Expertise des Jungen Wirtschaftsrates gefragt
Stellungnahme des Jungen Wirtschaftsrates zum Antrag im Landtag, den Gründergeist in Schleswig-Holstein zu stärken
Nach der Auffassung des Jungen Wirtschaftsrates in Schleswig-Holstein, liegt in einer gesellschaftlichen Förderung des Gründergeistes ein Schlüssel für ein verstärktes Unternehmertum im Land sowie eine in der Folge verbesserte wirtschaftliche Entwicklung. Insofern ist eine durch den Antrag gestärkte Initiative sehr zu begrüßen, wobei die vorgeschlagenen Maßnahmen kritisch überprüft werden sollten. Gerne tragen wir durch unsere unternehmerischen Erfahrungen dazu bei. Nachfolgend werden die im Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen kurz kommentiert. Generell ist anzumerken, daß eine Förderung des Gründergeistes an den Schulen noch viel wichtiger erscheint als an den Hochschulen.
Gründungssemester an den Hochschulen
Die Möglichkeit, ein Gründungssemester zu beantragen, kann sinnvoll sein, wenn mangelnde Studienleistungen oder eine Zwangsexmatrikulation drohen oder der an die Regelstudienzeit geknüpfte BaföG-Empfang ansonsten eingeschränkt wird. Allerdings ist zu beachten, daß Studenten häufig nebenbei arbeiten, bereits Kinder erziehen oder Eltern pflegen müssen. Insofern sollte die zeitliche Flexibilität zur Erbringung von Studienleistungen generell nicht zu sehr eingeschränkt sein. Erfahrungsgemäß sind Gründungsvorhaben nicht in einem Semester zu verwirklichen. Zudem erfordert eine erfolgreiche Gründung anschließend häufig ein großes Engagement des Gründers, was eine Wiederaufnahme des Studiums in Frage stellen kann. Das Instrument sollte deshalb nicht überschätzt werden, sondern es ist darauf zu achten, daß das Verfahren für den Antragssteller und die Hochschule unbürokratisch abläuft. Eine geforderte Offenlegung eines „Business-Plans“ gegenüber Dritten, wie an der Universität Bayreuth, dürfte bei Startups, also innovativen Gründungen mit hohem Wachstumspotential, regelmäßig nicht unkritisch sein. Eine Beurteilung von Business-Plänen gehört nicht zu den Kompetenzen von Hochschulen.
Standard-Lizenz-Verträge für Ausgründungen
Ausgründungen aus Universitäten betreffen in der Regel nicht Studenten, sondern das wissenschaftliche Personal. Aufgrund der vielfältigen rechtlichen Hürden sind solche Anliegen nicht einfach zu gewähren. Standard-Lizenzverträge wären sehr wünschenswert, ohne gründliche Änderungen der teilweise bundesrechtlichen Rahmenbedingungen dürften sie jedoch nur eingeschränkt wirksam sein.
Einrichtung einer studentischen Gründungsgesellschaft
Die Gründung einer Personengesellschaft kann relativ einfach sein, für eine Kapitalgesellschaft hat der Gesetzgeber im Jahr 2008 alternativ die Gründung einer Unternehmergesellschaft (UG) ermöglicht, die sowohl die Haftung als auch die minimale Stammeinlage auf einen Euro begrenzt hat. Wer diese Hürde nicht nehmen kann, der wird kein Unternehmen, sondern bleibt besser Student. Inwieweit eine temporäre Befreiung von der Gewerbesteuer rechtlich möglich ist, wäre zu prüfen, allerdings sollte auch dieser Aspekt nicht überschätzt werden, denn Gewerbesteuer fällt nur bei einem Gewinn an, der in Gründungsjahren eher selten ist bzw. durch Abschreibungen oder Gehaltszahlungen leicht minimiert werden kann.
Einrichtungen von Gründungszonen an Hochschulen
Eine Einrichtung von Gründungszonen an Hochschulen ist nicht neu und, wie im Antrag beschrieben, teilweise auch schon umgesetzt. Ein Erfahrungsaustausch zwischen Gründern ist sehr wichtig, ebenso der Austausch mit Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Investoren. Insbesondere letztere sind über öffentlich-rechtliche Strukturen nicht leicht zu attrahieren. Insofern wird empfohlen, das Betreiben von „Coworking-Spaces“ und „Techshops“ im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften zu organisieren beispielsweise im Zusammenwirken mit privaten „Accelerator“- „Inkubator“- oder „Venture Capital“-Gesellschaften. Dazu könnte es auch sinnvoll sein, mit mehreren Gründerzonen für verschiedene technische Bereiche bzw. Branchen zu arbeiten.
