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Bericht
22.08.2022
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Mehr Vertrauen schenken anstatt weiter von oben zu regulieren

Wirtschaftsrat Sektion Bad Segeberg schaut auf die Zukunft der Landwirtschaft nach dem Green Deal
©Holger Hartwig

BAD BRAMSTEDT Seit vielen Jahrzehnten ist das Verhältnis zwischen der Landwirtschaft und der Politik, die europaweit Vorgaben aufstellt, eine Herausforderung. Aktuelles Thema ist der Green Deal. Er sieht vor, in den kommenden Jahren 10 Prozent der Waldfläche, des Grünlandes und der Ackerflächen zu renaturieren und gleichzeitig der Düngemittelanteil um 20 Prozent sowie der Pflanzenschutzmittel um 50 Prozent zu reduzieren. Zudem soll der Anteil der Ökolandschaft von 8 auf 25 Prozent ausgebaut werden. Diese Vorgaben und die Frage, wie die Zukunft der Landwirtschaft in Afrika besser gestaltet werden kann und welche Folgen die EU-Politik haben wird, waren Thema einer Veranstaltung der Sektion Bad Segeberg in Bad Bramstedt.

 Zwei Impulsvorträge sorgten dafür, dass etwa 30 Zuhörer lebhaft in den Austausch kamen. Erster Impulsgeber war Prof. Dr. Stefan Liebing, Präsident des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft e.V. (Hamburg). Er ging hart ins Gericht mit der deutschen Afrikapolitik und sprach der Notwendigkeit „aus der Erfolgslosigkeit der letzten Jahrzehnte zu lernen“.

 Es sei heute so, dass fruchtbarste afrikanische Länder Nahrungsmittel für Milliarden US-Dollar aus Europa importieren - finanziert durch China. Es fehle an betrieblichem Know-how und vorbildlichen Führungskräften. Erforderlich für eine effiziente Entwicklungspolitik sei eine viel stärkere Zusammenarbeit der deutschen Politik mit der deutschen Wirtschaft, um deutsche Unternehmer für Aktivitäten in Afrika zu ermutigen. Angesichts des Krieges in der Ukraine die Schlussfolgerung zu ziehen, dass am Beispiel Russlands das Konzept „Wandel durch Handel“ gescheitert sei, sei falsch. „Ohne internationalen Handel wäre die Welt gefährlicher. Und für die Zukunft brauchen wir mehr und stärkere Handelsbeziehungen, nicht weniger.“ Richtig sei vielmehr, dass der Aufbau von Handelsbeziehungen und Auslandsinvestitionen nicht vollständig das Risiko eliminiere, dass eine Regierung Menschenrechtsverletzungen begeht oder Völkerrecht bricht. Liebing: „Je mehr Verschränkungen und gegenseitige Abhängigkeiten in den Wirtschaftsbeziehungen bestehen, desto höher jedoch ist der Preis für diese Staaten, solche für sie gewinnbringenden Wirtschaftsbeziehungen zu riskieren.“ Zudem diene ein Großteil von Auslandsinvestitionen ja nicht primär den ausländischen Regierungen, sondern der Bevölkerung. „Es wäre falsch, den Versuch zu unterlassen, durch wirtschaftliche Entwicklung auch zu demokratischer Entwicklung beizutragen.“

 Ziel müsse es sein, gezielte Investitionen zu ermöglichen, die auch einen ganz konkreten Nutzen für Deutschland haben. Dafür sei notwendig, geeignete Instrumente der Außenhandelsfinanzierung zu schaffen und auf Projekte zu setzen, bei denen vor Ort dauerhaft tragfähige Strukturen geschaffen werden. Mit Blick auf die Entwicklung der Landwirtschaft sagte er: „Afrika könnte, wenn es professionell angegangen wird, weite Teile der Welt aufgrund seiner Voraussetzungen miternähren.“ Es müsse das Ziel sein, vor Ort eine wettbewerbsfähige Industrie aufzubauen. Dafür benötige es eine gewisse Zeit eines Wettbewerbsschutzes. Es seien wirtschaftliche Mittel, Technologien und vor allem Bildung von außen nötig. „Mit der bisherigen Entwicklungspolitik ist das aber so nicht möglich.“ Liebing unterstrich, dass er bei allen seinen Gespräche in Afrika oder mit Vertreten des Kontinents immer wieder eine Botschaft vernommen habe: Man wünscht sich stärkeres Engagement aus Deutschland, weil die Qualität stimme. Dieses Engagement durch finanzielle Absicherungen für die deutsche Wirtschaft zu ermöglichen, müsse das Ziel der kommenden Jahre sein. „Dafür benötigen wir eine außenwirtschaftliche und -politische Zeitenwende. Die Entwicklungspolitik Deutschlands muss umdenken“ Es müsse darum gehen, tragfähige wirtschaftliche Lösungen vor Ort zu schaffen „für ausreichend Essen in Afrika zu sorgen und erst dann an Themen wie Gleichberechtigung zu denken“, so Liebing provokant.

