Arbeitskräftemangel - kann Zuwanderung das Problem lösen?
Im Rahmen eines Morning Briefings wurden von Marion Gentges MdL, Ministerin der Justiz und für Migration des Landes Baden-Württemberg, Fragen rund um die Migrationspolitik und welche Chancen dabei für den allseits drängenden Arbeitskräftemangel bestehen, beantwortet.
Ministerin Gentges beginnt dabei zunächst mit einer Bestandsaufname, denn gerade im Hinblick auf die oft emotionale Debatte, die von verschiedenen politischen Gegnern tabuisiert werde, müsse man einen Blick auf die Wirklichkeit richten. Im Vergleich zu den Jahren 2015/16, als in der Bundesrepublik von der größten Flüchtlingskrise (Europas) gesprochen wurde, wurden allein im letzten Jahr mehr Flüchtlinge registriert als in den beiden genannten Jahren zusammen. Dennoch erklärte die Bundesinnenministerin 2022, dass es aktuell keine große Migrationskrise gebe. Die Realität vor Ort sei aber eine andere: die Möglichkeiten von Land, Kommunen und Gesellschaft seien endlich. Räumliche Kapazitäten, Personal, eine solide Finanzierung der Unterbringung sowie Versorgung gestalteten sich oft als schwierig.
Zugleich attestiert die
Agentur für Arbeit, dass Deutschland rund 400.000 Zuwanderer pro Jahr bräuchte,
um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Wichtig sei dabei zu betonen, dass
nicht mehr von einem Fach-, sondern schon längst von Arbeitskräftemangel die
Rede sei. Ein Teil der Lösung wird sicherlich in der Migration in den Arbeitsmarkt
liegen, attestiert Gentges. Jedoch könne dies nicht allein den Mangel beheben. Denn
Zuwanderung allein helfe nicht, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, denn
schulische Ausbildungen und beruflichen Qualifikationen passen nicht immer zu
den Anforderungen am hiesigen Arbeitsmarkt. Deshalb müsse dem
Arbeitskräftemangel gleichzeitig auch über Qualifizierungsmaßnahmen und
Digitalisierung begegnet werden.
Wichtig sei deshalb auch, zwischen Migration in den Arbeitsmarkt und der Aufnahme von Asyl- und Schutzsuchenden zu trennen, wofür es klare rechtliche Vorschriften und keine zahlenmäßige Begrenzung gebe. Für die Migration in den Arbeitsmarkt sei es hingegen geboten, einen Bedarf zu definieren und daran ausgerichtet Möglichkeiten zu schaffen, die nötigen Arbeitskräfte ins Land zu holen. Um diesen Prozess zu beschleunigen, muss die Anerkennung ausländischer Qualifikationen schneller und effizienter erfolgen. Dafür müsse man weg von Einzelfallprüfungen kommen. Auch der Überlastung der zuständigen Behörden müsse dringend begegnet werden.
Insgesamt müsse Deutschland die Einwanderung klarer steuern und gleichzeitig zu seiner humanitären Verantwortung stehen, folgert die Ministerin. Nur so könne eine gelungene Migrationspolitik nachhaltig wirken. Eine allgemeine europäische Verantwortung für Geflüchtete sei dabei essenziell. Brüssel und Berlin sollten sich auf eine Begrenzung und Steuerung der Geflüchteten einigen und EU-weite Standards in der Versorgung etabliert werden, fordert die Ministerin. Außerdem müssten innerhalb des EU-Schutzraumes die Lasten fair auf alle Mitgliedsstaaten verteilt werden. Eine lückenlose Erfassung an der EU-Außengrenze würde zudem zur schnelleren Abwicklung Asylsuchender beitragen. Des Weiteren sollte der Bund eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, bspw. in Bezug auf die Rückführung von schweren Straftätern, anstreben. Um die Migrationspolitik erfolgreich gestalten zu können, sei auch ein verstärkt kohärentes Handeln in der deutschen Außen- und Migrationspolitik notwendig.