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Standpunkt 17.04.2024
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Standpunkt Steiger: Raus aus der wirtschaftspolitischen Lethargie

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

Der IWF hat gerade seine globale Wachstumsprognose erhöht. Die Weltwirtschaft nimmt Fahrt auf. Doch die Eurozone kann das Tempo nicht mitgehen und befindet sich auf der Verliererseite. Deutschland geht sogar mit der roten Laterne durchs Ziel – kein Industrieland schneidet schlechter ab. Ein weiterer Beleg dafür, dass die Rahmenbedingungen von Steuern über Bürokratie und Energie bis zur Infrastruktur bei uns im Moment nicht konkurrenzfähig sind. Diese prekären Daten müssten eigentlich eine unmittelbare wirtschaftspolitische Kurskorrektur erzwingen, sie treffen jedoch auf eine fortgesetzte Realitätsverweigerung von Teilen der Bundesregierung.

Statt den offensichtlichen strukturellen Mängeln mit einer entschlossenen wirtschaftspolitischen Strategie entgegenzuwirken, redet man sich weiterhin ein, die Lage sei besser als die Stimmung. Obgleich die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes immer sichtbarer erodiert, wird das Problem lieber der Weinerlichkeit der Unternehmer zugeschrieben – die Klage sei nun einmal das Lied des Kaufmanns, gibt Bundeskanzler Scholz zu Protokoll. Sein Wirtschaftsminister feiert ein Jahr Kernkraft-Geisterfahrt und verweist auf sinkende Strompreise. Doch was hilft ein Preisrückgang im Vergleich zum Vorjahr, wenn ich als Industrieunternehmen im internationalen Vergleich immer noch doppelt so viel, wie in China und dreimal so viel, wie in den USA für die Kilowattstunde zahlen muss? Der logische Einbruch der Produktion wird dann anschließend von den Grünen sogar noch als klimapolitischer Erfolg verkauft. Abgerundet wird das Bild von einer Bundesfamilienministerin, die die Schaffung von tausenden neuen Beamtenstellen allen Ernstes als Beitrag zum Bürokratieabbau deklariert. Eine gemeinsame Idee für einen wirtschaftspolitischen Kurs ist nicht ansatzweise erkennbar. Stattdessen kündigt sich ein weiterer Haushaltsstreit in der Ampel an. Unternehmer und Investoren suchen Sicherheit und Konstanz in der Wirtschaftspolitik, die es in Deutschland zurzeit nicht gibt.

In aller Klarheit. Diesen Stillstand können wir uns nicht mehr bis zur nächsten Bundestagswahl leisten. Wir befinden uns unübersehbar in einer Zeit, in der die Landkarte der globalen wirtschaftlichen Kraftzentren neu vermessen wird. KI, Wasserstoff, Quanten-Computing, Computerchips – es geht um die Entwicklung der wichtigsten Technologien der Welt und damit auch, um die Verteilung des künftigen Wohlstands. Das australische ASPI-Institut untersuchte unlängst 44 Technologiefelder, die für die Zukunft von entscheidender Bedeutung sind - in 37 dieser Bereiche nimmt China den Spitzenplatz ein, in den restlichen die USA. Während andere Wirtschaftsräume, um die Dominanz der wichtigen Schlüsseltechnologien konkurrieren, streitet Europa lieber über Lieferketten und in Deutschland gilt es schon als Erfolg, dass Arbeitsverträge künftig nicht mehr nur in Papierform abgeschlossen werden dürfen. Technologiefeindlichkeit hat seinen Preis.

Zeit für eine Kranzniederlegung? Keineswegs! Deutschland hat immer noch das Ass der Hidden Champions im Ärmel. Fast die Hälfte dieser Weltmarktführer kommt aus Deutschland – ein toller, innovativer Kapitalstock. Gerade diese einmalige mittelständisch geprägte Struktur sichert uns doch eigentlich eine besondere Anpassungsfähigkeit selbst an erhebliche Veränderungen.  Und während die ganze Welt staunend auf die amerikanischen Aktienstars der „magnificent Seven“ schaut, wurde vor Jahren das Akronym GRANOLAS für Europas Top-Konzerne geprägt. Diese Unternehmen sind bei der Marktkapitalisierung zwar deutlich kleiner als die US-Techgiganten, sie haben jedoch das Potenzial, nachhaltig zu bestimmen, wie Verbraucher künftig konsumieren.

Und zu guter Letzt haben wir mit der Sozialen Marktwirtschaft den richtigen Kompass, um immer wieder neu erfolgreich zu sein. Dafür braucht es keine Politik, die nationale Champions kreiert, Zukunftstechnologien selbst festlegt und jeden Subventionswettlauf mitmacht. Die Bundesrepublik ist nicht deshalb erfolgreich, weil Behörden die Wirtschaft steuern oder die Beamten im Wirtschaftsministerium einen sechsten Sinn für Innovationen haben. Sie ist erfolgreich, weil Unternehmer Risiken eingehen, Innovationen wagen und Verantwortung übernehmen.  Sie brauchen dafür endlich wieder eine Politik, die eine Ordnung schafft, welche Eigentum sichert, Wettbewerb ermöglicht und Arbeitsmoral belohnt.