Der zweite Impulsgeber, Klaus-Peter Lucht, Vizepräsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein e.V. (Rendsburg), nahm den Ball von Liebing auf. Er machte in seinem Vortrag unter dem Titel „Europäischer ‚Green Deal‘: Auswirkungen auf die Landwirtschaft von Deutschland“ deutlich, dass es aus seiner Sicht bei der Frage der Afrika-Hilfe um zwei Themen geht: nachhaltige Bildung vor Ort und Schaffung einer funktionierenden Infrastruktur. „Unser Ziel muss in der Entwicklungshilfe sein, dass wir es schaffen, dass vor Ort mit guten Bedingungen produziert werden kann.“  Es müsse das Ziel sein, auf dem afrikanischen Kontinent auch unternehmerisches ethnisches Denken herbeizuführen. „Die bisherige Entwicklungshilfe hat gar nicht nichts gebracht.“

Deutliche Worte fand Lucht beim Blick auf die Auswirkungen des Green Deal. „Wir als Landwirtschaft haben die in Europa am besten ausgebildeten Mitarbeiter. Wir können für den Klimaschutz viel Gutes machen, aber an erster Stelle muss die Nahrungsversorgung stehen.“ Zur Verdeutlichung verwies er auf, dass die Klimabelastung durch die deutsche Landwirtschaft im weltweiten Vergleich gering ist. „Wir produzieren ein Kilogramm Milch mit  einem Kilogramm CO2. In Amerika dieses Verhältnis aktuell 1:4,in Russland sogar 1:8.“ Jedes Nahrungsmittel, das nicht mehr in Deutschland produziert werde, erhöhe die Klimabelastung.

Er zeigte auf, dass es nicht darum gehe könne, weiterhin Auflagen und Anordnungen „von oben“ zu machen. Das Ziel der EU, mit der Farm-to-Fork-Strategie die Landwirtschaft zu einer nachhaltigen und wirtschaftlich tragfähigen Ernährungswirtschaft, die auf Innovation und digitale Technik setzt, zu machen, könne nicht durch pauschale Reduktionsziele erreicht werden. „Letztlich geht es darum, dass wir die Versorgungssicherheit gewährleisten und dabei auch wirtschaftlich arbeiten können.“ Für ihn ist dabei wichtig, dass die Vorgaben und Normen europaweit einheitlich sind. „Wir brauchen einheitliche Spielregeln.“ Zudem müsse sich die Politik der Folgen eines weiteren Zurückdrängens der Landwirtschaft bewusst sein, wenn beispielsweise weitere Schutzzonen geschaffen werden. Ziel des Bauernverbandes sei es, ab 2028 eine neue Agrarpolitik frei von pauschalen Ansätze zu erreichen. „Wir brauchen ein System, bei dem ganz konkret Ansätze vorhanden sind, die sinnvolle Maßnahmen zur Folge haben und nicht pauschale Vorgaben machen. Wir sollten nicht nachlassen, unsere unternehmerische Sichtwiese in die Politik hineinzutragen.“

Lucht stelle auch heraus, wie er das Verbraucherverhalten sieht. „Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges zeigt sich: Der Konsument schaut auf die Preise.“ Die Menschen möchten zwar alle mehr Bio-Produkte mit weniger Pflanzenschutzmittel, aber „wenn es darauf ankommt, stehe die Bezahlbarkeit an erster Stelle“. Dieses Denken und Verhalten müsse man immer im Hinterkopf haben. Deshalb sei es wichtig, dass „wir als Landwirtschaft profitabel arbeiten können und als Experten den besten Weg für die Vereinbarkeit für Ökologie und Ökonomie finden und damit die Versorgungssicherheit gewährleisten.“