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Bericht
17.02.2025
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Delegationsreise des Jungen Wirtschaftsrates Schleswig‐Holstein nach Kapstadt

Südafrika steht optimistisch zwischen Digitalisierung und Energiewende. Der Junge Wirtschaftsrat konnte sich vor Ort von Perspektiven und Potenzial überzeugen.
©Wirtschaftsrat

Afrika ist ein Kontinent voller Dynamik und Potenzial. Während er in Europa oft noch mit Herausforderungen wie Hunger oder politischen Umbrüchen assoziiert wird, zeigt sich vor Ort ein ganz anderes Bild: Eine junge aufstrebende Bevölkerung, eine hohe digitale und mobile Vernetzung sowie eine offene, optimistische Einstellung machen Afrika zu einem Kontinent der Möglichkeiten. Eine 13-köpfige Delegation des Jungen Wirtschaftsrates Schleswig-Holstein konnte sich während einer einwöchigen Reise nach Kapstadt selbst davon überzeugen und wertvolle wirtschaftliche Perspektiven entdecken.

Maßgeblich organisiert von Finn Plotz, dem Vorsitzenden des Jungen Wirtschaftsrates in Schleswig‐Holstein und CEO der SEON Group mit Sitz in Hamburg und Kapstadt, erfuhren die Teilnehmer, wie Südafrika den Umstieg auf erneuerbare Energien plant und inwiefern das Land für Start-ups so attraktiv ist. Gesprächspartner waren unter anderem die deutsche Generalkonsulin Tanja Werheit, die Geschäftsführerin der Kapstädter Niederlassung der Auslandshandelskammer Südliches Afrika Anja Tambusso-Ferraz und ihr Kollege Benjamin Roesiger, die Geschäftsführung der offiziellen Investmentagentur von Kapstadt Wesgro und der Western Cape Government, der Weingutbetreiber Lars Maack, der Geschäftsführer der JUWI Renewable Energies (Pty) Ltd Richard Doyle, der Geschäftsführer von Launch Africa Ventures Zachariah George sowie Vertreter der First National Bank (FNB), der Bildungseinrichtung Shadow Careers und der Klipheuwel Wind Farm.

Wesgro

Den Auftakt bildete der Termin bei Wesgro und Western Cape Government, bei dem die Reiseteilnehmer grundlegende Informationen über Land und Leute erhielten. Innerhalb Südafrikas nimmt die Kapregion mit Kapstadt und ihren knapp fünf Millionen Einwohnern als Metropole die Rolle der Wachstumsregion ein. Sie ist Anziehungspunkt für Zuwanderung aus den anderen Regionen des Landes und beliebtes Ziel von Neuansiedlungen junger Unternehmen. Aufgrund der nahezu identischen Zeitzone ist Südafrika insgesamt interessant für Global Business Service Industrie, dessen Kunden fast ausschließlich in Europa sitzen. Die Partnerschaft zu Deutschland ist eng: Partnerstadt von Kapstadt ist Aachen, Partnerregion des Western Cape ist Bayern. Circa 30.000 Deutsche leben in Südafrika, manche davon dauerhaft, viele nur während der Sommerzeit.

Südafrika hat die am stärksten industrialisierte und diversifizierte Wirtschaft Afrikas. In der Kapregion leben 7,5 Millionen Einwohner, die Arbeitslosenquote ist die niedrigste im gesamten Land. Von hier aus bestehen Verbindungen zu den anderen Wachstumsmärkten des Kontinents. Ein sicheres Rechtssystem, eine stabile Regierung und vier Universitäten allein in Kapstadt sorgen für attraktive Standortbedingungen. Größte Investoren sind die USA, Großbritannien und Deutschland. Die Investitionen fließen vorrangig in Software und IT, Business Services und Kommunikation.

Erneuerbare Energien spielen in Südafrika erst seit 13 Jahren eine Rolle. Bisher erzeugten Kohlekraftwerke 98 Prozent des Stroms. Die JUWI Renewable Energies (Pty) Ltd, die eine 100‐prozentige Tochter der ENBW ist und deren Ursprünge in Mannheim liegen, ist mit 153 Mitarbeitern in Südafrika tätig und für zehn Prozent der Solarprojekte des Landes verantwortlich. Das Unternehmen garantiert seinen Auftraggebern die termingerechte Fertigstellung und die zugesagte Stromleistung. Wie in Deutschland, so steht die Branche auch in Südafrika vor der Herausforderung, die Regionen der Stromproduktion mit jenen des Stromverbrauchs zu verbinden, das Stromnetz gegen Schwankungen zu sichern und einen politischen Konsens herzustellen, da vom Wegfall der Kohle als Stromlieferant viele Arbeitskräfte betroffen sind.


Weingut

Eine Zwischenstation auf dem Buitenverwachting Weingut vermittelte den Teilnehmern neben der Möglichkeit einer Weinverkostung einen Einblick in die Bedingungen des Weinanbaus in der Region. Buitenverwachting zählt zu den bekanntesten Weingütern des Landes und wird regelmäßig für seine Chardonnay- und Sauvignon-Weine ausgezeichnet. Geleitet wird es vom Deutschen Lars Maack, der den Mitgliedern auch die politischen Rahmenbedingungen nahebrachte, insbesondere die zumindest theoretisch bestehende Gefahr einer Enteignung weißer Farmer, wie er und seine Familie es sind.

