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Bericht
01.12.2022
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Nachfolgersuche zu oft ohne Strategie und Vorbereitungszeit

Sektion Ostholstein-Plön diskutiert über Herausforderung bei Betriebsübergabe – Riesenwelle kommt auf das Land zu – Immer weniger wollen eigener Chef werden
©AdobeStock

PREETZ-DAMMDORF Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: In den nächsten zehn Jahren werden in Schleswig-Holstein mehr als die Hälfte aller Unternehmen einen Nachfolger suchen. Über 500.000 Arbeitsplätze sind davon betroffen, von denen 55 Prozent vor einer ungewissen Zukunft stehen, weil die Frage der Weiterführung der Firma bisher nicht geregelt ist. Was bedeutet das für die Wirtschaft im Land und was ist zu tun? Die Sektion Plön-Ostholstein des Wirtschaftsrates der CDU e.V. lud zur Diskussion über diese Frage Dipl.-Volkswirt Hartmut Winkelmann, Geschäftsführer der HWB Unternehmerberatung GmbH Kiel, nach Preetz-Dammdorf ein.

 

Älteste Unternehmerstruktur bundesweit

Winkelmann beschäftigt sich seit drei Jahrzenten mit der Frage, wie Firmen in die nächste Familiengeneration oder an neue Eigentümer überführt werden können. Sein Unternehmen - die HWB Gruppe mit Sitz in Kiel - hat im Jahr 2014 und kürzlich eine Studie zur Situation von Firmen in Schleswig-Holstein und Hamburg mit einem Jahresumsatz zwischen 1 und 250 Millionen Euro untersucht, bei denen die Eigentümerschaft das Alter von 64 Jahren überschreitet. Schleswig-Holstein habe aktuell die älteste Unternehmerstruktur in der gesamten Bundesrepublik.

 

Sektionssprecher Karsten Kahlke machte in seiner Anmoderation deutlich, was auf viele Firmen zutrifft: „Die Unternehmer schieben die Nachfolgefrage vor sich her. Man kann es sogar verstehen, denn es geht um das Beenden des Lebenswerkes mit Wirkung auf die Familie und das Vermögen.“ Um so mehr sei es erforderlich, dass diese Zukunftsfrage, die für die Wertschöpfung im Land wichtig ist, strategisch angegangen werde.

 

Nur 4 von 10 Firmen bleiben in der Familie

Winkelmann begann seine Darstellungen mit einem volkswirtschaftlichen Gesamtüberblick. Insgesamt müsse man sich darauf einstellen, dass pro Jahr bis zu 400.000 Arbeitskräfte verloren gehen, d.h. bis 2040 wird sich die Zahl der Fachkräfte von 45 auf dann 37 Millionen reduzieren. Parallel zu dieser Entwicklung nehme die Zahl der anstehenden Unternehmensübergänge zu. „Wir werden in den nächsten Jahren einen noch stärkeren Druck auf die Nachfolgefrage haben“, so Winkelmann, zumal bereits heute etwa nur noch 40 Prozent der Firmen an die eigenen Kinder übergeben wird. „Wir haben einen Arbeitnehmermarkt, niemand muss mehr ein Risiko eingehen und kann stattdessen das sichere Gehalt nehmen.“ Hinzu komme, dass das Unternehmerbild in der Gesellschaft alles andere als attraktiv ist. „Wer Krimis im TV schaut, der wird feststellen, dass Unternehmer überwiegend als Täter oder als hochgradig unmoralisch dargestellt werden. Dabei machen 99,9 Prozent aller Firmeninhaber einen absolut seriösen Job.“

 

Langfristige Herangehensweise sinnvoll

Mit Blick auf die Regelung der Unternehmensnachfolge machte Winkelmann deutlich, dass zu selten mit Weitblick und Strategie agiert werde.  Zwei bis drei Jahre Vorbereitungszeit seien ideal. Bei einer guten Nachfolgeregelung würden frühzeitig Fragen der Personal- und Altersstruktur gestellt, ebenso wie beispielsweise die Fragen der Marktperspektiven oder der Digitalisierungsgrades. Winkelmann: „Aktuell stellen wir fest, dass die Preise, die für Unternehmen gezahlt werden, sinken. Die Schließungsquote ist auf 15 Prozent angestiegen.“

Im Normalfall dauere ein konkreter Nachfolgeprozess 9 bis 15 Monate und beginne mit der Fragestellung, welches Ziel der Verkäufer verfolgt. „Unsere Aufgabe ist dann, Wünsche und Realitäten abzugleichen und mit Hilfe unserer Kenntnisse und Datenbanken erste Einschätzungen zu geben.“ Weitere Schritte seien die Analyse der Strukturdaten des Unternehmens, der Markt- und der Personalsituation. Die Kosten für die Begleitung einer Nachfolgeregelung seien kalkulierbar, würden sich aus einem Grundbetrag und Provision zusammensetzen und sind zwischen den beteiligten Partner frei verhandelbar. Winkelmann machte deutlich, dass es bei dem Nachfolge-Prozess wichtig ist, sich Experten zu holen, für die dieses Thema Alltag ist. „Manch Übergang hat am Ende einen halben Meter Vertragsunterlagen“, so Winkelmann. Das zeige die Komplexität einer Betriebsübergabe

 

Unternehmertum attraktiver darstellen

In der sich anschließenden intensiven Diskussion wurde deutlich, dass eine zentrale Aufgabe darin besteht, die Attraktivität des Unternehmerdaseins stärker an die nächsten Generationen zu transportieren. Das müsse bereits in der Schule beginnen und sich im Studium fortsetzen. Ebenso sollten ehrenamtliche Angebotewie die Mentoren für Unternehmen in Schleswig-Holstein e.V., die es landesweit zur Beratung bei Unternehmensübergangsfragen gibt, bekannter gemacht werden. Zudem sei es die Aufgabe der Politik, die Förderbedingungen für Unternehmensübergänge regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen, um interessierten jungen Menschen die Finanzierung und den Kauf eines bestehenden Unternehmens zu erleichtern und so dafür sorgen, dass Unternehmensfortführungen öfter und leichter möglich werden.