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Bericht
23.10.2018
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Norwegen, der unterschätzte Wirtschaftspartner

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Deutschland ist für Norwegen einer der beiden wichtigsten Handelspartner, fast 700 norwegische Unternehmen sind aktuell in Deutschland tätig, und der norwegische Pensionsfonds ist mit 4,1 Prozent größter DAX-Investor. „In Schleswig-Holstein wird das Potential Norwegens als Partner jedoch noch zu wenig beachtet“, sagt der Norweger Kai-Axel Aanderud, Managing Owner der deutsch-norwegischen Kommunikationsagentur aanderud media consulting, der auf Einladung der Sektion Schleswig/Flensburg ins Hotel Wassersleben nach Harrislee gekommen war.
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Die norwegisch-deutschen Beziehungen stünden auf einem breiten, vertrauensvollen Fundament, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck gekommen sei, daß Bundeskanzlerin Angela Merkel die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg 2017 zur Teilnahme am G20-Gipfel nach Hamburg eingeladen habe, so Aanderud. Auch die bilateralen Wirtschafts-beziehungen entwickelten sich sehr positiv. So halte der norwegische Pensionsfonds heute Anteile an 219 deutschen Unternehmen. Seit 1977 decke Norwegen ein Drittel des deutschen Erdgasbedarfs, norwegisches Aluminium sei für die deutsche Autoproduktion von heraus-ragender Bedeutung, und über das bei Büsum an Land kommende Hochspannungskabel „NordLink“ werde Norwegen von 2020 an grünen Strom nach Deutschland liefern.

Aanderud skizzierte ferner die von Norwegen geplanten Aktivitäten in Deutschland. Mit der Eröffnung eines Büros in „Silicon Schwabing“ setze die norwegische Wirtschaftsförderung auf eine verstärkte Kooperation bei Zukunftsthemen wie Industrie 4.0 und künstlicher Intelligenz in der Prozeßindustrie, und auch auf dem Feld der Kreativwirtschaft starte das Königreich 2019 eine Offensive: So werde Norwegen „Country in Focus“ der Internationalen Filmfestspiele in Berlin, Partnerland des Jazzfestivals „Jazz - ahead“ in Bremen und Ehrengast der Buchmesse in Frankfurt sein. Auch mit Schleswig-Holstein gebe es viele Berührungspunkte, führte Aanderud aus und nannte beispielhaft die 2014 von Siem übernommene Flensburger Werft Yaras, die in diesem Jahr fertiggestellte weltweit größte Ad-Blue-Anlage in Brunsbüttel und die milliardenschwere Kooperation beim Bau sechs baugleicher U-Boote für die deutsche und norwegische Marine bei ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel.

Im Tourismus setze Schleswig-Holstein dagegen andere Akzente, obwohl das Potential längst nicht ausgeschöpft sei: „Für das Auslandsmarketing hat die TA.SH die Märkte Österreich, Schweiz und Dänemark festgelegt, in Norwegen wird die Tourismusförderung dagegen auch 2019 keine Maßnahmen umsetzen“, wundert sich Aanderud mit Blick auf die in Kiel mit Color Line und Stena Line buchstäblich vor die Haustür gefahrenen Norweger und Schweden. Aanderud erneuerte seinen bereits im Januar 2015 im Rahmen des Flensburger „Stadtdialogs“ vorgetragenen Appell, vor allem den Kontakt zu den Wirtschaftsverbänden Südwestnorwegens zu suchen und zu pflegen. Entlang der norwegischen E39 lägen diverse innovative Städte und Regionen, die allesamt großes Interesse an einer Intensivierung der Kontakte nach Norddeutschland hätten, so Aanderud.

 

Doch um als Gesprächspartner wahrgenommen zu werden, müsse man sich zunächst
bekannt machen. Viele Institutionen in Schleswig-Holstein verfügten noch nicht einmal über einen englischsprachigen Webauftritt, wundert sich Aanderud und fügt hinzu: „Kontinuität ist wichtiger als Feuerwerk.“ Sein Rat: beharrliche Marktbearbeitung und Kontaktpflege. „Schleswig-Holstein sollte seine Stärken in Norwegen bekannter machen.“

Mit seinem Appell rannte Aanderud bei dem Sektionssprecher Hauke Präger offene Türen ein: „In der Tat spielt Norwegen bisher eine untergeordnete Rolle in der Wirtschaftsförderung. Nicht nur deshalb werden wir weiter am Ball bleiben, wenn es um die Umsetzung des von der Kieler Landesregierung im Koalitionsvertrag vorgesehenen Kompetenzzentrums für Ansiedlungen aus Skandinavien geht.“ Bereits vor einem Jahr sei die Podiumsdiskussion der Sektion zu diesem Thema ein guter Akzent gewesen. Präger kündigte an: „Wir werden dafür sorgen, daß diese Sache, die uns als Region weiterbringen wird, nachhaltig angegangen wird und nicht versickert.“ Es müsse nun darum gehen, die Entscheidungsträger für ein Ja zur Ansiedlung des Zentrums in der Region Flensburg zu gewinnen. / Holger Hartwig