Shadow Careers

Wie die Kluft zwischen reicher weißer Oberschicht und armer schwarzer Unterschicht in den Townships verkleinert werden kann, zeigte ein Besuch bei Shadow Careers. Hier werden seit 2020 unter der Leitung von Geschäftsführerin Adjoa Ayivor wirtschaftlich benachteiligte Menschen ausgebildet, um anschließend in Callcentern (Global Business Service Industrie, GBS) arbeiten zu können. Die jungen Menschen mit einem maximalen Alter von 35 Jahren sind nicht nur wirtschaftlich ausgeschlossen, sondern vor allem digital. Bei Shadow Careers erlernen sie den Umgang mit Computern und erhalten im Gegensatz zu staatlichen Förderprogrammen eine Jobgarantie, wenn sie die Weiterbildung erfolgreich abschließen. Ausbilder und Recruiter stammen selbst aus der GBS‐Branche, bilden daher punktgenau und nach Markterfordernissen aus. 95 Prozent der Teilnehmer schaffen den Abschluss; bisher waren es 1.800 Absolventen.

Innovation City Campus.jpg

Start-ups finden im Innovation City Campus einen Anlaufpunkt und Venture Capital. Der hier ansässige Fonds Launch Africa Ventures hält 145 Beteiligungen und ist damit der größte Start-up‐Investor des Landes. Vorrangiges Ziel der Investitionen sind die Bereiche Fin‐Tech, E‐Commerce, Gesundheit und Bildung. 20 Prozent des Risikokapitals stammen aus Deutschland, hauptsächlich von Family Offices und Einzelpersonen, aber auch die Commerzbank ist investiert. Das Wachstum Afrikas ist vor allem mobilgetrieben. Nachdem sich in den vergangenen 15 Jahren auch die Datenkosten deutlich verringert haben, wird der Kontinent mit seiner schnell wachsenden Gesellschaft bereits 2050 China und Indien an Wirtschaftskraft überholt haben.

Gründer und General Manager Zachariah George übte bei diesem Termin grundsätzliche Kritik. Der ehemalige Wall-Street‐Investmentbanker beklagte, dass Medien allzu oft ein verzerrtes und zudem wenig differenziertes Bild Afrikas zeichneten. Häufig seien dies schlechte Nachrichten, die sich erfolgreicher vermarkten ließen. Als Beispiel nannte er ein Experiment, bei dem sich ein Time‐Magazin mit einem Cover über Hunger und Not um ein Vielfaches besser verkaufe als ein Magazin gleichen Inhalts mit einem Cover über Wachstum und Innovation in der Region. Georges Schlussfolgerung: „Mit Mitleid wird man Afrikas Probleme nicht lösen können.“

Die First National Bank (FNB) ist eine der größten Banken des Landes und Afrikas insgesamt. Das Unternehmen ist unter anderem aktiv in der Finanzierung von Windparks, Solarfarmen und Batterien. In den weitläufigen Räumen des Instituts mit einem beeindruckenden Ausblick auf die Küste und das WM‐Stadion erfuhren die Teilnehmer, dass die nach wie vor regelmäßig wiederkehrenden Stromausfälle im Land die Installation von Photovoltaikanlagen und Batteriespeicherlösungen insbesondere bei Privatpersonen stark vorangetrieben hätten.

Die Genehmigung, einen Windpark auf einem Gelände errichten zu dürfen, ist an die Auflage geknüpft, soziale und wirtschaftliche Projekte finanziell zu unterstützen. Dies verdeutlichte die Klipheuwel Wind Farm an zwei konkreten Beispielen: Zunächst besuchte die Reisegruppe das Gelände eines Unternehmens, das Äpfel aus der Umgebung reinigt, sortiert und sowohl für den inländischen Markt als auch für den Export abpackt. Durch häufige Stromausfälle musste die Arbeit in der Vergangenheit oft für mehrere Stunden unterbrochen werden. Dank der Klipheuwel Wind Farm springt in diesen Fällen nun ein Dieselgenerator ein und hält den Betrieb aufrecht.

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Emotional wurde es bei einem von der Wind Farm unterstützten Kindergarten. Die Gebäude der Einrichtung bestehen aus neuwertigen Containerbauten, in denen derzeit 30 Kinder von drei Mitarbeiterinnen betreut werden. Weitere staatliche Förderungen hängen von Eigenmitteln ab, die mühsam gesammelt werden müssen. Die Mitglieder der Delegation entschieden sich spontan, gemeinsam zu spenden und den Betrag noch vor Ort zu überweisen.

Die Klipheuwel Wind Farm betreibt neun Turbinen mit einer Leistung von je drei Megawatt. Sie erstreckt sich über zwei Farmen und insgesamt 340 Hektar. Seit 2014 liefert sie 86 Gigawattstunden pro Jahr. Die Windräder chinesischer Bauart sind 90 Meter hoch. Der Betrieb ist auf 20 Jahre ausgelegt.

Sonne.jpg

Bei einem Sundowner mit Blick auf das Meer und mit einem Tag zur freien Verfügung endete die Delegationsreise. Alle Teilnehmer zeigten sich beeindruckt von der Fülle der Informationen, der Offenheit und Freundlichkeit der Menschen sowie dem wirtschaftlichen Optimismus, den die Unternehmensvertreter ausstrahlten. Südafrika hat sich als ein Land und ein Markt präsentiert, den deutsche Unternehmer auf jeden Fall im Blick behalten sollten.