Entwicklung und Sicherung von Patenten durch Patentscouts
Die Unterstützung einer Sicherung und Klärung von Schutzrechten für Gründer im Zusammenwirken mit Hochschulen durch kompetente Fachleute ist durchaus sinnvoll, weil eine Hochschule solche Kompetenzen sonst kaum vorhalten kann und deshalb selten in der Lage ist, eine schnelle rechtliche Einigung zwischen Unternehmer und Forschungseinrichtung im Hinblick auf die Ansprüche an geistigem Eigentum herbeizuführen. Dieser Ansatz ist in Schleswig-Holstein allerdings bereits mit der „Patent- und Verwertungsagentur für die wissenschaftlichen Einrichtungen in Schleswig-Holstein GmbH“ seit dem Jahr 2002 umgesetzt.
Besondere Frauenförderung
Frauenförderung für Gründer ist sehr wünschenswert angesichts des jüngsten Befundes, daß nur 15,7 % von all denen, die in Deutschland ein Startup gegründet haben, laut „Female Founders Monitor 2020“ des „Bundesverbandes Deutsche Startups“ weiblich sind. Allerdings erscheint fraglich, welche Instrumente dafür zielführend erscheinen können und wie eine Umsetzung diskriminierungsfrei überhaupt möglich wäre. Deshalb erscheint es sinnvoll, diese Zielsetzung im Zusammenwirken mit etablierten Netzwerken von und für Unternehmerinnen oder mit einer entsprechenden Stiftung voranzutreiben. Entscheidend dürften allerdings die vorherigen Weichenstellungen in der Schule sein. Die Bedeutung des freien Unternehmertums in einer sozialen Marktwirtschaft in Verbindung mit dem notwendigen „Mindset“ für die Unternehmensgründer sollte für alle Schüler an den weiterführenden Schulen fächerübergreifend Pflicht werden. Das Unternehmertum wird in deutschen Schulbüchern leider immer noch sehr negativ vermittelt. Unternehmensplanspiele und anwendungstechnische Schülerwettbewerbe, die in ihrem Marketing auf die Präferenzen von Schülerinnen ein besonderes Augenmerk legen, erscheinen dafür gut geeignet.
Social Startups
Eine ausdrückliche Öffnung aller bestehenden Förder- und Unterstützungsprogramme für „sozialunternehmerische Geschäftsmodelle“ sollte strikt abgelehnt werden, jedenfalls wenn darunter das verstanden werden soll, was beim „Social Entrepreneur Netzwerk Deutschland e.V.“ darüber zu lesen ist: www.send-ev.de/uploads/social_entrepreneurs_effektiv_unterstuetzen.pdf
Das Gründen von Vereinen ist in Deutschland sehr ordentlich entwickelt und bietet alle Möglichkeiten, sozial ausgerichtete Unternehmungen zu fördern, wofür Gemeinnützigkeit steuerlich anerkannt werden kann. Ergänzend stehen zur Finanzierung Stiftungen, Spendenorganisationen und Crowdfunding-Plattformen zur Verfügung oder können gegründet werden. Diese stehen zueinander in einem innovativen Wettbewerb und können ohne betriebswirtschaftliche Kennzahlen nicht erfolgreich entwickelt werden. Das gilt besonders für Startups, die auf schnelles Wachstum setzen. Wenn Förderungen von Unternehmertum zugunsten von sozialpolitischen Projekten verwässert werden, gefährdet das die bestehenden Programme für Unternehmensgründungen, schon weil der schillernde Begriff „sozialunternehmerische Geschäftsmodelle“ bei den Programmverantwortlichen zu erheblichen Unsicherheiten bei der rechtssicheren Auslegung der Förderfähigkeit führen dürfte.
Wenn „Social Entrepreneurs“ ihre Erfolgserwartungen an gesellschaftlichen Wirkungen festmachen möchten, eröffnet das nicht nur Fragen nach den konkreten Erfolgsparametern sowie ihrer Messung, sondern auch wer bei einem Mißerfolg wie haftet. Unternehmen haften mit ihrem Eigen- und Fremdkapital, das ihnen nach hoffentlich entsprechend professionellen Risikoanalysen zur Verfügung gestellt worden ist. Dabei darf nicht übersehen werden, daß erfolgreiche soziale Projekte vor allem durch gesellschaftliche Anerkennung, aber auch durch zukünftige Gehaltsmöglichkeiten oder durch verkaufsförderndes Marketing von normalen Produkten motiviert sind oder sein können. Insofern sollte vor einer Befürwortung zusätzlicher Förderungen, die über Forschung, Ausbildung und Coaching hinausgehen, eine sehr gründliche Analyse vorgenommen werden, was unter den Begriffen „sozial-unternehmerische“ Geschäftsmodelle und „Social Startups“ genau zu verstehen sein soll. Die hierzu immer wieder als beispielhafte angeführte Gesellschaft „myboo“ ist keine gemeinnützige, sondern eine prinzipiell gewinnorientierte Kapitalgesellschaft, die öffentliche Förderungen in Anspruch nehmen konnte und für ihr sozialpolitisches Engagement bereits vielfach öffentlich ausgezeichnet worden ist.
