Schäuble begann im Jahr 2009 ein Umdenken und KRITIS wurde zum Schutz von kritischen Infrastrukturen aufgebaut. Das Risiko für flächendeckende Stromausfälle und Cyberangriffe sei seitdem deutlich gestiegen. Der Stromausfall in Lübeck vor fast zwei Jahren, der 390 Großbetriebe und über 150.000 Haushalte für vier Stunden vom Strom abkoppelte, sei vor allem ein heilsamer Schock gewesen, der aufgrund des guten Wetters und der engen zeitlichen wie räumlichen Begrenzungen zum Glück keine größeren Folgen gehabt habe. Er habe jedoch die große Abhängigkeit der Gesellschaft von der Stromversorgung vor Augen geführt: Nicht nur die Ampeln, Kühlschränke und Kassensysteme fielen aus, sondern auch die Rechner und die WLAN- und Sendemasten, was schnell zur Überlastung der Mobilfunknetze geführt habe. Damit waren plötzlich auch keine Taxen mehr erreichbar.

 

Besonders lehrreich sei gewesen, was nicht an die große Glocke gehängt worden sei, dass kurz nach dem Stromausfall auch der Digitalfunk ausgefallen sei, der für die Notfallkommunikation von Feuerwehr und Polizei dient. Dieser Fall sei im Notfallplan gar nicht vorgesehen gewesen. Für eine Stunde habe er als Senator selbst die Verbindung von Feuerwehrleitstelle und Polizeichef über einen direkten Draht via Mobilfunk herstellen müssen, während parallel eine Reaktivierung der alten Analogfunkgeräte aus dem eigenen Keller oder eine Anforderung eines intakten Analogfunksystems aus der Stadt Neumünster geprüft wurden.

Positiv zu bewerten war das schnelle Zusammenkommen des Krisenstabes zwanzig Minuten nach der Alarmierung, wo zunächst die Eigensicherung, z.B. der Zugriff auf Dieselgeneratoren und Kraftstoff, im Vordergrund steht bevor Funktionen nach außen aufgenommen werden können. Funktioniert habe ebenso die Erreichbarkeit der Notrufnummern 110 und 112 und die laufende Information der Bevölkerung über das Radio, das Feuerwehren als Anlaufstellen bekanntmachen konnten, die ihrerseits als Melder Altenheime mit Dialysegeräten und Krankenhäuser aufgesucht haben, nachdem andere Kommunikationsmöglichkeiten keine Verbindung ergeben hatten. Im Nachhinein habe man die gesamte Struktur überdenken müssen. Man habe anschließend Redundanzen in der Serverstruktur der Stadt erhöht und neue Verbindungsmöglichkeiten geschaffen. Gegen einen Ausfall des angeblich sicheren Digitalfunks sei man allerdings nach wie vor nicht wirklich gefeit.

 

In der anschließenden Diskussion, an der auch das Kreisverbindungskommando der Bundeswehr teilnahm, wurde angemerkt, dass Hilfsleistungen benachbarter Kommunen, wie die Lieferung eines Aggregates aus Hamburg für das Technische Hilfswerk in Lübeck, bei einem großflächigeren Ausfall nicht zu bekommen gewesen wären. Eine gesicherte Notstromversorgung sei für weite Teile der Wirtschaft bisher nicht vorhanden, weshalb eine gemeinsame Notfallstrategie mit den größten Betrieben der Stadt zukünftig sinnvoll sein könnte. Marten Jensen, geschäftsführender Gesellschafter des Greentec Campus, der aus Enge Sande in Nordfriesland zugeschaltet war, berichtete, dass sein Unternehmen unter anderem an einem „Energy Moving“, einer Notstromversorgung durch mobile Batterien, die direkt an den Windkraftanlagen betankt werden würden, arbeite. Zudem sollten die Sicherheitskonzepte in Coronazeiten, wo kritische Belegschaften plötzlich komplett in Quarantäne müssen, auf einen Personalabsicherungsgrad N – 3 angehoben werden.

 

Die Verbindung der Videokonferenz in das glasfaserversorgte Rathaus erwies sich nicht immer als vollständig stabil, was allen Teilnehmer vergegenwärtigte, dass die digitalen Systeme in Deutschland insgesamt noch sehr störungsanfällig sind. Zwei Jahre nach dem Stromausfall in Lübeck wurde jedenfalls klar, dass man aus dem Warnschuss viel gelernt hat. Allerdings sieht es eher nicht danach aus, dass weniger krisengeprüfte Kommunen in Deutschland einen längeren und großräumigeren Stromausfall sicher bewältigen können.