„Mit der Physik kann man nicht verhandeln“
Eine funktionierende Infrastruktur ist für jeden Wirtschaftsstandort von essenzieller Bedeutung. Ob Straße oder Schiene – Infrastruktur ist sehr langlebig und sollte daher Veränderungen der klimatischen Bedingungen rechtzeitig antizipieren. Ressourcenverknappung und steigende Energiepreise kommen als weitere Herausforderungen für viele Unternehmen hinzu. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Landesverbands Hamburg mit der Landesfachkommission Mobilität & Transport des Landesverbands Schleswig-Holstein zur Nachhaltigkeit in der Logistik in den Räumlichkeiten der PricewaterhouseCoopers GmbH informierten der bekannte Klimaforscher Mojib Latif, Präsident des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der Akademie der Wissenschaften Hamburg, und Matthias Grabe, Head of Competence Centre Infrastructure und Leiter des Kompetenzzentrums Infrastruktur (I.TA) der Deutschen Bahn AG vor diesem Hintergrund über den Klimawandel und seine Auswirkungen auf die deutsche Bahninfrastruktur.
„Mit der Physik kann man nicht verhandeln und auch keine Kompromisse schließen“, erklärte Mojib Latif zu Beginn seiner Ausführungen im Hinblick auf den Klimawandel und seine Ursachen. Die Krux mit dem CO2 sei seine unglaubliche Langlebigkeit, die dazu führe, dass es völlig irrelevant sei, wo es ausgestoßen wird. So emittierten die G20-Staaten zusammen etwa 80 % des weltweiten CO2. „Wenn die sich auf Maßnahmen einigen würden“, so Latif, „dann hätten wir schon viel erreicht. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Schon im Jahr 1896 seien Berechnungen durchgeführt worden, wie sich die Erdtemperatur verändert, wenn sich der Gehalt an CO2 in der Luft nach oben bewegen sollte. „Wir wissen also seit über 100 Jahren, was Sache ist“, so Latif weiter, „mehr CO2 in der Luft muss einfach zu einer Erwärmung führen.“ Eine Ursache für die fehlende Umsetzung machte er in der Abstraktheit des Problems aus, da die Sinne des Menschen nicht dafür geeignet seien, die Veränderungen in der Atmosphäre zu spüren.
Neben Hitzewellen, Dürren, Waldbränden und Starkregenereignissen stelle vor allem der Meeresspiegelanstieg eine Bedrohung für den Norden dar. Als Beispiel nannte Latif dafür die Ostseesturmflut des vergangenen Jahres, die ohne den bisherigen Meeresspiegelanstieg in Folge des Klimawandels nicht zu historischen Pegelhöchstständen geführt hätte.
Um eine weitere Erwärmung zu vermeiden, sprach der Wissenschaftler sich für die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien aus und hob hier Deutschlands besondere Rolle hervor: „Wir haben die erneuerbaren Energien zusammen mit einigen anderen Ländern bezahlbar gemacht. Hätten wir damit nicht angefangen, wären die Technologien heute nicht so weit, und die Chinesen würden nicht Weltmeister bei den erneuerbaren Energien sein“. Das zeige, dass ein kleines Land wie Deutschland, das das Klima allein nicht retten könne, gleichwohl die Technologien entwickeln und damit einen globalen Impakt haben könne. Zur Erreichung der Ziele müsse man versuchen, die Wirtschaft mit der Umwelt zu versöhnen: „Ich glaube, dass wir mit Moralisieren nicht weiterkommen. Wir Menschen tun nur etwas, wenn es Anreize gibt, wenn wir davon profitieren“, erklärte Latif.
Seinen Vortrag schloss Mojib Latif mit einem Zitat von Walter Scheel als Hinweis an die Politik. Dieser sagte bei seiner Ernennung zum Vizekanzler im Oktober 1969: „Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.“
Matthias Grabe erläuterte im Anschluss sowohl die Auswirkungen des Klimawandels auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn AG als auch das Vorgehen des Konzerns, um seinen eigenen CO2-Ausstoß zu senken. Er gab zu, dass die Infrastruktur bei Hitze, Starkregen und Sturm sehr „wetterfühlig“ sei, was im Wesentlichen damit zu tun habe, dass man mit diesen Extremen nicht eingespielt sei.
So seien bei Hitze Gleisverformungen nichts Ungewöhnliches. Diese bekomme man durch Wasserkühlung oder Anstreichen mit weißer Farbe als Sofortmaßnahmen an den betroffenen Stellen relativ gut in den Griff. Nach vorne blickend setze man auf Fahrsysteme, die besser gebettet und gehalten sind. Nach Starkregenereignissen schaffe man es oft noch nicht, das Wasser schnell genug abzuleiten. Erschwert würde das auch dadurch, dass auch immer mit denjenigen gesprochen werden müsse, die rechts und links der Gleise von der Hochwassersicherung betroffen sind. Den Schutz der Oberleitungen vor umstürzenden Bäumen bei Stürmen müsse man dringend mit in die Planung integrieren: „Jedes Windrad wird heute so geplant und gebaut, dass es nicht auf Straßen oder Häuser stürzen kann. So müssen wir auch denken, was die Bahnstrecken betrifft und dafür Sorge tragen, dass keine Bäume auf die Strecke fallen können“, so Matthias Grabe.
Um CO2 einzusparen, arbeite man mit einem CO2-Index, der jedem Einzelelement, bspw. eines Gebäudes, per CO2-Code zugewiesen werde. So könne man schon bei der Planung sehen, an welcher Stelle CO2-freundlicher gebaut werden könne. Außerdem sei man dabei, einen Beton herzustellen, der 30 % weniger Zement brauche und entsprechend weniger CO2 freisetze.
Abschließend plädierte Grabe dafür, sich zu vergegenwärtigen, dass bei allem, was getan werde, immer die Umwelt, die Wirtschaft sowie die menschliche soziale Sicherheit mitwirkten, die immer in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssten.