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Pressemitteilung 27.01.2019
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Wirtschaftsrat fordert Offenhalten des Wettbewerbs durch Medizinische Versorgungszentren

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) leisten schon jetzt einen erheblichen Beitrag zur ambulanten Versorgung der Bevölkerung. Mit dem geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) soll deren Gründung und Betrieb nun erheblich eingeschränkt werden. Angesichts der laufenden politischen Meinungsbildung sowie der Einlassungen dazu im Bundesrat – auch aus Schleswig-Holstein – warnt der Wirtschaftsrat, Landesverband Schleswig-Holstein, eindringlich davor.

 
Dazu der Landesvorsitzende, Dr. Christian von Boetticher: „Gerade ein Flächenland wie Schleswig-Holstein braucht jetzt Investitionen und Innovationen in die zukünftigen Strukturen ärztlicher und zahnärztlicher Versorgung, wenn wir die Herausforderung durch die demographische Entwicklung bei den veränderten Wünschen unseres medizinischen  Nachwuchses meistern möchten.“ Über Freiberuflichkeit lasse sich die Versorgung in Schleswig-Holstein schon jetzt offenbar nur noch schwierig aufrechterhalten, wenn – wie in Büsum – ländliche Gemeinden als Praxisbetreiber einspringen müssen. Ob es einem gefalle oder nicht, das Unternehmertum als Niederlassung entspreche aktuell nicht den Lebensmodellen eines beachtlichen Teils junger Mediziner. Der Vorsitzende der Landesfachkommission Gesundheitswirtschaft des Wirtschaftsrates der CDU e.V. in Schleswig-Holstein, Florian Friedel, stellt dazu fest: „Medizinische Versorgungszentren werden als attraktive, familienfreundliche Arbeitgeber vor allem von jungen Zahnärztinnen und Ärztinnen bevorzugt. Wir können es uns in Schleswig-Holstein gar nicht erlauben, aus berufsständischem Denken heraus attraktive Versorgungsformen vom Markt zu nehmen. Wichtig ist doch, daß die Menschen überall ärztlich und zahnärztlich gut versorgt werden“. Anstelle vermehrter kommunaler Notlösungen brauche Deutschland jetzt echten Unternehmergeist, um die Produktivitätsgewinne ärztlicher Verbünde im Zuge der neuen digitalen Möglichkeiten entwickeln zu können, so von Boetticher weiter. Wenn wir diesen jetzt den Zugang zu auch internationalen Kapitalgebern zuschlagen, schwächen wir nicht nur die Möglichkeiten unserer eigenen medizinischen Versorgung, sondern nehmen unseren innovativen Unternehmen zugleich die Chance, in Deutschland Lösungen für den weltweit im Zuge der Digitalisierung anstehenden Strukturwandel bei der ärztlichen Versorgung zu entwickeln.

Der Wirtschaftsrat hat Verständnis für die Position vieler niedergelassener Ärzte, neue Wettbewerber von ihrem Markt fernzuhalten, warnt aber die politischen Entscheidungsträger eindringlich davor, sich dieser Position anzuschließen. „Wenn unsere Landesregierung meint, die Freiberuflichkeit so zu schützen, übersieht sie, daß gerade durch die Betreibervielfalt die ohnehin schon schwierige Nachfolge vieler Praxen erst gesichichert wird.  Denn nur bei entsprechender Nachfrage können viele der niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte erst einen angemessenen Kaufpreis für ihre Praxis erlösen und damit auch ihre Altersversorgung sichern. Und nur dann werden sie auch bereit sein, bis zur Nachfolge in ihre Praxen zu investieren. „Andernfalls könnte der ganze Sektor seine Modernisierung verpassen“, warnt der Landesvorsitzende. Gerade die jungen, mittelständischen, hochinnovativen ärztlichen Verbünde sind aufgrund starker Wachstumschancen natürlich besonders auf einen ungehinderten Zugang zum Kapitalmarkt angewiesen.

Um etwaigen „Monopolisierungstendenzen“ zu begegnen, hat Deutschland ein bewährtes Wettbewerbsrecht, eine Monopolkommission und ein Bundeskartellamt, die bei einer drohenden marktbeherrschenden Stellung Aufkäufe untersagen können. Dazu von Boetticher: „Es ist schwer zu verstehen, warum die Wettbewerbsaufsicht im ärztlichen Bereich zukünftig durch Spezialgesetze geregelt werden soll. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben wichtige Aufgaben, aber keine Kompetenzen, Kartelle und Fusionen zu regeln. Sie sollten deshalb auch kein Einzugsrecht für Arztsitze erhalten, die im Markt die entscheidende Geschäftsgrundlage für Investitionen in Praxisausstattung und Personal sind.

Anstelle von angeblichen Monopolen haben wir derzeit vielmehr eine maximal partikularisierte Marktstruktur ärztlicher Einzelpraxen, die sich ständig wachsenden Anforderungen an Hygiene-, Compliance- und anderen Qualitätsstandards gegenübersieht. „Die wachsende Bürokratie und Qualitätsstandards für medizinische Leistungen sind für Kleinstunternehmen zunehmend schwieriger zu bewältigen. Wenn wir diese Standards trotzdem wollen, müssen wir auch andere Betriebsgrößen zulassen, in denen die Ärzte sich dann tatsächlich wieder auf ihre ärztliche Tätigkeit konzentrieren können. Das jetzt abzuwürgen, wäre ein wirklich abenteuerlicher Irrweg.“, so Dr. von Boetticher abschließend mit Blick auf das laufende Gesetzgebungsverfahren in Berlin.