„Wir werden bei den Kitas nicht sparen“
Frauen, die nach der Geburt wieder ins Berufsleben einsteigen wollen, stehen vor einigen Herausforderungen. Eine der drängendsten Schwierigkeiten ist die Organisation der Kinderbetreuung. Grund genug für die Sprecherin der Sektion Segeberg Veronika Podzins, Aminata Touré zu diesem Thema zu befragen. Sie ist seit der Landtagswahl 2022 Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung Schleswig-Holsteins.
Touré schilderte zuerst den Status Quo: Der Fachkräftemangel wirke sich auch auf die sozialen Berufe aus, zum Beispiel in den Kitas. Für Schleswig-Holstein sei bis 2025 eine Fachkräftelücke von mindestens 180.000 Menschen prognostiziert. Durch die unzuverlässige Betreuungssituation arbeiteten viele Frauen nur in Teilzeit, obwohl sie durchaus bereit seien, in Vollzeit zu arbeiten. Wie schaffen wir es also, dass sich Mütter in Zukunft auf die Kinderbetreuung in den Kitas verlassen können?
Zum einen verwies Touré auf den Ausbau der Kita-Kapazitäten. Und vor dem Hintergrund der Diskussion über Sparmaßnahmen im Haushalt bekräftigte sie: „Wir werden bei den Kitas nicht sparen.“ Zum anderen sieht sie Geflüchtete als Teil der Lösung. Durch die frühe Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt könne die verlässliche Kinderbetreuung besser gewährleistet werden. Dafür, so die Ministerin, sei es notwendig, dass ausländische Bildungsabschlüsse schneller und öfter anerkannt werden. Außerdem sollten Quereinstiege leichter gemacht werden.
Deshalb habe das Ministerium ein Pilotprojekt gestartet, in dem an sieben Standorten Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen bereits innerhalb von 120 Tagen in Arbeit vermittelt werden können. Durch Erstorientierungs- und Sprachkurse sowie Beratungen solle den Geflüchteten der Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert werden.
Ein weiterer Hebel sei die gesellschaftliche Diskussion darüber, wie Sorgearbeit innerhalb von Familien aufgeteilt wird, damit nicht nur die Mütter die Care-Arbeit übernehmen und dafür im Beruf zurückstecken müssen.
Touré kritisiert die defizitorientierte Diskussionskultur über Migration in Deutschland. Viele Menschen wollten nach Deutschland kommen, um hier zu arbeiten. Durch die nur schwer zu durchdringenden Strukturen in der Bürokratie werde es ihnen aber häufig unnötig schwer gemacht. Außerdem trügen auch Diskriminierungserfahrungen dazu bei, dass sich hochqualifizierte Fachkräfte von Deutschland abwenden und in andere Länder abwanderten. Deshalb arbeite sie an beschleunigten Abläufen in den Behörden und an vereinfachten Verfahren. Nicht zu vernachlässigen sie zudem die Sprachbarriere, die Deutschland gegenüber englischsprachigen Ländern benachteilige, denn: „Es ist kein Joke, Deutsch zu lernen.“
In Bezug auf Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bekräftigte Touré, dass in Zukunft auch ihrerseits mehr Flexibilität erforderlich sei, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer ihre Verpflichtungen im Job besser mit ihrer familiären Situation in Einklang bringen können. Damit es für Frauen auch finanziell mehr Vorteile bringt, wieder in Vollzeit in den Beruf einzusteigen, forderte Touré eine gerechtere Besteuerung von Ehepaaren.
In der anschließenden Diskussion betonten viele Mitglieder die Problematik der Sprachbarriere mit ausländischen Mitarbeitern: Gerade in Bezug auf Sicherheitshinweise sei es wichtig, dass Arbeiterinnen und Arbeiter diese verstünden. Im Allgemeinen wünschten sich die Mitglieder mehr Frauen in ihren Betrieben und arbeiteten daran, die Arbeitsbedingungen möglichst flexibel zu gestalten. Das Problem sei aber ein gesamtgesellschaftliches, das wir als Gesellschaft breit diskutieren müssten, um Lösungen zu finden.
Die Veranstaltung fand auf freundliche Einladung der Strabag AG Direktion Nord in Bornhöved statt.