Die Gründung einer „Akademie für Social Entrepreneurship“ an der Christian-Albrechts-Universität, die nicht nur Studierenden, sondern allen offensteht, zeigt, daß der Staat Projekte initiieren und finanzieren kann. Politik und Verwaltung des Kieler Rathauses haben es „maßgeblich mit ins Rollen gebracht“ und fördern diese ebenso wie die Landesregierung und die Europäische Union finanziell. Die Würdigung der erfolgreichen Initiative durch den Preis des „Stiftungsverbandes der Deutschen Wissenschaft“ zeigt beispielhaft, wie innovative Projekte durch Stiftungen positiv gewürdigt werden können.
Wenn man gemeinnützige Vereine oder anerkannt gemeinnützige Kapitalgesellschaften verstärkt fördern möchte, sollte man das in der dafür bisher vorgesehenen Förderlandschaft durch spezielle Programme entwickeln und nicht auf Kosten der Programme für Unternehmensgründungen oder Wirtschaftsunternehmen. Ohne Gewinne keine Investitionen, und ohne Investitionen kein Wachstum! Insofern erscheint der Begriff „Social Startups“ durchaus widersprüchlich.
Landeskonzept Entrepreneurship Education mit Universitäten verknüpfen
Das „Landeskonzept Entrepreneurship Education“ ist ein wichtiger Ansatz, um frühzeitig Weichenstellungen vorzunehmen und zukünftig verstärkt auch Unternehmerinnen zu fördern. Eine Vernetzung mit den Hochschulen ist sicherlich nicht verkehrt, viel wichtiger wäre bei diesem Thema aber eine Zusammenarbeit mit Unternehmern und Unternehmen aus der privaten Wirtschaft. Ohne Markt- und Anwendungsbezug kein Unternehmertum!
Verstärkte Gründungsberatung für Berufstätige
Für Gründungsberatungen gibt es bereits vielfältige Angebote sowohl aus der privaten Wirtschaft als auch auf der Grundlage staatlich finanzierter Programme sowie von gemeinnützigen Vereinen wie den „Mentoren für Unternehmen in Schleswig-Holstein e.V.“.
Fazit
Der gemeinsame Antrag der drei Regierungsfraktionen in Schleswig-Holstein weist grundsätzlich in die richtige Richtung, bietet allerdings nicht nur zielführende Ideen. Insbesondere der Passus zur Förderung von „Social Startups“ sollte so nicht verabschiedet werden, sondern zunächst genauer klären, welche Unternehmenstypen, die von den bestehenden Förderprogrammen für Unternehmensgründungen bisher rechtlich ausgenommen sind, zukünftig wie berücksichtigt werden sollen. Ansonsten besteht die Gefahr, daß der Staat seine Programme zur Förderung von Unternehmen nach vollkommen sachfremden, gesellschaftspolitischen Kriterien entscheiden kann. Damit würde das klassische Unternehmen seine Privilegien teilweise an andersartige, sozialpolitische Projekte verlieren. Noch gravierender erscheint die Ablenkung der Anreize für den unternehmerischen Nachwuchs im Land, die vermehrt für solche sozialpolitisch motivierten Projekte belohnt werden. Nicht gewinnorientierte Unternehmen sind jedoch selten nachhaltig, weil sie nicht aus Eigenmitteln in ihr Wachstum investieren können und deshalb auf permanente Zuwendungen von Dritten angewiesen bleiben.
Es kann für sozial motivierte Unternehmer eine gute Idee sein, Gewinne für gute Zwecke zu stiften, und es kann für Unternehmen eine gute Idee sein, Gutes zu tun und darüber zu sprechen, und es kann für engagierte Bürger eine gute Idee sei, einen Verein oder ein Unternehmen zu gründen, welche bei der Umsetzung einer sozialen Idee nützlich sind, aber es ist bestimmt keine gute Idee, den öffentlichkeitswirksamen Förderfokus des Landes für die Wirtschaft zukünftig stärker auf die Gründung und Entwicklung von sozialpolitischen Transfergesellschaften auszurichten. Jedenfalls hat dies nichts zu tun mit den eingangs im Antrag formulierten Arbeitsplätzen durch Innovationen im Wettbewerb von Geschäftsmodellen für einen wirtschaftlichen Strukturwandel, sondern es schafft vielmehr Räume für politische Geschäftsmodelle und eine politisierte Wirtschaftsentwicklung, und es verringert die Wahrscheinlichkeit, daß mit einem solchen Gründergeist echte Startups - mit schnell wachsender, internationaler Wertschöpfung - in Schleswig-Holstein wirksam unterstützt werden.
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Wir danken sehr für die Möglichkeit einer Stellungnahme!