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Bericht
27.06.2018
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Qualitätsfragen entscheidend für die Zukunft gebührenfinanzierter Medien

Haben die gebührenfinanzierten Medien in Deutschland noch eine Existenzberechtigung? Wie steht es um die Qualität des Journalismus? Diese beiden Fragen standen im Mittelpunkt einer lebhaften Podiumsdiskussion der Sektion Kiel Ende Juni im Kieler Hotel Steigenberger Conti Hansa.
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Moderator Dr. Bertram Zitscher, Landesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates Schleswig-Holstein, stellte zu Beginn die These auf, daß ARD und ZDF mit ihren vielfältigen Fernseh-, Rundfunk- und Digitalangeboten „ihrem primären Auftrag der hochwertigen Informations-versorgung zur Stärkung der freien Meinungsbildung im Interesse von Demokratie und Vielfalt immer weniger gerecht werden“. Informationsinhalte seien immer mehr durch Unterhaltung zurückgedrängt worden. Es habe eine schleichende Anpassung an das inhaltliche Angebot der privaten Medien gegeben. Passend zur Überschrift „Innovationsfähigkeit unserer öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten“ stellte er die Frage: „Sollten ARD und ZDF die Unterhaltungsinhalte radikal reduzieren und sich nur noch auf qualitativ hochwerte Informationen konzentrieren?“ Zudem könnte dann nach Prüfung eine Senkung der GEZ-Gebühren erfolgen, „damit dann mit diesem Geld jeder die Angebote auf dem freien Markt abonnieren kann, die ihm gefallen“.

Dr. Zitscher lieferte mit seinen Gedanken eine Steilvorlage für Dr. Christoph Degenhardt. Der Professor für Staats-, Verwaltungs- und Medienrecht an der Universität Leipzig unterstrich die Auffassung, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Aufgabe der Informations- und nicht der Unterhaltungsversorgung hat. „Aber wo ist die Grenze: Ist eine Talkshow oder eine Sportübertragung Information oder Unterhaltung?“, fragte Dr. Degenhardt in seinem Vortrag unter der Überschrift „Abschied von der medialen Rundum-Versorgung?“. Heute spreche man nicht mehr von einer Grundversorgung, sondern „struktureller Diversifikation“. Damit sei gemeint, daß quotenunabhängiges Kontrastprogramm zu privaten Anbietern gewährleistet werden soll. Dazu gebe es einige radikale Reformansätze, die auf den Grundsatz der Subsidiarität setzen. Dabei gehe es auch um die Frage, ob die Gebühren und in welcher Höhe noch zu verantworten seien. Hinzu komme die Problematik, daß das Publikum, das die Angebote von ARD und ZDF nutzt, immer älter werde. „Die Gewohnheiten der jungen Menschen gehen in ganz andere Richtungen. Und sie stellen sich die Frage: Warum soll ich neben der Rente von Opa auch noch Opas Fernsehen bezahlen?“

Für Dr. Degenhardt kommt es darauf an, daß die gebührenfinanzierten Anbieter „sich in Zeiten der Überflutung mit Informationen als Insel der Glaubwürdigkeit behaupten, und deshalb kann die Frage nach der Zukunft nicht ohne die Frage nach der Qualität der Inhalte gesehen werden.“ Mit Spannung erwarte er deshalb die weiteren Entscheidungen über Beschwerden zur Gebührenpflicht durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Bevor Anke Schwitzer, Mitglied im NDR-Rundfunkrat, berichtete, wie die Qualitätsanforde-rungen und Beschwerdemanagement beim NDR aufgestellt sind, ging Dr. Jörn Radtke, Professor im Fachbereich Medien an der Fachhochschule in Kiel, auf die Frage ein, wie Recherche und Glaubwürdigkeit die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellen können. Zunächst erläuterte er die Grundprinzipien und Funktionsweisen des Journalismus aus wissenschaftlicher Sicht. Dabei machte er deutlich, daß jedem Medienkonsumenten klar sein müsse, daß „Journalismus sich nur an der Objektivität orientieren könne, weil er aus der Vielzahl der vorliegenden Informationen selektieren muß und natürlich dabei auch persönliche Haltungen und Positionen eine Rolle spielen“. Seiner Ansicht nach befinde sich der Journalismus in Zeiten der digitalen Informationsflut in einer Glaubwürdigkeitskrise. Es sei deshalb für den Journalismus wichtig, sich wieder verstärkt auf die zentralen Grundregeln, z.B. fundierte Recherche und Trennung von Bericht und Meinung, zu konzentrieren. Dr. Radtke: „Die Glaubwürdigkeit ist der Schlüssel zum Ganzen. Journalisten sollten mehr Einblicke in ihre Arbeit, ihre Arbeitsprozesse und ihre Entscheidungen bringen, weniger selbstherrlich und dafür mehr kritikfähig sein.“ Für einen guten Journalisten müsse es selbstverständlich sein, dass er Beschwerden ernstnehme und mehr Transparenz schaffe.

Bei der sich anschließende Diskussion mit den Gästen des Abends wurde deutlich, daß mit Blick auf die weitere Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mehr Qualität in der Informationsversorgung gewünscht wird. Unterhaltungsinhalte sollten deutlich reduziert werden. Auch gelte es, die Strukturen der Funkhäuser kritisch mit dem Ziel zu hinterfragen, perspektivisch mehr Geld für Qualitätsjournalismus zur Verfügung zu stellen./Holger Hartwig