Mehr Lust auf Innovationen erforderlich
Der Titel der Videokonferenz der Sektion Stormarn des Wirtschaftsrates Schleswig-Holstein war provokant formuliert: „Industriemuseum versus Flucht nach vorne – Förderstrategien in Corona-Zeiten“. Den ersten Aufschlag machte Norbert Basler, Aufsichtsratsvorsitzender der Basler AG, Deutschland beherberge zwar im hessischen Hünfeld das Konrad-Zuse-Museum und in Paderborn das Heinz-Nixdorf-MuseumsForum als größtes Computermuseum der Welt, der größte PC-Hersteller der Welt, Lenovo, sitze heute jedoch in Peking, und Hewlett-Packard, ACER, Apple, Cisco oder Huawai klängen auch nicht gerade deutsch oder europäisch. Es gäbe einfach gar keinen nennenswerten deutschen Computerhersteller mehr. Gleiches gelte für das Quantencomputing sowie für weitere Schlüsseltechnologien in denen deutsche Unternehmen hinterherlaufen oder gar nichts mehr anzubieten haben. Das Geschäftsmodell Deutschlands sei wie kein anderes vom Export abhängig und stünde international im knallharten Wettbewerb. Die Konkurrenz sei nicht wie wir im Schlaf- oder Verteidigungs-, sondern im Angriffsmodus. China sei der Wettbewerber der Zukunft, agiere entlang eines raffinierten geostrategischen Plans, investiere unglaubliche Summen in Wissenschaft und Technologie und wandle sich zusehends von der Fabrik der Welt zum digitalen Technologieführer, so der Unternehmer aus Ahrensburg, der seit 1988 weltweit mit Technologien des maschinellen Sehens erfolgreich ist.
Die Corona-Pandemie zeige die deutschen Versäumnisse wie unter einem Brennglas: „Unsere Gesundheitsämter arbeiten mit Fax-Kommunikation, unsere Schulen und Lehrer sind technologieavers, eine Corona-App liefert nach Monaten kaum mehr als Datenschutz zu Lasten von Menschenleben, und mitten in der Pandemie ist unsere Antwort auf Amazon eine Paketsteuer-Debatte.“ Zudem würden die Rufe nach kollektiver Sicherheit und Planwirtschaft lauter denn je: Man rette mit Steuermitteln Kaufhäuser, deren Geschäftsmodell offensichtlich längst aufgehört hat, zu funktionieren. Ewiges Kurzarbeitergeld für überkommene Geschäftsmodelle bewirke eine doppelt schädliche Fehlallokation von Arbeitskraft. Eine Aussetzung der Antragspflicht für Insolvenz führe zu Zombieunternehmen, gefährde Lieferketten und fördere den Vertrauensverlust in der Wirtschaft. Während China seine Diktatur mit Marktwirtschaft „tune“, schwächten wir unsere Demokratie mit planwirtschaftlichen Versatzstücken. Die beste Förderstrategie – nicht nur in Coronazeiten - bestünde aus der Vermittlung von Aufbruch und Mut für Technik und Wissenschaft, für Marktwirtschaft und Unternehmertum, mit Lust auf schöpferische Zerstörung und Freude an der Veränderung.
Dr. Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein, reagierte offensiv und nutzte den einleitenden Impuls von Basler als Steilvorlage. „Sie haben Recht. Es hapert bei uns an Innovationen. Aber wer ist denn für Innovationen in unserem Lande vor allem zuständig? Moderne und aktive Unternehmen, vorzugsweise aus dem Mittelstand.“ Und wenn er auf Schleswig-Holstein schaue, müsse er feststellen, dass statistisch nur 0,8 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung gesteckt werden. „Damit liegen wir in Deutschland hinten“, so der FDP-Politiker. Er könne nachvollziehen, was gefordert werde, aber „dann erwarte ich auch, dass die Unternehmen sich stärker des Themas annehmen.“ Das Land führe regelmäßig Camps für Startup-Ideen durch – mit bescheidener Resonanz aus der Wirtschaft. „Wir machen da viel, auch durch eine Partnerschaft mit dem Silicon Valley. Nur: Wenn die Unternehmen eingeladen werden, sich die Ideen anzuschauen, kommt fast keiner. Beim letzten Camp waren gerade einmal drei Unternehmer dabei.“ Es fehle an Risikokapital und „wir sollten erst einmal gemeinsam dafür sorgen, dass die Ideen, die bereits da sind, vorwärtsgebracht werden.“
Auch die pauschale Kritik an der Corona-Unterstützungspolitik wollte er nicht so stehen lassen. „Wie würden Sie reden, wenn Sie Inhaber einer Modefashionkette wären, die seit Monaten staatlich untersagt keine Geschäfte machen darf?“, fragte er. Als Liberaler sei es für ihn keineswegs einfach, sich durch Überbrückungs- und Soforthilfen in den Markt einzumischen, aber „es geht uns darum, ehemals gesunde Unternehmen über die Zeit zu bringen“. Staatliche Interventionen seien in der Zeit nicht per se vom Teufel, auch wenn es Mitnahmeeffekte gebe, die eine sinnvolle Selbstreinigung von Märkten verzögere. Aus seiner Sicht sei es eher ein Skandal, dass die zugesagten Gelder bisher nicht ausreichend fließen. Buchholz: „Es ist ja nicht so, dass wir nicht auch weiterhin in Forschungsvorhaben investieren.“ Es müsse gelingen, die Investitionsbereitschaft zu erhöhen. „Es ist einfach so, dass in den USA ein Vielfaches an Geld für Startups bereitgestellt wird. Geld, dass kurioserweise auch noch aus Deutschland, beispielsweise aus Rentenfonds, kommt.“ Es müssten mehr steuerliche Anreize für Risikoinvestitionen in Deutschland geschaffen werden, damit „wir – und da sind vor allem die Unternehmen gefordert – wieder die Mentalität eines Gründerlandes entwickeln.“ Der Minister kündigte an, dass er künftig die Netzwerke des Wirtschaftsrates in Schleswig-Holstein nutzen werde, damit „wir mehr Teilnahme an den Veranstaltungen bekommen, die sich in unserem Land mit Startups und Investitionen beschäftigen“.